Berlin. Einer Berechnung zufolge könnte Biogas eine Alternative für Millionen Haushalte sein. Doch das Umweltbundesamt hat Zweifel – und warnt.
- Kann Biogas die Wärmewende in Deutschland voranbringen?
- Theoretisch können Gasheizungen damit betrieben werden – doch das Umweltbundesamt sieht Probleme
- Welche Vorteile gibt es? Überwiegen am Ende doch die Nachteile? Was Hausbesitzer wissen müssen
Neben der Wärmepumpe oder Pelletheizung sollen auch Gasheizungen ab 2024 neu eingebaut werden können – nach vielen Debatten und Kontroversen in der Bundesregierung hat der Bundestag das neue Heizungsgesetz verabschiedet. Der Wunsch für die Zukunft der Gasheizung kam vor allem aus der FDP. Es wird aber Voraussetzungen gelten: Die neue Gasheizung muss entweder auf Wasserstoff umrüstbar sein oder zu mindestens 65 Prozent mit Biomasse betrieben werden.
Statt Wasserstoff: Gasheizung mit Biomethan nutzen – was die Lösung so interessant macht
Allen voran Biomethan wird als Hoffnungsträger in der Wärmewende gesehen. Die "WELT" veröffentliche vor einigen Wochen den Beitrag: "Die Biomethan-Lösung könnte plötzlich Millionen Gasheizungen vor dem Aus retten". Im Beitrag stützen sich die Autoren auf eine Analyse des Fachverbands Biogas (FvB) – doch was ist Biomethan eigentlich? Die kurze Antwort: Es ist ein Gas. Dieses entsteht in Biogasanlagen – dort wird pflanzliches oder tierisches Material von Bakterien abgebaut. Dabei entsteht, je nach Abbaumaterial, eine gewisse Menge Biomethan.
Faktencheck zur Gasheizung im Betrieb mit Biogas
Fakt | Definition |
Brennstofftyp | Biogas ist ein Gemisch aus Methan und Kohlendioxid sowie anderen Gasen – es entsteht durch die Vergärung von Biomasse. |
Klimaneutral | Biogas ist ein erneuerbarer Brennstoff – er wird größtenteils aus organischen Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen produziert. |
CO2-Neutral | Biogas ist nahezu CO2-neutral – die bei der Verbrennung freigesetzte Menge an CO2 entspricht ungefähr der Menge, die Pflanzen während ihres Wachstums aus der Atmosphäre aufgenommen haben. |
Energieeffizienz | Moderne Gasheizungen mit Brennwerttechnik sind sehr energieeffizient und erreichen Wirkungsgrade von über 90 Prozent. |
Versorgungssicherheit | Die Versorgungssicherheit ist von der lokalen Verfügbarkeit und Infrastruktur für Biogas abhängig – in einigen Regionen kann die Versorgung durch Biogasnetze oder lokale Biogaserzeugungsanlagen gewährleistet werden. |
Umweltauswirkungen | Die Nutzung von Biogas reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und kann zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen. Allerdings hat die Produktion von Biogas auch Umweltauswirkungen – etwa auf die Landnutzung. |
Kosten | Die Kosten für Biogas können je nach Region und Anbieter variieren. Die Kosten sind oft höher als für Erdgas – aber es können Fördermittel und steuerliche Vorteile zur Verfügung stehen. |
Das entstandene Biomethan kann in der Biogasanlage für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden – Betriebe können sich auf diese Weise etwa autark mit Energie versorgen. Die zweite Option ist die Aufbereitung von Biomethan. Damit wird es für Verbraucher mit einer Gasheizung interessant. Denn das aufbereitete Biomethan entspricht in seiner Zusammensetzung Erdgas und kann ins Gasnetz eingespeist werden. Gegenüber "FOCUS Online" teilt die dafür zuständige Bundesnetzagentur mit:
Gasheizung mit Biogas nutzen: Umweltbundesamt warnt vor Risiken – mehrere Knackpunkte
Das aufbereitete Biogas könne "ohne Anpassung in bestehenden Heizungen und anderen Gasverbrauchsgeräten genutzt werden". Könnte Biomethan die Alternative zur Wärmepumpe sein? Gerade für Verbraucher mit einer bestehenden Gasheizung wäre es eine verlockende Option – zumal eine bestehende Heizung dafür nicht umgerüstet werden muss. Das Biogas kann in das Gasnetz eingespeist werden. Doch es gibt mehrere Knackpunkte. Zum einen müssten Biogasanlagen massiv ausgebaut werden.
- Gesetzespläne: Ampel-Pläne – So sieht die Zukunft der Gasheizung aus
- Kostenvergleich: Gasheizung oder Wärmepumpe: Diese Heizung ist teurer
- Wegen CO2-Preis: Energieberater warnt vor horrenden Kosten für Öl- und Gasheizungen
- Faktencheck: Heizen mit Biogas – Umweltbehörde warnt vor falscher Kalkulation
- Wasserstoff-Nutzung: Hausbesitzer stehen mit H2-ready-Gasheizung vor großer Hürde
- Zukunft von Gas: Gasheizung mit Wasserstoff nutzen – Studie macht große Hoffnung
Zum anderen ist der Einsatz von Biomethan nicht unumstritten. Das Umweltbundesamt (UBA) warnt in einem Beitrag von 2019 vor einigen Risiken und klärt über die Nachteile auf. Biogasanlagen würden eine Quelle für Gerüche und Schadstoffe sowie Lärm darstellen und seien zudem komplexe Industrieanlagen mit einem erheblichen Risikopotenzial. Auch in Biogasanlagen würden erhebliche Mengen extrem entzündbare und klimaschädliche Gase erzeugt. Zudem ist der Anbau von Energiepflanzen immer wieder ein Thema.
Branchenverband nennt Biogas als Lösung für Millionen Haushalte – es gibt aber einen Haken
Aktuell werden Pflanzen wie Mais gezielt für den Biogasbetrieb angebaut. Umweltschützer warnen vor Bodenerosion, Wasser- und Luftverschmutzung und vor der Reduzierung der Artenvielfalt. Damit einhergehend wird auch bei der Produktion von Biomethan viel Wasser sowie Energie verbraucht – der Faktor Umwelt- und Klimaschutz ist daher ein wichtiges Thema. Zudem gibt es Zweifel an der Berechnung der Experten des Fachverbands Biogas. Deren Fazit: Mit Biomethan würden sich rund sieben Millionen Haushalte bewärmen lassen.
Die Zahl entspricht etwa der Hälfte aller Gasheizungen in Deutschland. Das UBA hat sich für "FOCUS Online" diese Berechnungen angeschaut und übt Kritik an zwei entscheidenden Punkten: Zum einen rechnet der Biogasverband mit synthetischem Methan – dieses sei aber schlicht kein Biomethan. Zum anderen sei die Herkunft der Referenzwerte für die Berechnung nicht ganz nachvollziehbar. Umso fraglicher: Könnte Biomethan tatsächlich Millionen Gasheizungen retten? Im Hinblick auf die Stolpersteine wird das in Zukunft eine entscheidende Frage sein.
- Langes Warten: Heizungsförderung beantragt? Warum jetzt eine Hängepartie droht
- EU-Pläne: Wärmepumpen-Pflicht droht – Knallharte EU-Pläne für Hausbesitzer
- Tauschpflicht: Zahlen zu Austauschpflicht verblüffen – wie viele wirklich betroffen sind
- Erhöhung: CO2-Preis steigt – was für Kosten auf Eigentümer mit einer Heizung zukommen
Beratungen über Heizungsgesetz: Jetzt neue Heizung kaufen? Was Energieexperten raten
Energieexperten raten vom Einbau neuer Gas- und Ölheizungen mehrheitlich ab. Ramona Ballod – Energiereferentin der Verbraucherzentrale Thüringen – gibt zu bedenken: "Mit der Entscheidung für eine neue Heizung legen Sie sich für die nächsten 20 Jahre fest." Ihre Empfehlung daher: "Nehmen Sie sich für Ihre Entscheidung Zeit – und wägen Sie die Vor- und Nachteile aller gängigen Heizsysteme ab." Iris Ege von der Energieagentur Biberach (Baden-Württemberg) äußert sich im Interview mit der "Schwäbischen" ähnlich.
Ege: "Ich empfehle deshalb in Ruhe zu überlegen, was man macht." Im ersten Schritt legt die Expertin eine Beratung nahe. Hier kommen Energieberater oder auch ein Experten-Gespräch bei einer Verbraucherzentrale infrage. Mögliche Alternativen zur Gas- oder Ölheizung sind neben der Wärmepumpe eine Pelletheizung oder auch ein Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz.
FAQ zum neuen Heizungsgesetz
1. Was sind die grundlegenden Änderungen?
Neue Heizungen sollen künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – hier ändert sich nichts. Allerdings wurde am Zeitplan deutlich entschärft und neben der Wärmepumpe sind andere Heizungstechniken gleichberechtigt – etwa Biomasse-Heizungen. Neu im Gesetz ist auch die kommunale Wärmeplanung – mehr dazu in Punkt fünf.
2. Ab wann soll das Heizungsgesetz gelten?
Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Es wird jedoch eine Übergangsphase geben – in dieser soll eine kommunale Wärmeplanung erstellt werden. Erst im Anschluss sollen die Vorgaben im neuen Heizungsgesetz greifen.
3. Welche Systeme erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe?
Neu ist: Heizungen – die mit Holz und Pellets betrieben werden – erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe ausnahmslos. Auch Gasheizungen – die zu 65 Prozent mit Biomasse oder Wasserstoff betrieben werden – sollen unter bestimmten Umständen weiter eingebaut werden können. Rein regenerative Alternativen wie die Wärmepumpe erfüllen die 65 Prozent ohnehin.
4. Ist eine Gasheizung nach 2024 noch zulässig?
Ab Januar 2024 sollen Gasheizungen eingebaut werden können – die Voraussetzung: Die neue Heizung muss auf Wasserstoff umrüstbar sein oder über Biogas betrieben werden. Diese Regelung greift auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten.
5. Wie wirkt sich die kommunale Wärmeplanung auf das Gesetz aus?
Die kommunale Wärmeplanung soll vorliegen, bevor Hauseigentümer aufgrund des Gesetzes zum Heizungsaustausch verpflichtet werden. Das bedeutet, dass in Gebieten – in denen keine kommunale Wärmeplanung vorliegt – die Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) noch nicht gelten.
6. Was ist die kommunale Wärmeplanung?
Die kommunale Wärmeplanung ist letztlich ein strategischer Prozess. Gemeinden und Städte sollen ihre Wärmeversorgung planen und steuern – um ihre Energieeffizienz zu verbessern, den Einsatz erneuerbarer Energien zu erhöhen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Dieser Prozess beinhaltet die Erstellung eines Wärmeatlasses, die Analyse der bestehenden Infrastruktur und die Bewertung von Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz und Nutzung erneuerbarer Energien.
Die Wärmeplanung berücksichtigt sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte und beinhaltet die Beteiligung der Öffentlichkeit, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Bedenken der Gemeindemitglieder berücksichtigt werden. Insgesamt dient die kommunale Wärmeplanung dazu, die komplette Wärmeversorgung nachhaltiger, effizienter und kosteneffektiver zu gestalten und die Ziele des Klimaschutzes zu unterstützen.
7. Wie wird die Umrüstung auf erneuerbare Heizungen bei Bestandsgebäuden geregelt?
Bestandsgebäude werden zur Umrüstung auf erneuerbare Heizungen verpflichtet, sobald die kommunale Wärmeplanung vorliegt. Dies könnte in einigen Regionen erst ab 2028 der Fall sein.
8. Was ist das geplante "Heiz-Kataster" im neuen Gesetz?
Das geplante Heiz-Kataster verpflichtet Kommunen, den Energieverbrauch der Gebäude in einer Region genau zu erfassen. Dies soll mehr Planungssicherheit bei der Wärmewende bieten.
9. Wie wirkt sich das neue Heizungsgesetz auf die Austauschpflicht aus?
Das neue Heizungsgesetz hat keinen erheblichen Einfluss auf die Austauschpflicht von bestehenden Heizungssystemen – die bisherigen Vorgaben für den Heizungstausch haben weiter Bestand. Aufgrund der Neuerungen im Heizungsgesetz haben Betroffene aber mehr Alternativen zur klassischen Gas- oder Ölheizung. Neben Wärmepumpe und Co. sollen zusätzlich unter bestimmten Bedingungen weiterhin Gasheizungen zulässig sein, die mit Biomasse oder H2-Wasserstoff betrieben werden.
Dennoch hängt die spezifische Auswirkung des neuen Gesetzes auf die Austauschpflicht von der jeweiligen kommunalen Wärmeplanung ab – bis diese vorliegt, sind die Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für den Austausch von Heizungen nicht anwendbar. Daher kann es sein, dass in einigen Regionen die konkreten Auswirkungen des neuen Heizungsgesetzes auf die Austauschpflicht erst in einigen Jahren vollständig spürbar sein werden.
10. Welche neuen Förderungen soll es für den Wechsel zu erneuerbaren Heizungen geben?
Die bestehenden Förderungen für neue Heizungen (2023) sollen weiter optimiert werden, um unterschiedliche soziale Härten zu adressieren und breitere Teile der Gesellschaft zu erreichen. Im Förderkonzept ab 2024 sind daher Klimaboni vorgesehen, die auf verschiedene Verbrauchergruppen abzielen.