Berlin. Kinder stellen die Beziehung der Eltern oft auf eine harte Probe. Eine Expertin zeigt, wie Elternschaft und Partnerschaft vereinbar bleiben.

  • Für die meisten Paare sind Kinder die Krönung ihrer Liebe. Kinder können eine Beziehung aber auch belasten.
  • Wie können Eltern die Belastungsprobe meistern und trotz Elternschaft verliebt bleiben?
  • Eine Paartherapeutin verrät, wie sich Elternschaft und Partnerschaft unter einen Hut bringen lassen.

Die meisten Kinder sind Wunschkinder. Doch egal wie sehr man sich auf dieses Wunder freut: Kinder verändern vieles – und darauf kann auch der beste Elternratgeber die werdenden Eltern nicht vorbereiten. Diana Boettcher ist Paartherapeutin in Berlin und hilft unter anderem jungen Eltern dabei, auch nach der Geburt ihres ersten Kindes ein Paar zu bleiben.

Im Interview erklärt sie, warum Kinder zu einer Krise in der Beziehung führen können – und wie man diese wieder lösen kann.

Frau Boettcher, viele Paare trennen sich, wenn die Kinder noch ganz klein sind. Warum?

Boettcher: Kinder zu bekommen ist für Paare eine besonders verbindende Erfahrung. Sie gemeinsam großzuziehen ist dagegen eine Herausforderung. Das System gerät mit der Zeit in einen Dauerstress. Wenn wir Kinder bekommen, befinden wir uns häufig in der Rush Hour unseres Lebens: Wir sind beruflich am produktivsten. Wir wollen und können nicht zurückstecken. Und dann kommen Kinder dazu und mit ihnen auch viele zusätzliche Aufgaben.

Die meisten Kinder sind Wunschkinder. Wenn das Kind auf die Welt kommt, steht es oft im Mittelpunkt und die Beziehung gerät in den Hintergrund. Mindestens ein Elternteil richtet die eigene Aufmerksamkeit im Alltag zu stark auf das Kind aus – und das ist für die Partnerschaft nicht günstig.

Diana Boettcher ist Paartherapeutin in Berlin.
Diana Boettcher ist Paartherapeutin in Berlin. © Chris Gonz

Begegnen Sie dieser Thematik häufig in Ihrer Arbeit?

Boettcher: Ja. 70 bis 80 Prozent der Menschen, die ich berate, sind Eltern mit kleinen Kindern. Das ist statistisch die schwierigste Zeit für eine Partnerschaft. Je abhängiger die Kinder sind, desto unzufriedener sind die Eltern in der Partnerschaft. Das sind dann auch die Paare, die in die Paarberatung kommen, weil sie merken: Wir schaffen es allein nicht mehr raus. Und es ist auch allein nicht mehr rauszuschaffen – gerade, wenn man zum Beispiel schon zwei Kinder hat.

Was sind die Hauptthemen, mit denen Paare zu ihnen kommen?

Boettcher: Kommunikationsschwierigkeiten. Die Partner können nicht mehr gut miteinander reden. Sie verstehen zwar, was der andere sagt, aber nicht, was er meint. Sie wollen lernen, besser miteinander zu sprechen, damit sie mehr Verständnis füreinander aufbauen können. Konflikte schließen sich meistens an. Das Paar schafft es nicht mehr, lösungsorientiert an Konflikten zu arbeiten und sie bleiben ungelöst.

Der dritte Punkt ist die fehlende Harmonie und Nähe innerhalb der Familie. Meistens ist es die Frau, die zuerst merkt, dass es irgendwie nicht mehr gut läuft und die Krise ernst zu nehmen ist. Der Mann sagt eher: Es ist eine schwierige Zeit, aber das schaffen wir. Wir müssen einfach durchhalten. Der weibliche Part fühlt sich dann nicht ernst genommen und alleingelassen mit dem Thema. Paare können die Krise manchmal unterschiedlich sehen und bewerten.

Wieso verändern Kinder eine Partnerschaft so sehr?

Boettcher: Mit einem Kind ist da plötzlich noch eine Person mehr, die Zeit in Anspruch nimmt. So schön es auch ist, ein Kind zu haben: Unser Tag hat einfach nur 24 Stunden. Also müssen wir die Zeit, die wir vorher für uns allein und für unsere Partnerschaft hatten, anders verteilen. Häufig wird dann die Paarzeit gekürzt. Als Elternpaar ist man aufeinander angewiesen. Das ist bei kinderlosen Paaren anders. Da macht jeder sein Ding und die guten Zeiten verbringt man miteinander. Diese Paare hatten zuvor wahrscheinlich weniger Möglichkeiten, gemeinsam durch harte Zeiten zu gehen und zu erleben, wie es ist, aufeinander angewiesen zu sein und nach Hilfe zu fragen.

Wenn dann ein Kind dazukommt und sie sich weiterhin allein durchkämpfen, entfernt das die Paare voneinander, distanziert sie emotional und sorgt für Stress. Am Ende ist der Eltern-Job so nicht machbar. Kinder erfordern Kooperation und klare Verbindlichkeiten. Wenn das Paar diese Ressource nicht ausreichend hat, belastet ein Kind die Partnerschaft.

Wie können Paare es schaffen, besser zu kommunizieren?

Boettcher: Ganz wichtig ist es, die eigene Wahrnehmung zu beschreiben: Wie geht es mir mit der problematischen Situation? Was habe ich bereits versucht, um etwas zu ändern? Im zweiten Schritt kann man den Partner einladen, ebenfalls über seine Wahrnehmung und Gefühle zu sprechen. Im dritten Schritt geht es dann um die jeweiligen Bedürfnisse.

Das hört sich erstmal einfach an. Wenn ein Paar aber hoch eskaliert ist – also sehr emotional, nicht gut im Kontakt und in einer schweren Krise – fällt es sehr schwer, diese drei Schritte diszipliniert durchzuführen. Wichtig ist, wirklich nur über die eigenen Gefühle zu sprechen: ohne Vorwurf und Kritik und die Bedürfnisse des anderen zu akzeptieren.

Beziehung: 3 Tipps, um wieder frisch verliebt zu sein

weitere Videos

    Gerade für Paare, die keine Hilfe von außen haben, kann es schwer sein, Paarzeit zu finden. Was raten Sie jungen Eltern?

    Boettcher: Das Paar muss sich organisieren. Zweisamkeit ergibt sich nicht von allein. Die meisten Paare fangen schon sehr früh an, eine Babysitterin oder einen Babysitter zu organisieren, der in die Familie integriert wird. Wenn Kinder anfangen, bei ihren Freunden zu übernachten, sind sie meistens schon vier, fünf Jahre alt. Das ist für das Paar zu spät. Sie müssen sich tatsächlich Hilfe organisieren, anders geht es nicht.

    Nicht alle Paare können sich regelmäßig einen Babysitter leisten. Welche Alltagstipps lassen sich auch zuhause umsetzen?

    Boettcher: Ich empfehle gerne, bestimmte Rituale im Alltag zu integrieren. Wenn zum Beispiel ein Elternteil mit dem Kind zu Hause ist und das andere Elternteil von der Arbeit kommt, nehmen Kinder oft sehr viel Aufmerksamkeit ein. Ein Ansatz kann sein, dem Kind zwar liebevoll Hallo zu sagen, aber im gleichen Atemzug erstmal dem Partner oder der Partnerin Aufmerksamkeit zu schenken. Das Paar verbindet sich erstmal miteinander, fragt wie es dem anderen geht und umarmt sich. Und das Kind wartet.

    Das ist etwas, was Paare im Alltag viel bewusster machen können, um sich zu signalisieren: Wir kommen zuerst. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Verantwortung. Das Kind ist währenddessen ja gut versorgt. Es wird nicht ignoriert, sondern ist Teil der Familie. Wenn die Kinder älter sind, kann man auch mal sagen: Jetzt ist Mama-Papa-Zeit. Wir reden jetzt eine halbe Stunde miteinander und du beschäftigst dich selbst. Aber dazu braucht es dieses Mindset: Wir kommen zuerst und dann kommen die Kinder, damit wir uns gut um die Kinder kümmern können.