Berlin. Bei „Hart aber fair“ ging es um Migration – und das Erstarken der Rechten. Dazu formulierte eine CSU-Politikerin eine heikle These.
Giorgia Meloni ist dabei, Italien zu verändern. Während sie sich bei europäischen Themen wie der Haltung zur Ukraine pragmatisch zeigt, setzt die Rechtsaußen-Premierministerin beim Thema Migration auf volle Härte. Das könnte sich auf die EU auswirken, etwa wenn Meloni die Lage auf Lampedusa weiter eskalieren lässt, um ihre populistischen Regierung zu stützen.
„Melonis Italien: Wie gefährlich ist der Rechtsruck für Deutschland und Europa?“, war die Sendung von „Hart aber fair“ am Montagabend mit Blick auf Italien überschrieben.
„Hart aber fair“: Diese Gäste waren am Montag dabei
- Ingo Zamperoni, "Tagesthemen"-Moderator und Doku-Macher ("Mein Italien unter Meloni")
- Katarina Barley, Vize-Präsidentin des EU-Parlaments und Mitglied des SPD-Parteivorstands
- Monika Hohlmeier, CSU-Politikerin und EU-Parlamentarierin
- Prof. Dr. Tobias Biebricher, Politikwissenschaftler und Buchautor ("Mitte/Rechts. Die internationale Krise des Konservatismus")
In einer Sache war sich die Runde einig: Die nach der Wahl vielerorts befürchtete Orbanisierung von Italien ist unter Meloni bislang ausgeblieben. Das liegt allerdings nicht daran, dass die italienische Regierungschefin gemäßigter wäre, als gedacht. „Sie weiß, dass sie das Geld der EU braucht“, erklärte Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Melonis Zurückhaltung. Lesen Sie mehr dazu: Giorgia Meloni – Die Postfaschistin, die Italien regiert
Ist Italiens Regierungschefin also eine Wölfin im Schafspelz? Für den Moment scheint es so. Dass sie die Wahl mit schrillen Thesen etwa zur Migration gewinnen konnte, erklärte Thomas Biebricher auch mit der Geschichte Italiens. „Der Faschismus wurde dort kaum aufgearbeitet“, sagte der Politikwissenschaftler. So habe sich etwa die Erzählung aus rechten Kreisen gehalten, dass er im Grunde gar nicht so schlecht gewesen sei – ausgenommen vielleicht die Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland.
„Hart aber fair“: Die Mehrheit reist von Italien weiter nach Deutschland
In diese politische Gemengelage fällt das Thema Migration. Auf Lampedusa ist die Lage in diesen Tagen wieder akut. „Das Thema ist im Mittelmeerraum ein Dauerzustand“, sagte Ingo Zamperoni. „Wenn wir so eine Lage auf Sylt oder Föhr hätten, würden wir da auch anders drauf schauen.“
Zugleich gab der ARD-Journalist, der eine Reportage über Italien unter Meloni gedreht hat, zu bedenken, dass die Zahl der Migranten ausgerechnet unter dieser Premierministerin gestiegen ist. „Eigentlich hat Meloni ihr Wahlversprechen gebrochen“, sagte Zamperoni. Dass ihr das bislang nicht schadet, hat wiederum mit den Eigenheiten der EU zu tun. „Italien lässt die Mehrzahl der Menschen nach Norden weiterreisen – nach Deutschland“, erinnerte Ulrich Reitz vom Focus. Das sei jedem klar.
„Hart aber fair“: Die Schwäche der gemäßigten Konservativen
Von dieser Entwicklung profitieren insgesamt die rechten bis rechtsextremen Parteien, überall in Europa sind sie auf dem Vormarsch. Und die gemäßigten Konservativen? „Sie haben unzureichend auf die Verlustängste der Menschen reagiert“, versuchte sich Politikwissenschaftler Biebricher an einer Erklärung.
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Eine konkretere Begründung bot Reitz an. „Sie müssen die Probleme bei der Migration und Integration adressieren“, forderte der Journalist mit Blick auf alle demokratischen Parteien. Ignorieren und schönreden helfe nicht.
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Die heikelste These des Abends ...
… wurde von Monika Hohlmeier formuliert. Dabei handelte es sich um einen Wiedergänger aus den 2015er-Debatten: „Je mehr wir retten, desto mehr ertrinken, das ist das Schlimme“, behauptete die CSU-Europaabgeordnete. So seien in der Zeit der EU-Rettungsmission Sophia besonders viele Menschen in See gestochen.
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Eine heikle Behauptung, die eigentlich durch Studien wiederlegt worden ist. Und bedeutete dies also, dass man demnach lieber gar nicht retten sollte? Gastgeber Louis Klamroth hakte löblicherweise ein und versprach Klärung im Faktencheck; schade, dass er Hohlmeier gerade diese Frage nicht direkt stellte.
„Hart aber fair“: Das Fazit
Es war gut und richtig, dass sich diese Ausgabe von „Hart aber fair“ der Migration widmete. In der Debatte zeigte sich, warum das Thema auch in Zukunft akut bleiben wird: Während zunehmend mehr Menschen vor Krieg, Armut und perspektivisch wohl auch den Folgen des Klimawandels flüchten werden, hat die EU weiterhin keine echten Lösungen anzubieten. Solange sich das nicht ändert, wird die Konjunktur für Giorgia Meloni und ihre Brüder und Schwester im Geiste anhalten.
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