Düsseldorf. Bald beginnt die Ausstellung für den Malerstar. Vorab spricht Kurator Markus Heinzelmann über Richter, rheinische Sammler und die Welt.
Die Resonanz ist riesig. Rund 2600 Tickets sind bereits verkauft, 80 Journalisten haben sich für die Präsentation akkreditiert. Ab 5. September zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast unter dem Titel „Verborgene Schätze“ eine große Schau über den 92-jährigen Malerstar Gerhard Richter. Zu sehen sind ausschließlich Arbeiten aus rheinischen Privatsammlungen, die meisten Ausstellungsstücke wurden selten oder noch nie öffentlich präsentiert. Eingerichtet hat sie Richter-Experte Markus Heinzelmann als Gastkurator, zurzeit Stiftungsprofessor für „Museale Praxis“ im Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Er sprach mit uns über Richter, das Rheinland und die Welt.
Herr Heinzelmann, das Interesse ist groß. Wird Gerhard Richter zur Eröffnung kommen?
Das wissen wir noch nicht. Womöglich lässt er den Trubel erstmal an sich vorüberziehen. Er wird sich die Ausstellung aber sicher anschauen.
Wie war seine Reaktion?
Er begleitet uns mit großem Wohlwollen. Er findet das Projekt gut und hat uns im Hintergrund auch die ein oder andere Hilfestellung gegeben. Aber wir zeigen ja keine neuen Arbeiten. Richter hat sein malerisches Werk 2017 abgeschlossen. In der Ausstellung werden aber zwei der letzten Bilder zu sehen sein, die er gemalt hat: große abstrakte Gemälde, einfach fantastisch. Auf den ersten Blick wirken sie grau, erst nach und nach erkennen Sie, wie bunt sie sind.
Ist die Ausstellung chronologisch aufgebaut?
Chronologisch und thematisch. Wir fangen mit den frühen Fotoübermalungen an und enden mit diesen ganz späten Bildern. Es gibt zehn Räume, jeder hat ein Thema, der letzte heißt „Persönliche Bilder“, darin hängt auch ein Porträt von Richters Sohn Moritz. In einem großen Saal haben wir die Landschaften versammelt, einige sind ja monumentale Gemälde.
Sie präsentieren Werke aus allen Schaffensperioden: rund 120 Arbeiten, darunter 80 Gemälde. Wie kam es dazu? Richters 90. Geburtstag ist ja schon zwei Jahre her.
Tatsächlich hatten wir nicht vor, eine Retrospektive zu zeigen, das hat sich nach und nach ergeben. Es ging uns immer darum, die Sammler des Rheinlands in den Fokus zu nehmen. Denn das Interessanteste ist ja: Richter wurde im Rheinland seit den 60er-Jahren durchgehend gesammelt.
Auch interessant
Wie wichtig war das Rheinland für seine Karriere?
Sehr wichtig. Seit 1961 lebt er hier und war immer sehr gut vernetzt. Die Museen hat er dabei gern als Testfelder für Ausstellungsformate genutzt. Schon 1974 hat Richter im Museum Abteiberg in Mönchengladbach eine Ausstellung nur mit seinen „Grauen Bildern“ gezeigt, eine Serie, die er in den 60er-Jahren begonnen hat. Das war schon sehr experimentell. Am Anfang unserer Schau sind mehrere davon zu sehen, darunter eine Arbeit aus der Sammlung Willi Kemp. Kemp hatte Richter bei einer Zollangelegenheit als Steuerberater unterstützt. Daraufhin schenkte er ihm das Bild als Zeichen seiner Dankbarkeit.
Zweieinhalb Jahre dauerte die Vorbereitungszeit. Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben erstmal geguckt, was es alles gibt. Das meiste ist ja nicht öffentlich. 2008 habe ich als damaliger Leiter des Museums Morsbroich eine Richter-Ausstellung gemacht, daher kannte ich schon viele Sammler und Sammlerinnen im Rheinland. Über das Werkverzeichnis des Gerhard-Richter-Archivs haben wir dann anonyme Anfragen an ganz unterschiedliche Leihgeber und Leihgeberinnen gestellt. Und wir hatten Glück. Rund 60 haben uns Werke zur Verfügung gestellt.
Wo kommen die Bilder her?
Wir dürfen nur wenige Privatpersonen nennen. Da ist Thomas Olbricht aus Essen, der eine große Richter-Sammlung besitzt. Und ein Werk ist dabei, das der Fotograf Andreas Gursky gekauft hat: „Weinernte“ von 1968. Außerdem zeigen wir eine Reihe Arbeiten, die einem Aachener Kreis zuzuordnen sind, der Richter seit 1969 sammelt. Darunter die Skizzen zu „Parkstück“ von 1971. Die wurden bisher nur einmal öffentlich präsentiert, 1999 in Kornelimünster.
Die Ausstellung
„Gerhard Richter. Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“: 5. September bis 2. Februar 2025 im Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf
Online-Tickets für diese Schau sind bereits hier im Vorverkauf erhältlich. Die kosten 16 Euro, ermäßigt 12 Euro. Kinder unter 18 Jahren haben freien Eintritt
Andere stammen aus dem Besitz von Unternehmen...
Unter den Leihgebern ist zum Beispiel die Haniel-Gruppe aus Duisburg; das waren 1983 die ersten, die ein Konvolut gekauft haben, drei „Abstrakte Bilder“ von 1982. Mitte der 80er hatte Richter seinen Durchbruch in den USA, im Wesentlichen durch die Galeristin Marian Goodman. Damals veränderten sich die Preise. Firmen stiegen ein, damit fielen Sammler mit eher kleinerem Geldbeutel weg. Die ehemalige Victoria-Versicherungs-AG bestellte 1986 bei Richter die Gemälde „Victoria 1“ und „Victoria 2“. Sie hängen in der heutigen Ergo-Konzernzentrale in Düsseldorf, jedes Bild ist sechs Meter hoch und vier Meter breit. Die passten auch nicht in Richters Atelier. Er hat damals eine Messehalle gemietet, die Bilder dort gemalt und sie dann herüberbringen lassen. Aber wir werden sie für die Ausstellungsgäste zugänglich machen.
Wie sind die privaten Sammler an die Bilder gekommen?
Das ist unterschiedlich. Ein Sammler hat in den 80ern ein Werk bei einer Versteigerung bei Amnesty International erworben, das dürfte vergleichsmäßig günstig gewesen sein; Richter stiftet immer mal wieder Gemälde für den guten Zweck. Sehr interessant war die Begegnung mit Ludger Schäfer. Er war von 1970 bis 1972 Assistent bei Gerhard Richter. Als die Zusammenarbeit beendet war, hat ihm Richter die Vorzeichnung eines Gemäldes auf Leinwand geschenkt. Basis war ein Foto, das er von Schäfer in seiner damaligen Studentenwohnung gemacht hatte.
- Kunstsammlung NRW: Die Landes-Staatsgalerie wird weiblicher
- Drei Museen, ein Galerist: René Block am Niederrhein
- Die unsichtbare Wirklichkeit: Gerhard Richter wird 90
Was ist noch zu sehen?
Eine der ältesten Arbeiten der Ausstellung ist „Schärzler“, ein Gemälde von 1964, das ebenfalls aus einer Privatsammlung stammt. Es zeigt einen Jagdbomber, Vorlage war ein Zeitungsartikel. Der Direktor des Konzerns hieß „Schwärzler“, Richter hat das „w“ entfernt, dadurch kippt das Bild ins Groteske. Viele seiner frühen Bilder sind ironisch, etwa auch „Die Kuh“, der Kopf einer schwarz-weißen Kuh. Auf dem Gemälde steht nochmal „Kuh“ – so, als würden kleine Kinder lesen lernen. Das Bild hing 1964 auf dem Rundgang der Düsseldorfer Kunstakademie, da war Richter noch Student bei Karl Otto Götz. Und auch eine seiner wenigen Skulpturen zeigen wir, die „Röhre“ von 1965, knapp zwei Meter hoch. Sie spiegelt die Lichtreflexion wider. Und die verändert sich rätselhafterweise auch nicht, wenn sie um die Arbeit herumgehen.
Wie viele Werke hat Richter geschaffen?
Das Werkverzeichnis der Gemälde und Skulpturen umfasst sechs Bände, es endet mit der Nummer 952. Es sind aber viel mehr, weil oft mehrere Arbeiten zu einem Werk gehören, sicher an die 3000. Dazu kommen noch die Zeichnungen. Und die Auflagenstücke: Prints, Drucke, Fotografien.
Spielen die Editionen auch eine Rolle in der Ausstellung?
Wir zeigen fast ausschließlich Unikate, aber es sind auch fünf Editionen dabei, darunter die „Kugel“, für Richter von ihrer Form her das perfekte Werk. Auf diesem Exemplar ist der Name eines Schweizer Gipfels eingraviert. Piz Trovat, den man gut von Sils im Engadin aus sehen kann. Richter fuhr immer gern in die Schweiz in Urlaub.