Essen. Mirco Quint ist katholischer Geistlicher im Ruhrbistum - und auch Seelsorger in Japan. Er betreut dort Christen aus dem deutschen Sprachraum.

Bei allem Respekt gegenüber dem Gastgeber: Auch nach drei Jahren Leben und Arbeiten in Japan kann Pfarrer Mirco Quint den Frühstücksritualen im Land der aufgehenden Sonne nichts abgewinnen. „Gebratener Reis und Fisch, das geht für mich gar nicht. Mein Frühstück besteht aus Brot, Butter und Belag.“ Und sogar deutschem Brot. „Denn in Tokio gibt es Bäcker, die in Deutschland gelernt haben“, erzählt uns der 46-Jährige, der „total beeindruckt“ ist von dem asiatischen Inselstaat rund 9.400 Flugkilometer fern der Heimat im Ruhrgebiet. „Der Respekt und die Höflichkeit, mit denen sich die Menschen dort begegnen, sind wohl einmalig auf der Welt.“ Und was vermisst Mirco Quint? „Das Glockenläuten“, sagt er ohne nachzudenken.

Wir treffen den Pfarrer in einem Bistro vis-à-vis gegenüber seiner letzten Wirkungsstätte in Deutschland, der Propstei-Kirche St. Augustinus in der Gelsenkirchener Innenstadt. Dort hatten wir ihn Weihnachten 2019 kennen gelernt. Wenige Monate später ging er im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz nach Japan. „Es war schon immer mein Wunsch, im Ausland zu arbeiten. Elf Jahre lang habe ich gehofft und gebetet, dass es klappt.“ Und warum Japan? „Zufall“, sagt Mirco Quint, „denn es gab nur freie Stellen in Asien. Japan schien mir am interessantesten.“ Bereut hat er diesen Schritt nicht. Ganz im Gegenteil: „Mein Vertrag läuft noch zwei Jahre, und ich habe um drei Jahre Verlängerung gebeten. Drücken Sie mir die Daumen.“ Tun wir!

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Der junge Pfarrer aus dem Bistum Essen ist nicht als Missionar im Einsatz. Sein Sendungsauftrag: Seelsorge in all ihren Facetten. Mirco Quint betreut in Japan – nicht nur in Tokio – Christen, die dort für rund 800 Firmen sowie Konsulate und Diplomatische Vertretungen aus dem deutschen Sprachraum tätig sind, Japaner, die in die Heimat zurückgekehrt sind, und die rund ein Prozent Christen der japanischen Bevölkerung, die 126 Millionen Menschen zählt.

„Mein Büro ist in meinem Rucksack: Laptop und Mobiltelefon“

„Meine Aufgaben sind vielfältig und spannend. Deutschsprachige Kultur, wozu natürlich auch das Christentum gehört, im Gastgeberland anzubieten und zu pflegen, Religion zu unterrichten. Hin und wieder auch Inhaftierte besuchen. In Deutschland war ich noch nie in einem Gefängnis“, erzählt er aus seinem Berufsalltag, der sich deutlich von dem in der Heimat unterscheidet. „Das Pastorale erledige ich aus der Hosentasche.“

Mirco Quint kümmert sich inzwischen um vier Gemeinden auf der Insel. Sein Stammhaus ist die Kirche Sankt Michael in Tokio. Drei weitere hat er selbst gegründet. Es gibt kein Pfarrhaus, kein Gotteshaus. „Die Katholische Kirche besitzt in Japan keine Immobilien. Für Gottesdienste und Festlichkeiten mieten wir Räume an. Mein Büro ist in meinem Rucksack: mein Laptop und mein Mobiltelefon. Die Menschen kommen nicht zu mir. Ich gehe zu ihnen, wir treffen uns. Ich verabrede mich überall. Ich reise viel durchs Land, das kulturgeschichtlich so spannend ist.“ Ist die Zeit zu kurz oder der Weg zu weit, hilft die digitale Technik: Videocalls. Und wie ist das mit der Berichterstattung an die Vorgesetzten, wollen wir wissen. Mirco Quint schmunzelt: „Natürlich, muss sein. Aber das Schönste an meinem Job ist, dass meine Chefs unendlich weit weg sind.“

„Shintoismus und Buddhismus sind eine völlig andere religiöse Kultur“

In Japan trifft Mirco Quint auf eine völlig andere religiöse Kultur. Das Christentum hat dort nie eine bedeutende Rolle gespielt. „Shintoismus und Buddhismus werden von rund neunzig Prozent der Japaner praktiziert, für sie eine Lebenseinstellung. Die meisten sagen, dass sie beides tun.“ Quint erklärt uns die beiden Religionen ausführlicher. Wir fassen es kurz: Shintoismus ist der Glaube an die Naturkräfte, der Weg des Göttlichen. Der Buddhismus zeigt Wege auf aus der Unvollkommenheit hin zu Harmonie und Glück. „Beides ergänzt sich im Laufe des Lebens“, so Pfarrer Quint.

Spannend ist, dass zwei Drittel der Schulen und Universitäten des Landes christlichen Organisationen gehören, aber von allen Menschen besucht werden können. Religionszwang ist in Japan ein Fremdwort. „Japaner unterstützen unsere Ideale, kennen und respektieren unsere Religion, würden sich aber nicht dafür entscheiden“, weiß Mirco Quint, der mittlerweile auch „rudimentär“ Japanisch spricht.

Freizeit und Arbeit verschmelzen auf angenehme Weise

Als er vor drei Jahren in dem Inselstaat ankam, war alles ganz anders. Es war während der Pandemie. „Ich habe Japan japanisch erlebt: Es waren kaum Fremde im Land“, berichtet Quint. „Obwohl es keinen offiziellen Lockdown gab, war die Metropole Tokio leer gefegt, Restaurants geschlossen und nur wenige nutzen die Züge. Die Japaner haben sich total diszipliniert verhalten.“ Heute erlebe er Tokio mit seinen acht Millionen Tagestouristen und Pendlern anders. „Es ist ein unglaublicher Tourismus und Verkehr. Aber es ist leise und diszipliniert. Im Zug wird nicht telefoniert und geredet. Mir fällt die Masse an Mensch nicht unangenehm auf.“

Pfarrer Mirco Quint vor der St. Augustinus-Kirche auf dem Heinrich König Platz in Gelsenkirchen.
Pfarrer Mirco Quint vor der St. Augustinus-Kirche auf dem Heinrich König Platz in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Freizeit und Arbeit verschmelzen bei Mirco Quint in angenehme Weise. Und er konzentriert sich nicht nur auf seine deutschsprachigen Mitmenschen. „Ich möchte Menschen verbinden“, lautet sein Credo. Das tut er mit Überzeugung und Leidenschaft. „Es ist nicht leicht, mit Japanern in Kontakt zu kommen. Sie sind sehr zurückhaltend. Aber wenn bei unseren Pfarrfesten und Feiertagen deutsches Bier, deutsche Bratwurst und besonders deutscher Kuchen auf den Tisch kommen, dann brechen alle Dämme.“

„Kirschblüte im Frühjahr - das muss man erlebt haben“

So fasziniert wie die Gastgeber von deutschen Gepflogenheiten sind, ist es Mirco Quint vom Kirschblütenfest. „Es ist unglaublich. Das ganz Land steht dann still. Familien, Arbeitskollegen, Freunde – alle treffen sich unter Kirschbäumen und feiern den Frühling. Das muss man erlebt haben. Blüten- und Farbenpracht sind kaum zu beschreiben.“ Irgendwann wird das Abenteuer Japan für Mirco Quint ein Ende haben, eine Reise in ein fernes Land, das ihn viele neue Erkenntnisse und Erfahrungen vermittelt hat, ihren Abschluss finden. „Ich bin und bleibe Priester des Bistums Essen und werde neue Aufgaben erhalten“, verabschiedet sich Mirco Quint mit einem bestimmten „Auf Wiedersehen“.

Wer eine Reise nach Japan plant, kann sich mit Pfarrer Mirco Quint in Verbindung setzen. Er hat unterschiedliche Programme mit vielen Tipps und Hinweisen zusammengestellt: mirco.quint@sanktmichaeltokyo.com oder www.sanktmichaeltokyo.com

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