Bekannt wurde „König Boris“ als ein Drittel der Rapper von Fettes Brot. Sein Solo-Album „Disneyland After Dark“ ist seit Freitag auf dem Markt.

31 Jahre lang war König Boris, bürgerlich Boris Lauterbach, ein Drittel von Fettes Brot. Im vergangenen Jahr löste sich das Trio (bekannt für Hits wie „Jein“ und „Nordisch by Nature“) auf. König Boris macht nun alleine weiter und veröffentlichte am Freitag sein zweites Soloalbum „Disneyland After Dark“. 2012 erschien sein erstes Solowerk „Der König tanzt“. Unsere Sonntagszeitung hat mit dem 49-Jährigen gesprochen.

Herr Lauterbach, „Disneyland After Dark“ heißt das neue Kapitel Ihrer Musikkarriere. Was bedeutet dieser Albumtitel?

Boris Lauterbach: Ich fand den Titel so stark, dass ich dachte, er könnte für das ganze Album stehen. Es geht darum, dass, wenn die Sonne untergeht im vermeintlich Fröhlichen, einige Dinge zum Vorschein kommen, die man sonst nicht sieht, wenn man in den nicht ganz so gut ausgeleuchteten Ecken nachschaut. Bei Tageslicht wirkt manches ganz anders, und das ist in einer Großstadt so. Das Album handelt ja von der Großstadt.

Die Platte ist eine mitfühlende Liebeserklärung an alle Menschen da draußen. Alle werden mit der gleichen Empathie behandelt. Wie wichtig ist Ihnen Empathie?

Ich versuche, nichts zu werten, das ist für mich wichtig. Das gilt auch für meine Musik. Alles, was ich da beschreibe, habe ich versucht, ohne Wertung rüberzubringen. Es gelingt mir natürlich nicht immer zu 100 Prozent, aber Empathie kann niemandem schaden. Sich einfach mal in jemanden hineinzuversetzen und zu schauen, wie sie oder er sich fühlt, bevor man seinen Hass ins Netz hackt, würde auf jeden Fall weiterhelfen.

Es sind die alltäglichen Stadtgeschichten, die Sie auf der Platte erzählen. Macht das den Charme des neuen Werks aus?

In der Corona-Zeit habe ich damit begonnen, an dem Album zu arbeiten und bin oft spazieren gegangen, weil es nichts zu tun gab. Die Stadt war menschenleer. Ich bin an stadtbekannten Plätzen vorbeigekommen, aber auch an Ecken, wo ich mich seltener aufhalte. Mir ist dabei viel stärker aufgefallen, was an solchen Orten passiert. Das war für mich der Anstoß, über die Stadt zu schreiben. Dann habe ich genauer hingesehen und einen Lieferservice gesehen. Da dachte ich mir: ,Die müssen wissen, was hinter jeder Tür passiert.’

Wie schwer fiel Ihnen das Ende von Fettes Brot? Ihr habt den Hip-Hop in Deutschland zusammen mit Fanta 4 groß gemacht, doch nach 31 Jahren war der gemeinsame Weg zu Ende. Wie tränenreich war es?

Ich hatte den Vorteil, im Gegensatz zu den Leuten da draußen, dass ich viel früher wusste, was wir vorhatten. Ich hatte also länger Zeit, alles zu verarbeiten. Als es dann soweit war, hatte ich den größten Teil geklärt. Das war auch gut so, denn dadurch konnte ich den Abschied sehr genießen. Das Schöne daran war, dass wir den tollen Pop-Moment, den wir geschaffen hatten, gebührend genießen konnten. Danach bin ich erst einmal einen Monat nach Frankreich gefahren, um Abstand zu bekommen. Es fühlt sich gar nicht so anders an. Nach einem Album war immer zunächst mal Pause. Jetzt kommt mein Soloalbum, und ich bin wieder voll drin. Ich habe den Abschied ganz gut verkraftet, vielleicht kommen noch einmal ein paar Wellen der Trauer.

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War eigentlich mit „Fettes Brot“ Schluss, weil die Story auserwählt war? Oder gab es nicht doch Zoff?

Es gab keinen Streit. Tatsächlich hat die Zeit während der Corona-Pandemie dazu beigetragen. Unsere Interessen hatten sich etwas auseinanderentwickelt. Jeder von uns hatte ein neues Projekt begonnen, und dann haben wir festgestellt, dass der Enthusiasmus unterschiedlich stark war. Also dachten wir, ,Vielleicht ist es jetzt an der Zeit aufzuhören, bevor es unangenehm wird.’ Und dann haben wir das Ganze zu einem richtigen Ereignis gemacht. Wir haben unsere Band mit großem Trara begraben.

Das neue Soloalbum folgt auf Ihr erstes Soloprojekt „Der König tanzt“, das 2012 veröffentlicht wurde. Was wollten Sie bewusst anders machen?

Das kann ich gar nicht sagen. Ich weiß nur, dass mir die Erfahrung beim ersten Soloalbum geholfen hat für das neue Album, denn ich wusste, was ich nicht mehr machen wollte. Der Entstehungsprozess von ,Der König tanzt’ war sehr anstrengend. Es gab viele Zweifel und wenig Genuss, denn es war sehr harte Arbeit. Es war ein Kampf um jede Zeile. Bei der Entstehung dieses Albums hatte ich jedoch viel mehr Freude. Mein lieber Freund Arne Diedrichson, der bei Fettes Brot Bass gespielt hat, und ich hatten eine gute Zeit während der Aufnahmen. Es war jetzt viel einfacher für mich. Das hört man auch auf dem Album.

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In „Zuhause angekommen“ leuchten die nächtlichen Lichter der Großstadt bedrohlich und beruhigend zugleich. Was war Ihnen in diesem Song wichtig?

Die ganze Platte ist etwas düster angehaucht. Da schwingt schon zarte Melancholie mit. Soundmäßig ist es für mich 90er-Feeling geworden. Da hatte ich Bock drauf. Es ist, wie schon gesagt, mein Blick auf die Stadt mit ihren schönen Facetten und ihren Schattenseiten. Und trotzdem bin ich zuhause angekommen. Das Leitmotiv des Albums ist, dass es oft schön und Scheiße zugleich sein kann. Die Ambivalenz von Licht und Schatten. Man kann es auch auf das ganze Leben übertragen. Es ist ja nie nur geil. Das Album bezieht sich aber nicht nur auf mein Hamburg, sondern man kann es in jeder Stadt hören.

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Ich schließe damit nicht aus, dass ich auch noch andere Sachen machen kann. Ich habe auch für anderen Quatsch noch viele Ideen im Kopf. Aber Musik fasziniert mich nach wie vor, sodass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, es sein zu lassen. Das ist einfach mein Ding, und ich empfinde es als riesiges Privileg, dass ich das machen darf. Für mich war nach dem Ende mit den Broten klar, dass ich auf jeden Fall weiter Musik machen werde.

 Boris Lauterbach (M.) von Fettes Brot veröffentlichte als „König Boris
Boris Lauterbach (M.) von Fettes Brot veröffentlichte als „König Boris" ein Solo-Album. © dpa | Marcus Brandt

„Hey, König Boris hier. Leute passt mal auf. 1. Ich wünsche euch allen ein frohes Neues Jahr. 2. 2024 wird wild, weil 3. Ich bringe dieses Jahr ein Album raus“, haben Sie in einem Instagram-Reel verkündet. Ist Social Media Fluch und Segen zugleich?

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Ich versuche, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die mir gefallen. Schlechte Musik hat es schon immer gegeben. (lacht) Ich schaue, was ich Tolles entdecken kann. Ich musste mich daran auch erst einmal gewöhnen, und mittlerweile bin ich da gut drin. Ich mache das tatsächlich auch selbst und habe auch meinen Spaß daran. Es ist eine sehr schnelle und direkte Art der Kommunikation. Manchmal muss man mit den nicht so netten Kommentaren klarkommen. Das gelingt mir ganz gut.

Sie sehnen sich nach kreativer Selbstfindung, hieß es bei „Der König tanzt“. Wie war es dieses Mal?

Das klingt fast so, als wäre ich unglücklich gewesen in dem Dreier-Konstrukt „Fettes Brot“ und dass ich mich da nicht hätte entfalten können. Das war mitnichten der Fall. Ich war da sehr sichtbar und hatte nie das Gefühl, dass ich mich da zurückhalten musste. Ich hatte jetzt kein Befreiungsgefühl so nach dem Motto ,Jetzt kann ich endlich malochen, was ich will.’ Natürlich ist es angenehm, an manchen Punkten keine Kompromisse schließen zu müssen, aber wenn ich jetzt keine Idee habe, kommt keine angeflogen. Das war bei ,Fettes Brot’ mit uns Dreien natürlich anders. Aber bei meinem neuen Soloalbum lief es für mich ganz gut. Ich war da in einem guten Flow drin. Es ist viel neue Musik entstanden, ich habe noch mal so viele Songs geschrieben, wie auf dem Album drauf sind.

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Warum haben Sie solo jetzt nicht unter Boris Lauterbach neu begonnen?

Beim ersten Soloalbum habe ich es mir mit ,Der König tanzt’ etwas schwieriger gemacht. Da musste der Fan schon einmal um die Ecke denken. Ich wollte es dieses Mal einfach halten. Alle kennen mich als ,König Boris’, und bei Boris Lauterbach hätte ich jetzt schon eine große Interpretationsfläche aufgemacht, bevor die Leute die Songs hören. Da hätten einige vielleicht gedacht: ,Was ist denn jetzt los? Will er jetzt ernst genommen werden?’ ,König Boris’ ergibt für mich am meisten Sinn.

Wenn Wolfgang Niedecken ein Soloalbum veröffentlichen würde nach dem Ende von BAP, würde es wahrscheinlich nicht viel anders klingen. Bei Ihnen ist es anders, wenn man sich nur „Kiss Me, Kiss Me“ anhört. Oder wie sehen Sie es?

Ich stimme zu. Ich habe auch das Gefühl, dass meine neuen Songs anders klingen als das, was ich mit ,Fettes Brot’ gemacht habe. Aber ich musste mir jetzt keine Mühe geben, extra anders zu schreiben. Es klingt automatisch anders, weil ich es alleine mache. Das ist auch gut so. Es wäre witzlos geworden, wenn ich das Gleiche gemacht hätte wie mit den Broten.

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„Kiss Me, Kiss Me“ ist eigentlich ein Liebeslied. „Deine Eltern Scheiße, meine Eltern sind tot.“ , heißt ein anderes. Haben Sie das selbst erlebt?

Es ist so oft in meinen Liedern. Einige Teile sind aus eigener Erfahrung, andere sind Geschichten von anderen Menschen entliehen. Wieder andere sind frei erfunden. Ich hätte wahrscheinlich nicht ,Meine Eltern sind tot’ gesungen, wenn es nicht wahr wäre. Diese traurige, etwas zerbrochene Liebesgeschichte habe ich natürlich auch selbst erlebt. Aber ich habe es auch schon bei Freunden beobachtet. Bei diesem Lied habe ich das Gefühl, dass es jeder nachempfinden kann.

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