London. Das neue Album „This Life“ ist sehr persönlich geworden. Ein Gespräch mit Gary Barlow, Howard Donald und Mark Owen über das Glück und das Alter.
Gary Barlow (52), Howard Donald (55) und Mark Owen (51) sitzen eng beieinander auf einem Sofa in der Londoner Zentrale ihrer Plattenfirma. Alle drei tragen Bärte unterschiedlicher Intensität, Gary und Howard werden allmählich grau, Mark wird immer langhaariger. Drei Kollegen, die seit 1990 zusammenarbeiten, seit 1992 weltberühmt sind und heute, nach einige Querelen, Auflösung und dem Verlust der zwei Bandmitglieder Robbie Williams (Rückkehr nicht ausgeschlossen) und Jason Orange, in bester Freundschaft vereint sind. Zum ersten Mal seit „Wonderland“ 2017 hat das Trio jetzt mit „This Life“ ein neues Album eingespielt. Es klingt intimer, persönlicher, reflektierter und im besten Sinne etwas kleiner als die oft pathetisch-hymnischen Hits der Vergangenheit. Am kommenden Samstag, 25. November, treten sie wie in alten Zeiten bei „Wetten dass..?“ auf. Steffen Rüth sprach mit ihnen.
Werte Herren, es ist Montagmittag. Hatten Sie ein entspanntes Wochenende?
Gary Barlow: Wir haben tatsächlich die Beine ein wenig hochlegen können. Und jetzt sind wir ausgeruht, putzmunter und in allerfeinster Verfassung, um es mit Ihnen aufzunehmen.
Howard Donald: Ich hatte nicht frei, Jungs. Ich war als DJ unterwegs, in Derby.
Mark Owen: Echt?
Donald: Ja, bis zum frühen Sonntagmorgen. Ich muss aber sagen, Platten aufzulegen, ist für mich keine Arbeit und kein Stress, ich mache das, weil ich Spaß daran habe. Weniger lustig war die Fahrerei, dreieinhalb Stunden im Auto hin, dreieinhalb Stunden zurück am nächsten Tag. Das bedeutet: verdammt wenig Schlaf. Aber ich hatte keine andere Wahl. Meine Frau meinte, ich müsse um 13 Uhr wieder zuhause sein, sonst wolle sie die Scheidung (lacht).
Waren Sie pünktlich?
Donald: Knapp zu spät. Daher darf ich verkünden: Ich bin jetzt Single! (lautes Gelächter von allen dreien)
Man muss schon sagen, das wirkt herrlich harmonisch, wie Sie da zusammenhocken. Müssen Sie sich gerade tierisch zusammenreißen oder mögen Sie sich wirklich so gern, wie es aussieht?
Barlow: Wir sind beste Freunde. Wir kennen uns seit mehr als dreißig Jahren, wir haben alles miteinander geteilt. Es dürfte wirklich nicht viel geben, was wir nicht voneinander wissen. Dennoch langweilen wir uns nie, wenn wir zusammen sind. Wir sind wie die drei Räder eines Dreirads, jeder von uns ist sehr wichtig, damit die ganze Geschichte funktioniert. Wir sind optimal aufeinander eingestellt. Wir sind ein richtiges Team.
Donald: Das Schöne ist, dass wir uns immer noch viel zu erzählen haben, wenn wir uns sehen. Ich finde auch, je älter wir werden, desto stärker wird das Band, das uns zusammenhält. Seit wir nach zehn getrennten Jahren 2005 wieder loslegten, habe ich den Eindruck, dass uns nichts mehr erschüttern oder gar auseinanderbringen kann.
Owen: Wir haben gelernt, wie wertvoll Take That für uns ist. Wir wissen all das, was wir erreicht haben und noch immer erreichen, heute sehr viel mehr wertzuschätzen. Unsere Band ist etwas Besonderes, etwas Einmaliges.
Die neuen Lieder wie zum Beispiel die erste Single „Windows“ oder der Titelsong „This Life“ klingen schön organisch und ungekünstelt. Nicht nach hysterischem Pop, sondern fast schon ein wenig altmodisch, so wie Supertramp oder die Bee Gees. Wollten Sie mit der Platte insgesamt so ein bisschen zurück zur Quelle?
Barlow: Man könnte das jetzt im Nachhinein wirklich super verkaufen. So nach dem Motto, hey, sie waren in Amerika, sie haben mit Dave Cobb gearbeitet, sie klingen nach Folk und ein ganz klein wenig nach Country. Aber in Wirklichkeit gab es ihn nicht, den großen Masterplan. Wir hatten 2019 die große „Odyssee“-Tournee gespielt, dann kam die totale Vollbremsung und wir sahen uns zwei Jahre lang so gut wie gar nicht. Als wir uns wieder trafen, um zu schauen, wo wir stehen, stellten wir fest, wie sehr wir es liebten, uns tagtäglich zu sehen und Songs zu erarbeiten. Irgendwie entwickelten unsere neuen Stücke dann so einen leichten Nashville-Einfluss, und wir kontaktierten Dave, weil wir wissen, dass er einer der besten Produzenten für diese Art von natürlicher Popmusik ist.
Am meisten wie eine Hymne klingt das finale Lied auf dem Album, „Where We Are“. Sie zitieren sich sogar selbst und singen „We’ve come so far“. Wollten Sie Ihrem Klassiker „Never Forget“ eine besondere Ehre zuteilwerden lassen?
Barlow: Ja, doch vor allem steckt in dem Lied, dass wir uns selbst ein bisschen feiern. Ich finde, das haben wir verdient (lacht). Wir sprechen in „Where We Are“ davon, wie außergewöhnlich das alles ist, was wir seit über drei Jahrzehnten erleben dürfen, welches wahnsinnige Glück wir hatten. Und wie dankbar wir den Menschen sind, die unsere Lieder auch zu ihren Liedern gemacht haben.
Gerade erst habe ich irgendwo gelesen, dass Sie sich von nun an nie wieder auflösen würden. Ist das wahr?
Barlow: Wir haben auf absehbare Zeit nicht vor, uns zu trennen. Warum sollten wir das auch tun? Nochmal dreißig Jahre, und wir sind Anfang achtzig. Das ist doch kein Alter mehr (lacht).
Seit 1990, Ihrem Gründungsjahr, haben Sie unvorstellbar viel zusammen erlebt. Es gab aber nicht nur Triumphe und Enttäuschungen rund um Take That, sondern auch persönliche Höhe- und Tiefpunkte für Sie alle drei. Kann man sagen, dass Sie auf „This Life“ Ihr bisheriges Dasein ein Stück weit aufarbeiten?
Owen: Ich denke, so ehrlich und so offen wie auf diesem Album waren wir noch nie! Jeder von uns hat seinen eigenen Erfahrungsschatz, außerdem gibt es natürlich den gemeinsamen, und wir öffnen hier unsere Schatztruhe.
Barlow: „This Life“ ist unser persönlichstes Album. Es geht um das Leben an sich, um all das Schöne und das Traurige, ums Hinfallen und Wiederaufstehen. Ich kann nicht genau sagen, wie von außen auf unser Leben geschaut wird, aber was ich weiß, ist: Selbst, wenn alles immer leicht und fantastisch aussieht, war es das in der Wirklichkeit nicht immer. Auch wir sind gescheitert, auch wir haben Scheiße erlebt. Mit einem gewissen Abstand und einer gewissen Reife gucken wir uns dieses Leben an, und schreiben darüber aus der Perspektive von drei nicht mehr ganz unerfahrenen Männern. Ich denke, was den Versuch angeht, das Leben zu meistern, sind wir drei auch nur Menschen wie alle anderen. Jeder von uns hat seine Dämonen.
Sie sind mittlerweile alle jenseits der Fünfzig. Ist das ein gutes Alter, um zu reflektieren und mehr Nostalgie zuzulassen?
Donald: Es ist definitiv ein gutes Alter, um nicht mehr um den heißen Brei herum zu reden.
Owen: Das Leben besteht aus Veränderung und aus Bewegung. Es wäre ja auch ziemlich trist, wenn dem nicht so wäre. An manchen Tagen willst du das kleine Mauerblümchen sein, das sich als Knospe im Beet versteckt, an anderen Tagen möchtest du aufblühen und wünscht dir, dass eine Biene ein paar deiner Pollen mitnimmt. Auf einmal ist das Feld dann voller Blumen, die aussehen wie du.
Donald: Mark, willst du gerade verzweifelt eine Schlagzeile liefern? (lacht)
Wer ist denn der „patched-up champion“, der geflickte Held, aus Ihrem Song „The Champion“?
Owen: Wir selbst natürlich. Die Idee für den Song kam mir, nachdem ich mir noch einmal den ersten „Rocky“-Film angeschaut hatte. Im Kampf gegen Apollo Creed hat am Ende der arg lädierte Rocky triumphiert, obwohl es zwischendurch so gut wie aussichtslos für ihn aussah. Ich denke, diese Geschichte kann man auf uns übertragen. Auch wir haben manchen Treffer kassiert, aber wir sind nie liegen geblieben.
Um Resilienz und Mental Health geht es in einer ganzen Reihe von Songs. In den eher dunklen „Mind Full Of Madness“ oder „Days I Hate Myself“ – aber auch in „March Of The Hopeful“ und, quasi als Selbstbeschwörung „Keep Your Head Up“.
Barlow: Zum Glück ist es ja heute kein Tabu mehr, über diese Themen in einem Pop-Song zu sprechen. Owen: Wenn es einen roten Faden auf der Platte gibt, dann es in der Tat die Erkenntnis, dass man sich nicht unterkriegen lassen sollte. Es geht immer weiter, man kann Dinge ändern, man darf nie aufstecken oder aufhören, an sich zu arbeiten. Mein Sohn ist jetzt 17 und damit so alt wie ich, als ich in die Band kam. Er wird seinen eigenen Weg gehen, aber ich finde die Idee ganz schön, ihm ein paar meiner Weisheiten mitzugeben.
Welche sind das?
Owen: Dass es sich immer lohnt zu kämpfen.
Donald: Und dass man auch mal nachsichtig zu sich selbst sein muss. Wir geben zwar immer unser Bestes, aber nicht immer ist das Ergebnis so toll, wie wir uns das wünschen. Menschen sind fehlbar.
Barlow: Jungs, ich sage euch, es kommt vor allem auf die innere Einstellung an. Es ist okay, morgens am liebsten einfach im Bett bleiben zu wollen, und hin und wieder kann man diesem Wunsch ruhig nachgeben. Aber an jedem Tag, an dem ich aus der Kiste krieche, denke ich, dass es lohnt, immer und immer wieder aufzustehen.