An Rhein und Ruhr. Ahmad A. war der IS-Repräsentant in Deutschland. Er sitzt in Haft und soll ausgewiesen werden. Er wehrt sich dagegen
Die Haftanstalt Willich I im Kreis Viersen. 424 Haftplätze, davon sind aktuell 378 besetzt. Hier sitzen Drogendealer, Vergewaltiger, Mörder – und einige Islamisten. Der bekannteste dieser Extremisten ist Ahmad A., besser bekannt als Abu Walaa oder der „Prediger ohne Gesicht“. Der Mann war der Repräsentant des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) in Deutschland und stammt aus dem Irak. Die Behörden wollen ihn in seine Heimat ausweisen. Das aber ist ein juristischer Balanceakt.
Ahmad A. kam im Jahr 2001 als Minderjähriger nach Deutschland und radikalisierte sich im Laufe der Zeit. Ab 2012 predigte er in einer Moschee in Hildesheim und wurde in der salafistischen Szene zu einem Star, dem auf Facebook rund 25.000 Menschen folgten. Als die Fanatiker des IS im Irak und in Syrien ihr Terrorkalifat errichteten, wurde A. zu ihrem Statthalter in Deutschland und warb mit seinem Netzwerk junge Menschen für den Dschihad an. Mehr als zwanzig Männer sollen von ihm und seinen Gefolgsleuten in den Krieg geschickt worden sein, die meisten von ihnen auch in den Tod.
Die Selbstmord-Zwillinge aus Castrop-Rauxel
Traurige Berühmtheit erlangten die Brüder Mark und Kevin K. aus Castrop-Rauxel. Die Zwillinge reisten im Sommer 2014 nach Syrien und schlossen sich dem IS an. Im Jahr darauf verübten sie als Selbstmordattentäter Anschläge und ermordeten Dutzende Menschen. Auch Anis Amri, der Massenmörder vom Berliner Weihnachtsmarkt, hatte Bezugspunkte zum Netzwerk des salafistischen Predigers. Im November 2016 wurde Ahmad A., der damals in Tönisvorst bei Krefeld lebte, verhaftet und nach einem Mammutprozess Anfang 2021 zu einer Haftstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt. Im September 2022 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.
In der Kreisverwaltung in Viersen ist man davon überzeugt, dass Ahmad A. noch immer eine Gefahr darstellt. Deswegen verfügte der Kreis, in dem die Haftanstalt liegt, im September 2023 die Ausweisung des Gefangenen in den Irak. „Der Kreis hat die Ausweisung mit zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit begründet, die die Ausweisung des Antragstellers rechtfertigen“, so ein Sprecher. Die von A. ausgehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit wiege so schwer, dass auch seine familiären Belange nicht dagegenstünden. A. hat insgesamt sieben Kinder, vier eheliche und drei mit einer Zweitfrau, die er nach islamischem Ritus geheiratet hat.
Abu Walaa stellt neuen Asylantrag - Angst vor Todesstrafe
Die Anwälte des Islamisten gingen zunächst mit einem Eilantrag gegen die Verfügung vor. Mitte Mai lehnte das Verwaltungsgericht in Düsseldorf diesen Antrag ab. Es lägen tatsächlich „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit vor“, die die Ausweisung rechtfertigten. Gegen eine sofortige Ausweisung spräche nur, dass Ahmad A. noch bis 2027 regulär in Haft sitzt und die Staatsanwaltschaft diese Strafe vollstrecken wolle. Jetzt hat das juristische Tauziehen allerdings erst richtig begonnen.
Der Mann, der so viele junge Menschen in den Tod geschickt und zum Morden animiert hat, hat einen neuen Asylantrag gestellt. Wenn er in den Irak abgeschoben würde, so die Argumentation, könne ihm dort die Todesstrafe drohen. Nun muss zunächst auf diplomatischem Weg die Zusicherung des Irak eingeholt werden, dass Ahmad A. im Fall einer Abschiebung nicht hingerichtet wird. Erst dann kann über seinen neuen Asylantrag entschieden werden. Gegen diese Entscheidung könnten die Anwälte von A. jedoch erneut Widerspruch einlegen, sollte der Asylantrag abgelehnt werden.
Kommt der IS-Prediger frei, darf er keine Telefone benutzen
Ob A. sich von seiner radikalen Ideologie distanziert hat, ist nicht klar. Während des Prozesses vor dem Oberlandesgericht in Celle schwieg er. Wie er sich in der Haft führt, darf die Anstaltsleitung aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes nicht sagen. Generell, so ein Sprecher der JVA, gebe es in Willich wie in jeder JVA über Integrationsbeauftragte Deradikalisierungsangebote für Extremisten. Die Teilnahme ist freiwillig. „Wenn ein Gefangener die nicht annimmt, können wir nichts machen.“
Falls A. vor einem Ende der juristischen Auseinandersetzungen freikommen sollte, ist es ihm untersagt zu reisen, dürfte er sich nur in Willich aufhalten, müsste sich jeden Tag bei den Behörden melden und dürfte keine Telefone oder andere elektronische Kommunikationsmittel benutzen, weil ansonsten die Gefahr bestehen könnte, dass er zu Anschlägen aufruft. Wie das genau kontrolliert werden soll, ist aber unklar.
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