Iserlohn. Der feucht-warme Sommer lässt das Unkraut sprießen. Die Straßenmeistereien kommen kaum hinterher. Der Griff zur Chemie ist tabu. In Iserlohn will man Unkraut mit heißem Wasser bekämpfen. Doch vor allem ist Handarbeit und Fantasie gefragt, um dem sprießenden Pflanzen Einhalt zu gebieten.
Löwenzahn, Rauke, Disteln und Gräser - Gärtnermeister Christian Gernert kommt kaum noch gegen seine Gegner an. Das feucht-warme Klima lässt nicht nur Hecken und Wiesen gut wachsen, sondern sorgt auch dafür, dass überall an den Straßenrändern das Unkraut wuchert. "Wo es wegen der Verkehrssicherheit wichtig ist, müssen wir halt mehrfach ran", sagt Gernert, der die Einsätze beim Stadtbetrieb Iserlohn/Hemer koordiniert. Bisher konnten seine Mitarbeiter in Ausnahme-Fällen auch zu sehr wirksamen Unkrautvernichtungsmitteln greifen. Doch das ist seit diesem Jahr tabu.
Trotz all der Mühen sieht es an vielen Stellen im sauerländischen Iserlohn weniger gepflegt aus, als in den Vorjahren. "Ich schätze mal, dass wir wegen des Klimas in diesem Jahr 30 Prozent mehr Aufwand haben", sagt Gernert. Seit mehr als 20 Jahren mache er den Job, "aber so habe ich das noch nie erlebt."
Wirkstoff Glyphosat ist nicht mehr erlaubt
Dieses Problem haben die meisten Städte in NRW: Es wächst mehr, und die Unkrautvernichtung mit dem Wirkstoff Glyphosat ist nicht mehr erlaubt. Ausnahmen hat die für die Genehmigungen zuständige Landwirtschaftskammer für den Einsatz im öffentlichen Raum, also außerhalb der Landwirtschaft, nicht mehr zugelassen.
Bis 2013 konnten die Kommunen Ausnahme-Genehmigungen für Allround-Herbizide bekommen, wenn es der Verkehrssicherheit diente. "Wir haben in diesem Jahr keine Genehmigungen erteilt", bestätigt der Leiter des Pflanzenschutz-Dienstes der Landwirtschaftkammer in Bonn, Bernd Böhmer.
Hintergrund ist ein Erlass des NRW-Umweltministeriums, der eine striktere Prüfung vorschreibt: Solange keine abschließende Einschätzung über das mögliche gesundheitliche Risikopotenzial von Glyphosat besteht, soll es aus Vorsorgegründen keine Genehmigungen für die Anwendung auf Nichtkulturland geben. "Damit ist NRW Vorreiter", heißt es aus dem Düsseldorfer Umweltministerium.
"Das ist ein politisches Signal"
Der Berliner Agrarexperte des Nabu, Florian Schöne, meint: "Das ist ein politisches Signal". In dem de-facto-Verbot sieht er "vor allem einen symbolischen Akt". Denn auf Verkehrsinseln und an Straßenrändern wurde bislang nur ein verschwindend geringer Teil des vor allem in der Landwirtschaft genutzten Wirkstoffs Glyphosat verwendet. Im Ackerbau oder in Christbaum-Kulturen hingegen wird das Mittel großflächig genutzt.
In Iserlohn denkt man nun über den Kauf eines Gerätes nach, das dem Unkraut mit 97 Grad heißem Wasser den Garaus macht. "Wir haben einen Test gefahren. Das Ergebnis sieht ganz gut aus", sagt Betriebsleiter Hartmut Sonderhüsken. Bisher habe man zumindest an Verkehrsinseln oder auf Kieswegen auf dem Friedhof spritzen dürfen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Nun sei vor allem Handarbeit und Fantasie gefragt. "Wir lassen einen Teil der Friedhofswege zuwachsen und gehen dann mit dem Mäher drüber", sagt Sonderhüsken. Und er gewinnt der neuen Lage auch Positives ab: "Bisher hat man das halt so gemacht. Nun müssen wir über Alternativen nachdenken."
Man kommt nicht um Handarbeit herum
Mit dem Unkraut-Problem hat bei weitem nicht nur Iserlohn zu kämpfen. "Das ist überall so", sagt Roland Schäfer, der Präsident des Städte- und Gemeindebundes und Bürgermeister von Bergkamen. "Den Bürgern fällt das auf. Die bewerten ihre Stadt oft danach, ob die Straßen sauber sind und ob irgendwo Disteln wuchern." Letztlich komme man nicht um Handarbeit herum. Doch Schäfer bemängelt, dass die Kommunen die Mehrkosten nicht schultern können. "Früher hatten wir Ein-Euro-Jobs oder ABM-Kräfte, die solche Arbeiten gemacht haben."
"Das ist alles weniger bequem, als mit der Spritze dran vorbeizufahren", sagt Nabu-Experte Schöne zu den Alternativ-Methoden. Im Zusammenhang mit der Glyphosat-Diskussion macht er aber auch einen Gesinnungswandel aus. "Man hat teilweise aus der Not eine Tugend gemacht und bunte Blumenwiesen eingesät." (dpa)