Paris . Paris ist extrem dicht bebaut, in der französischen Metropole findet sich vergleichsweise wenig Grün. Mit gemeinschaftlichen Gärten verschaffen sich die Städter einen natürlichen Lichtblick.
Anne-Maries Garten ist 200 Meter lang und 4 Meter breit. Sie teilt ihn sich mit fast 500 anderen Parisern. In Gemeinschaftsgärten wie diesem suchen Städter einen Kontrapunkt zur Hektik der Metropole. Etwa im Viertel Clignancourt, im Pariser Norden, unweit der Stadtautobahn. Rentnerin Anne-Marie ist so gut wie jeden Tag hier, zwischen Tomatenstöcken, Sonnenblumen und Lavendel.
Der "Jardins du Ruisseau", länglich wie ein Gartenschlauch, liegt an stillgelegten Bahngleisen in einer breiten Senke, die an einen Kanal ohne Wasser erinnert. Von den Liegestühlen im Garten eröffnet sich der Blick direkt auf Hauswände, die rechts und links in den Himmel ragen. Der Gemeinschaftsgarten war einer der ersten seiner Art in Paris. "Früher entsorgten die Bewohner des Viertels hier ihren Schrott", erzählt Gründer Denis Loubaton, "2003 starteten grüne Stadt-Vertreter eine Initiative und stellten in ganz Paris Flächen für Gärten zur Verfügung."
Mehr als 90 "Jardins partagés"
Seither ist viel passiert. In Paris entstanden mehr als 90 "Jardins partagés" (gemeinschaftliche Gärten), die sich kaum gleichen. Der kleinste Garten ist 45 Quadratmeter groß, der größte 1500 Quadratmeter. Die kleinen Paradiese finden sich auf ehemaligen Industrieflächen, in Innenhöfen oder auf Turnhallendächern. Oft nutzen Schulen, Kindergärten oder Behindertenwerkstätten die Gärten, um für den Umgang mit der Natur zu sensibilisieren. In den Beeten stecken Schiefertäfelchen, auf die in weißer Farbe die Namen der Gruppen gepinselt sind.
Wer jederzeit Zutritt zum Garten haben möchte und dort auch pflanzen und ernten will, muss Mitglied in einem Verein sein, der hinter jedem Garten-Projekt steht. 15 Euro pro Jahr kostet das im "Jardins du Ruisseau". Garten-Nachhilfe gibt es bei Bedarf im "Maison du Jardinage", einer Art grünem Fortbildungszentrum der Stadt.
Heile Welt herrscht im liebevoll gepflegten Garten inmitten des problematischen Nordstadt-Viertels nicht. "Wir hatten schon einigen Ärger mit Jugendlichen, die hier lieber Cannabis rauchen als Tomaten züchten", ereifert sich Rentnerin Anne-Marie. Auch die Früchte der Gartenarbeit sind nicht sicher: "Kürzlich wollte ich einer Zucchini vorm Ernten noch ein paar Tage Sonne gönnen. Am nächsten Tag war sie weg."
Man trifft sich im Gemeinschaftsgarten
Mit zwei Freundinnen aus dem Viertel sitzt die Pensionärin an einem der schmucken Gartentische. Weinbewachsene Torbögen unterteilen den Garten alle paar Meter in lauschige Abschnitte. Die Sonne scheint auf die Blumenmuster-Tischdecke, an der Anne-Marie seit fünf Jahren stickt. Fast doppelt so lang schon kommt sie regelmäßig in den Gemeinschaftsgarten. Am Wochenende und mittwochs steht das Tor auch Gästen offen. Dann beäugen die drei älteren Damen alle Eindringlinge mit Argwohn. Denn für sie ist der Garten ihr Territorium.
Am Ende dieser kleinen Welt gackern Hühner und schwirren Bienen um ihre Stöcke. Jährlich zwischen 30 und 100 Kilogramm Honig erntet der Verein. "Unsere Bienen sind die gesündesten in ganz Frankreich, denn in der Stadt gibt es keine landwirtschaftlichen Gifte", behauptet Anne-Marie.
Tatsächlich? Im Nachbar-Arrondissement, am Buttes Bergeyre, wird zwischen Gras, Blumen und Sträucher des dortigen Gemeinschaftsgartens der Abend erwartet. Unter einem der Bäume sitzen am großen Tisch die gärtnernden Nachbarn zusammen. Neben der Champagner-Flasche steht - das Schneckengift. (dpa)