Demitz-Thumitz. Autowerkstatt, Bildhaueratelier oder Museum – ungewöhnliche Ideen füllen verwaiste Kirchen mit neuem Leben. Sogar gut wohnen lässt sich in einem einst frommen Haus. Das beweist eine Familie aus Sachsen, die eine ehemalige katholische Kirche zum Wohnhaus umfunktioniert hat.

Wenn Roland Kleicke nicht gerade verreist ist, geht er täglich in die Kirche. Der 32-Jährige ist aber weder Pfarrer noch Kantor und auch keineswegs ein regelmäßiger Gottesdienstbesucher. Er hat sich in der früheren katholischen Kirche von Demitz-Thumitz im sächsischen Landkreis Bautzen häuslich eingerichtet. "Die Immobilie ist faszinierend", schwärmt der Textilingenieur, der die meiste Zeit mit seiner fünfjährigen Tochter allein darin wohnt.

Das 1955 geweihte Gotteshaus war einer der wenigen Kirchenneubauten in der DDR, ebenso wie die direkt daneben stehende evangelische Kirche. Bevor Bianca und Roland Kleicke ihr Haus 2011 vom Bistum Dresden-Meißen kauften, stand es lange Zeit leer. Das Paar stieß bei einer Immobilienbörse im Internet auf das besondere Angebot. "Wir haben etwas zwischen Dresden und Görlitz gesucht, wo man Platz hat", erzählt der Familienvater, der aus dem ostsächsischen Niesky stammt.

In der Küche: Das gesamte Gebäude wurde teilweise zum Wohnen umgebaut.
In der Küche: Das gesamte Gebäude wurde teilweise zum Wohnen umgebaut. © Thomas Eisenhuth

Denkmalschutz verbietet große Fenster

"Die Menschen in Demitz haben uns offen empfangen", sagt Kleicke. Das ungewöhnliche Vorhaben fand allerdings nicht nur Zustimmung. "Die meisten Leute, die im Glauben verwurzelt sind, haben Probleme damit." Etwa die Hälfte der Kirche bauten Kleickes zu ihrem neuen Heim um. Rund 180 Quadratmeter Wohnfläche einschließlich Gästezimmer sind entstanden, wie der Besitzer vorrechnet. Ein Teil vom Kirchenschiff wurde dazu abgetrennt und eine Decke eingezogen.

"Der Ruf, etwas verrückt zu sein, haftet sicher an uns", glaubt Kleicke. Der frühere Gemeinderaum ist nun Küche. Wo einst die Beichtstühle standen, wird inzwischen Geschirr gespült. Die Türen der Beichtstühle trennen jetzt den Flur vom Gästezimmer. Die geschwungene Holztreppe zur einstigen Chor- und Orgelempore führt ins Wohnzimmer. Der Turm darüber hätte sich zum Wohnen angeboten, doch der Denkmalschutz ließ den Einbau größerer Fenster nicht zu.

Die Familie räumt das Wohnzimmer auf, in dem früher die Orgel gestanden hatte.
Die Familie räumt das Wohnzimmer auf, in dem früher die Orgel gestanden hatte. © Thomas Eisenhuth

Kirchen werden zu Synagogen oder Moscheen

In den 27 Bistümern in Deutschland stehen rund 1,7 Prozent der etwa 24.500 katholischen Kirchen und Kapellen leer, wie Matthias Kopp, der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, sagt. 0,4 Prozent seien in den vergangenen zehn Jahren verkauft oder abgerissen worden. Im Bistum Dresden-Meißen wurde schon vor etwa 15 Jahren die Kapelle in Serbitz bei Altenburg (Thüringen) aufgegeben, die heute Autowerkstatt ist.

Nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verschwanden zwischen 1990 und 2011 bundesweit 82 Kirchen durch Abriss. Die meisten davon waren in den 1950er-Jahren erbaut worden. 214 Gotteshäuser fanden einen neuen Besitzer oder eine andere Nutzung, etwa als Bildhaueratelier, Veranstaltungszentrum oder Museum. In Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) verwandelte sich eine Kirche in eine Synagoge. In Hamburg-Horn sorgten in diesem Frühjahr Pläne für den Umbau einer Kirche in eine Moschee für Aufsehen.

So sieht nach dem Umbau das Bad aus.
So sieht nach dem Umbau das Bad aus. © Thomas Eisenhuth

Orgel wird wieder aufgebaut

Die Hälfte der rund 30 Kirchengebäude, die innerhalb der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz aufgegeben wurden, übernahmen andere christliche Konfessionen, etwa in Berlin koptische Christen oder serbisch-orthodoxe Christen. "Im Einzelfall gibt es viel Diskussion", sagt EKD-Sprecher Reinhard Mawick. Allerdings: "Die Zahl der Gemeindemitglieder hat deutlich abgenommen. Es gibt mehr Beerdigungen als Taufen."

Kleickes zogen Ende 2012 in die frühere Kirche von Demitz-Thumitz. Unmittelbar danach trennten sie sich zwar, kümmern sich jedoch weiter zusammen um das Haus und die gemeinsame Tochter. Das inzwischen verkleinerte Kirchenschiff will das Paar mit neuen Ideen füllen. Für Veranstaltungen soll der helle sakrale Raum künftig offen stehen, erstmals am 15. September. Musik, Führungen und Geschichten aus der Geschichte des Hauses dürfen Besucher dann erleben. Auch die Orgel, die bis zur Umwidmung in der Kirche erklang, soll in absehbarer Zeit wieder aufgebaut werden: auf der neuen Empore gegenüber dem Altarbild. (dpa)

Der ehemalige Kirchensaal soll in Zukunft als Konzertsaal genutzt werden.
Der ehemalige Kirchensaal soll in Zukunft als Konzertsaal genutzt werden. © Thomas Eisenhuth