München. Früher waren Sessel große, protzige Konstrukte, die den Menschen präsentierten. Heute sieht das aber genau anders aus: Eine neue Art Sessel soll äußere Geräuschkulissen ausblenden und bietet eine gewisse Privatsphäre. Diese, mit besonders hohen Wände versehenden Sessel, nennt man Privacy Chairs.

Der repräsentative Lounge-Sessel gehört zu den Klassikern der Einrichtung. Zu früheren Zeiten tranken in den schwergewichtigen Sitzboliden die Herren einen Cognac und rauchten eine dicke Zigarre. "Es gab lange Zeit diese Sessel, in die man sich reinsetzt und sich selbst präsentiert", beschreibt der Designer Matthias Demacker. "Man saß darin ein bisschen wie der König."

Die Zeiten ändern sich. Zigarre rauchende Herren haben ebenso wie der protzige Lounger viel von ihrer mondänen Anmutung verloren. Zuletzt ist eine neue Art von Sessel entstanden, die in Bezug auf die heutigen Gepflogenheiten zweckmäßiger erscheint. Diese Möbel sind höher gebaut und bieten mehr Platz. Der Sitzende verschwindet in diesem Sessel und schottet sich ab von störenden Einflüssen. "Der Trend geht dahin, dass man sich seine Nische sucht und in eine gemütliche Ecke zurückzieht", sagt Matthias Demacker. Im Fachjargon nennt man diese neue Art von Möbeln Privacy Chair.

Sessel für mehr Privatsphäre

Demacker hat mit dem "Basket" einen solchen Sessel für mehr Privatsphäre entworfen. Die Seiten und den Rücken des Möbels, erhältlich als Ein- oder Zweisitzer, hat der Münchner Designer ungewöhnlich hoch gezogen. "Wenn man sich in den Sessel reinsetzt, fühlt man sich wie in einem Strandkorb", sagt er.

Ursprünglich haben die Designer übergroße Sessel mit mehr Privatsphäre für Büroräume oder Hotellobbys entwickelt. Die neuen Sofas und Sessel sind allerdings auch für das private Wohnen eine interessante Einrichtungsalternative. "Man wünscht sich nicht nur im Büro, sondern auch zu Hause mehr Ruhezonen", sagt Meike Willutzky, die den belgischen Hersteller BuzziSpace in Deutschland vertritt.

Geräusche sollen ausgeblendet werden

Das Leben findet im offen geschnittenen Großstadtloft oder im Architektenneubau oft nur noch in einen einzigen Raum statt. In der Familie kann diese neue Offenheit ein Problem sein: Der Fernseher läuft unentwegt im Hintergrund, der Kleine scheppert mit den Bauklötzen. Der Privacy Chair bildet hier eine Art Raum im Raum. Er kann die lärmende Geräuschkulisse ein Stück weit ausblenden. Die Sessel schirmen auch aufgrund der verwendeten Materialien. So ist zum Beispiel der "Me" des Herstellers BuzziSpace mit einem besonders dichten Schaumstoff gepolstert, um den Schall zu absorbieren.

Designer-Sessel

Der Sessel
Der Sessel "Pod" des Designers Benjamin Hubert umschließt den Sitzenden wie eine schützende Schale. © De Vorm
Der Loungesessel
Der Loungesessel "Layer" der Designer Julia Läufer und Marcus Keichel hat ungewöhnlich hohe Wände. Läufer nennt ihn deshalb "einen Konzentrationsraum". © Läufer + Keichel
Hohe Wände gefallen: Der finnische Designer Mikko Laakkonen hat für seinen Entwurf des Sofas
Hohe Wände gefallen: Der finnische Designer Mikko Laakkonen hat für seinen Entwurf des Sofas "Aura" sogar den "Red Dot Award" erhalten. © Mikko Laakkonen
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Vergleichbare Modelle haben zahlreiche Hersteller im Programm. Der Sessel "Pod" des Designers Benjamin Hubert umschließt den Sitzenden wie eine schützende Schale. Mikko Laakkonen hat für seinen Entwurf des Zweisitzers "Aura" den renommierten "Red Dot Award" erhalten. Und den "Peekaboo" des Herstellers Bla Station kann der Nutzer sogar mit einer Haube ausstatten. Darunter verschwindet der Kopf komplett.

Etwas offener gestaltet ist der Loungesessel "Layer" des Berliner Designerpaars Julia Läufer und Marcus Keichel. Der Sessel verfügt zwar über ungewöhnlich hohe Wände. Läufer nennt ihn deshalb "einen Konzentrationsraum". Die Designer haben die Seiten und den Rücken aber nicht höher als den Kopf des Sitzenden gezogen. Dadurch hat der Benutzer eine gewisse Flexibilität. "Man kann selber entscheiden, ob man sich zeigt oder in den Sessel hinein versinkt." (dpa/tmn)