Herford. Aus Schrott werden edle Designerstücke: Immer mehr Designer suchen sich ihr Baumaterial im Müll zusammen. Das ist natürlich gut für die Umwelt. Den Käufern geht es aber vor allem darum, dass die neuen Stücke aus gebrauchtem Material originell sind.
Es ist alles Müll. Trotzdem, oder gerade deshalb sind die Möbel des Designers Oliver Schübbe aus Herford gefragt bei den Kunden. Denn sie stechen heraus aus dem Einerlei der Massenproduktion und erzählen ihre eigene Geschichte. Schübbe recycelt alte Materialien. Das schräge Regalsystem "Frank" aus Sperrholz, das sich beliebig kombinieren und aufstocken lässt, passt in jede Studentenbude, aber auch in Ladenlokale oder Hotels.
Kleine Gebrauchsspuren und Kratzer verleihen dem Möbel Authentizität. Das gilt auch für Schübbes "Pixelstars". Die Sessel, Sofas und Betten aus Holzresten haben eine Sitzfläche aus kleinen bunten Schaumstoffblöcken, die sich beliebig anordnen lassen. Diese Pixel sind auf Klettverschlüssen befestigt, so dass sich der Nutzer jeden Tag ein anders aussehendes Sofa gestalten kann. Selbstverständlich sind die Bezugsstoffe ausrangierte Textilien.
Geschäftsidee aus dem Zufall heraus
Oliver Schübbe ist der wohl bekannteste Recyclingdesigner in Deutschland und hat inzwischen viele Mitstreiter. Dazu gehört die Firma Bauholz design aus Münster. Sie verwendet gebrauchte Bohlen aus dem Gerüstbau für die Herstellung ihrer Möbel und Ladeneinrichtungen. Die Geschäftsidee wurde aus einem Zufall heraus geboren. Für eine Messe-Präsentation von hochwertigen Glasobjekten suchten die Münsteraner ein wirkungsvolles Möbelstück. Die Wahl fiel auf gebrauchte Gerüstbohlen, die sie zu Tischen verarbeiteten. Das kam so gut an, dass die Messebesucher nicht nur das Glas, sondern gleich auch die Tische kaufen wollten.
Seither fertigt das Unternehmen aus dem gebrauchten Bauholz edle Design-Möbel und komplette Ladeneinrichtungen. Die 15 bis 25 Jahre alten Gerüstbohlen haben ein langes Arbeitsleben hinter sich, ehe sie zu Sofas, Schreibtischen, Schränken oder Bänken und Stühlen verarbeitet werden. Und die individuellen Gebrauchsspuren der Bohlen bleiben bei der Verarbeitung bewusst erhalten. "Für unsere Kunden ist es wichtig, dass die Möbel vom Vorleben des Materials erzählen", sagt Geschäftsführer Bernd Schuster. Und sie hätten das gute Gefühl, dass für ihre Einrichtungsgegenstände kein Baum gefällt werden musste.
Gegenpunkt zur industriellen Massenanfertigung
Produkte, denen man ihre Vergangenheit ansieht, liegen im Trend. "Besonders in Krisenzeiten besinnen sich die Menschen auf authentische Dinge, die einen sozialen Bezug haben", erklärt Prof. Peter Wippermann vom Trendbüro in Hamburg. Sie setzen einen Gegenpunkt zur industriellen Massenfertigung. Das ist auch in der aktuellen Mode zu beobachten, die Retrotrends aufnimmt, Altes und Neues kombiniert. Und davon zeugt die wiederentdeckte Liebe zu Gestricktem und Gehäkeltem.
Das Recycling von gebrauchten Materialien trifft aber noch auf einen zweiten großen Trend, den Drang zum Selbermachen. "Vor allem junge Leute wollen die Sache selbst in die Hand nehmen, sich nicht nur auf die Industrie verlassen", erläutert Wippermann. "Sie lösen Dinge aus einem Kontext heraus, der nicht mehr funktioniert, und geben ihnen eine neue Aufgabe."
Weit weg vom Bastel-oder Schmuddel-Image
So sieht das auch Designer Oliver Schübbe: "Unsere Idee ist, aus Dingen etwas Nützliches zu machen, was sonst weggeworfen wird", sagt er. Die Deutschen entsorgen jedes Jahr 7,5 Millionen Tonnen Sperrmüll. Schübbe hält nichts davon, bei jedem Umzug oder sogar in jeder Saison neue Möbel zu kaufen. Doch wenn er das schon nicht verhindern kann, will er dem Müll wenigstens eine zweite Chance geben - indem er ihn aufwertet, etwas daraus macht, das gut aussieht und funktional ist. "Wir verkaufen den Leuten ihren Schrott zurück, allerdings veredelt", sagt Schübbe. Diese Art Möbelrecycling hat nichts mit Flohmarkt-Schnäppchen oder der Aufarbeitung von alten Stücken zu tun. Vom Schmuddel- oder Bastelimage ist es weit entfernt.
"Es geht darum, ausrangierten Materialien eine neue Funktion zu geben", sagt auch Udo Holtkamp, Vorstand des Arbeitskreises Recycling in Herford. In seinem gemeinnützigen Verein entstand die Idee zu den Recyclingstücken für den Wohnraum. Die Initiative hat einerseits ein großes Angebot an Second-Hand-Stücken. Hier werden auch alte Fahrräder und Möbel aufgearbeitet. Aber: "Von manchen Materialien bekamen wir so viel, dass wir nicht mehr wussten, wohin damit", sagt Holtkamp. "Auf unserem Hof lagerten Berge von Spanplatten, ausrangierte Schränke, Textilien, Fahrräder, Papier. Verbrennen und endgültig entsorgen wollten wir das nicht, es schien uns zu wertvoll."
Ressourcen-Schonung ist ein weiterer Aspekt
Daher wurde aus der Halde auch ein Lager und eine Wundertüte für Designer wie Oliver Schübbe. Er hat sich auf dem Vereinsgelände seine Werkstatt eingerichtet. Die Kreativen nutzen den Fundus an ungewöhnlichen Materialen für ihre Entwürfe. Dass das gleichzeitig Ressourcen schont, ist ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt. "Aber in erster Linie kommt es auf das Design an", sagt Holtkamp. "Die Leute kaufen die Dinge, weil sie sie schön und originell finden. Den ökologischen Vorteil nehmen sie gern zusätzlich."
Die Ankunft der ersten Kreativen im Recyclinghof hat auch die Angestellten dort inspiriert - einige von Holtkamps Kollegen, die bisher eigentlich nicht viel mit Kunst am Hut hatten, fanden selbst Spaß am Ausprobieren und kreierten eigene Werke wie einen Zaun aus Skibrettern oder ein Mobile aus Fahrradspeichen. Und auch immer mehr kreative Profis finden Spaß am Stöbern im Müll und am Recycling. Hunderte Designer beteiligen sich inzwischen alljährlich am Wettbewerb um den Recyclingdesignpreis des Arbeitskreises.