Oldenburg. Raumdüfte sind derzeit sehr gefragt. Nahezu in jedem Wohnbereich sind aktuell die Duftfläschchen mit Rattanstäbchen zu finden. Allerdings warnen Allergologen vor dem “Dauerduft“. Denn auch hier sind Allergien durchaus möglich.
Orangen-Potpourri und Schälchen mit Duftöl waren gestern. Heute sind in Einrichtungsgeschäften, Möbelhäusern und Drogeriemärkten Fläschchen, aus denen Rattanstäbchen herausragen, allgegenwärtig. Sie versprechen wohligen Duft für Bad oder Wohnzimmer - über Monate. Doch Allergologen warnen davor, die Luft zu Hause dauerhaft mit Duftstoffen anzureichern.
Die Einrichtungsexpertin Katharina Semling aus Oldenburg führt den Boom der neuen Fläschchen auf den allgemeinen Wellnesstrend zurück. "Ich glaube, dass es den Menschen wieder zu Bewusstsein gekommen ist, dass es den Sinn des Riechens gibt", sagt sie. "Wir begegnen der Natur in unserer Umgebung immer weniger häufig und holen uns Anregungen für die Sinne auf anderen Wegen zurück ins Haus." Vergleichbar sei das mit dem Kaminfeuer, das heute in den kalten Monaten auf vielen Fernsehschirmen lodert, um im Wohnzimmer Behaglichkeit zu verbreiten. "Wir brauchen die Natur." Im Alltag sei allerdings kaum noch Platz, sich darauf zu besinnen. "Deshalb müssen wir den Sinnen im Wohnbereich auf anderen Wegen etwas bieten."
Produktauswahl ist groß
Genau beziffern lässt sich der Aufschwung der Duftfläschchen nicht. Den Verbänden liegen keine Zahlen zum Absatz vor, weil Raumdüfte nicht als eigene Produktkategorie in den Statistiken ausgewiesen werden. Aber auch Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Bundesverbands für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur (GPK) in Köln, ist aufgefallen, dass "in Möbelhäusern zunehmend solche Düfte angeboten werden". Duftschalen oder -kerzen gebe es zwar schon sehr lange. Er liest am Boom der Fläschchen aber ab, dass es eine Nachfrage nach neu gestalteten Duftaccessoires für den Wohnraum gibt: "Gegenüber den Schälchen hat das ja doch einen ganz neuen Wert im Design."
Die Palette der angebotenen Nuancen ist groß. Die Marke ipuro aus Niedernberg (Bayern) zum Beispiel bringt in jeder Jahreszeit neue Düfte auf den Markt. In diesem Frühling sind es etwa "Spring Blossom" (Frühlingsblume) oder "Blue Ocean" (Blauer Ozean), wie das Unternehmen Gries Deco Company auf seiner Marken-Homepage erläutert. Der Anbieter von Wohnaccessoires SIA Home Fashion hat Düfte im Programm, die wie aus einer Parfümflasche gesprüht werden. Und unter dem Namen "Frosch Oase" bietet der Hersteller Erdal-Rex aus Mainz Duftfläschchen mit Holzstäbchen, die sich in zahlreichen Drogeriemärkten finden.
Mit Düften Stimmungen erzeugen
Mit Düften lassen sich zusätzlich zu Wanddesign und Möbelauswahl im Haus oder in der Wohnung eigene Akzente setzen und Stimmungen erzeugen. Klassisch empfiehlt Semling schwere und blumige Düfte für das Wohnzimmer - hier will man sich wohlfühlen. Für Bad und Küche rät sie zu frischen Aromen, denn dort sollen Gerüche überlagert und der Eindruck von Sauberkeit unterstrichen werden. Für das Schlafzimmer sollte es etwas Leichtes sein.
Waltraud Reischer und Miriam Dornemann empfehlen in ihrem Buch "Wohlfühlen mit Raumdüften" zum Abschalten und Entspannen Lavendelaromen, sanfte Vanille oder fruchtige Noten von Mandarine, Orange, Grapefruit, Bergamotte oder Ylang Ylang. Frische bringen den Autorinnen zufolge belebende Mischungen mit Zitrone, Limette oder Kräutern wie Rosmarin und Basilikum - sie vitalisieren und wecken neue Energie, heißt es. Blüten, Zimt, Vanille und Kardamom strahlten dagegen Sinnlichkeit aus.
Gerüche lösen persönliche Erinnerungen aus
Düfte werden allerdings so individuell wahrgenommen, dass jeder selbst entscheiden müsse, sagt Semling. Ein Duft könne bei jedem Menschen eine andere Stimmung erzeugen. Denn Gerüche lösten vor allem persönliche Erinnerungen aus. Sie rät außerdem dazu, eher sparsam mit den Produkten umzugehen. Das gelte auch, weil das Gehirn einen dauerhaften Duft mit der Zeit ausblende: "Irgendwann riecht es nur noch der Besuch."
Hautärzte und Allergologen warnen sogar davor, den privaten Wohnraum dauerhaft zu beduften. Wenn es nach ihnen ginge, würden die Duftstoffe auch aus der Gastronomie und aus Kaufhäusern verschwinden. Denn je mehr die Menschen Duftstoffen in der Luft ausgesetzt sind, desto höher sei die Gefahr von Allergien. "Düfte stehen bedauerlicherweise seit Jahren auf Platz zwei der Hitliste der Verursacher von Kontaktallergien", sagt Prof. Thomas Fuchs, Leiter der Abteilung Allergologie der Hautklinik der Universitätsmedizin Göttingen.
Beschwerden für Allergiker möglich
Nach Metallverbindungen wie Nickel - zu finden etwa in Modeschmuck - seien sie für die meisten allergischen Reaktionen verantwortlich. Über die Haut im Gesicht und an den Armen oder über die Schleimhäute würden die Duftstoffbestandteile aufgenommen. Das könne bei Allergikern zu Beschwerden führen und auch Kontaktallergien auslösen.
"Für viele Betroffene ist es schon die Hölle, wenn sie im Aufzug neben jemandem stehen, der stark mit Eau de Toilette beduftet ist", sagt Fuchs. Er hält es daher für wenig ratsam, in der eigenen Wohnung die Luft dauerhaft zu parfümieren. Laut dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen lösen schon kleine Mengen eines Duftstoffs bei Betroffenen Rötungen, Schwellungen oder sogar Bläschen aus. Auch der Verband rät daher zur Vorsicht bei Raumdüften.
Blumenstrauß bevorzugen
Natürliche und naturidentische Duftstoffe seien dabei nicht anders einzuschätzen als synthetische, fügt Fuchs hinzu. Zu Abwehrreaktionen des Körpers führe vor allem der dauerhafte Kontakt mit Duftstoffen, dem sich Betroffene nicht entziehen könnten. "Ich würde daher, wenn es ein Duft sein soll, den Strauß Blumen bevorzugen. Die verwelken nach einer Woche." (dpa)