Essen. . Ein Verlag wie Schmidt Spiele braucht keine Entwickler einzustellen. Die Ideen fliegen ihnen zu: In einer Woche bekommen Thorsten Gimmler und seine Kollegen 20 bis 30 Spielideen per Mail zugeschickt. Dabei veröffentlicht der Verlag nur zehn bis zwanzig Spiele für Erwachsene im Jahr.
Die Konkurrenz unter den Spieleautoren ist groß. Und für Thorsten Gimmler, Projektmanager für Familienspiele bei Schmidt Spiele, gleicht die Arbeit dem Suchen nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.
Vielen Ideengebern muss er jedoch direkt absagen, wenn es „ein Mensch-ärgere-Dich-nicht rückwärts ist oder Kniffel mit sechs Würfeln.“ Auch veröffentlicht der Verlag keine reinen Sport- oder Gewaltspiele. Andere Vorschläge überraschen, sie scheinen das gewisse Etwas zu haben, weil sie vielleicht bekannte Mechanismen so kombinieren, dass etwas Spannendes dabei herauskommt. Dann fordert der 47-Jährige bei den Autoren Prototypen an.
Und so landen jede Woche vier, fünf Schachteln mit selbst gebastelten Feldern und Figuren auf seinem Tisch. Die einen Autoren gestalten ihr Spiel am Computer, die anderen greifen zu Bunt- und Bleistiften. „Das kann auch auf Butterbrotpapier gemalt sein“, sagt Gimmler. „Wenn die Idee gut ist, wenn die reine Spielmechanik überzeugt, reicht das. Die Grafik machen wir schließlich später.“
Die Spiele beginnen: In Testrunden nach der Arbeit und am Wochenende probiert Gimmler die Prototypen aus. „Da sind wirklich viele gute dabei.“ Aber gefallen sie auch den Spielern so sehr, dass sie das Spielfeld immer wieder aufbauen wollen? Gimmler beobachtet sie, er schaut, ob die Partie wirklich funktioniert. „Eine gute Idee zu haben, ist das eine. Das Spiel muss aber auch Spaß machen. Und manchmal reagieren Spieler in der Realität ganz anders, als man es gedacht hat.“ Dann heißt es weiter testen, testen, testen.
„Wenn wir ein Spiel bekommen, gehen wir davon aus, dass es bereits vom Autor ausgetestet ist“, sagt Gimmler. Das heißt aber nicht, dass es später auch wirklich genau so veröffentlicht wird. „Da ist vielleicht noch eine Regel dabei, die unnötig ist. Oder der Startspieler ist stets im Vorteil. Es gibt eigentlich fast immer noch Änderungen an der Spielmechanik, an den Regeln, damit es am Ende noch mehr Spaß macht.“
An den Spielregeln ist schon mancher so verzweifelt
Die Regeln. Beim Schreiben der Anleitung ist schon so mancher verzweifelt. Einige Autoren vergessen, dass dort auch scheinbar Selbstverständliches drin stehen muss: Wer ist als Erster dran? Wird im Uhrzeigersinn gespielt? Eine Spielanleitung darf zudem nicht zu dick sein, sonst fangen die Leute erst gar nicht an zu spielen. Ausnahmen gibt es auch hier, wie etwa bei den so genannten Kennerspielen. „Russian Railroads“ (Hans im Glück) ist dieses Jahr mit dem Deutschen Spielepreis ausgezeichnet worden. Die Spielanleitung hat 24 Seiten.
Thorsten Gimmler weiß, wie knifflig das Schreiben solcher Regeln ist, damit sie auch jeder versteht. Bevor er den Job als Spiele-Lektor bekam, erfand der Ingenieur in seiner Freizeit selbst Spiele. 13 hat er veröffentlicht, darunter: „Geschenkt ist noch zu teuer.“
Für ein Familienspiel zahlt ein Kunde schon mal 20 bis 30 Euro, für ein Kennerspiel noch mehr. Bei dem Preis muss das Spiel so gut sein, dass man es immer wieder spielen möchte. Der Spieleautor bekommt in der Branche jedoch im Schnitt gerade mal drei bis sechs Prozent vom Händlerpreis. Die Erstauflage bei Schmidt Spiele in Berlin liegt bei 5000 Stück. „Im Schnitt werden 10 000 Exemplare verkauft“, so Gimmler. Reich wird man vom Spiele-Erfinden also nicht. „Davon kann man sich keinen Ferrari kaufen“, räumt der Lektor ein. „Das ist ein nettes Taschengeld, von dem man sich einen schönen Urlaub leisten kann.“
Die meisten Erfinder sind Männer
So bleibt für viele das Spiele-Erfinden ein schönes Hobby, dem die unterschiedlichsten Menschen nachgehen – „quer durch die Gesellschaft“. Ein sehr hoher Anteil von ihnen ist männlich. Über 90 Prozent, so Gimmler. „Vielleicht liegt es daran, dass sich im Segment der Vielspieler auch mehr Männer als Frauen tummeln“, vermutet er. Der Anteil der Erfinderinnen von reinen Kinderspielen sei jedenfalls größer.
Humor steht jedem Spiel: „Wenn ein Kind zum Beispiel der Mama ein Püppchen wegnimmt, empfindet es Schadenfreude“, sagt Gimmler. Und neben aller Strategie hilft auch – wie im wahren Leben – ein wenig Glück: „Dann können die Verlierer am Ende sagen: Ich hatte nur ein bisschen Pech.“