Duisburg. . Gold, Palladium oder Platin mit Tüchern aus Abwasser zu filtern: Das klingt nach einer modernen Version der Goldgräberstimmung. Aber mit Männern, die im Flussbett nach Gold schürfen, hat die Forschung des Chemikers Dr. Thomas Mayer-Gall an der Uni Duisburg-Essen wenig zu tun.
Einen gemeinsamen Nenner gibt es trotzdem. Das Verfahren, das der 37-Jährige entwickelte, ist beinahe so simpel, wie Gold mit einem Sieb aus dem Fluss zu waschen. Aber eben nur fast.
Die Oberfläche eines Polyestermaterials wird dabei chemisch mit Molekülen bestückt, die dazu in der Lage sind, bestimmte Metalle gezielt zu binden. So lassen sich Rohstoffe aus Produktionsprozessen ohne großen Aufwand zurückgewinnen und wiederverwenden.
Die Beschichtung aus einer Polymerlösung wird dabei mithilfe von zwei Walzen auf das Textil aufgetragen. Die Maschine, die dafür eingesetzt wird, ähnelt einer großen Wäschemangel. „Durch einen Trocknungsprozess, der bei 150 Grad stattfindet, wird dann eine chemische Bindung auf der Oberfläche von dem Polyester zu dem Polymer hergestellt“, erklärt Mayer-Gall. Das verleiht dem Gewebe seine verblüffenden Absorbtionseigenschaften.
Farben haften besser an Stoffen
„Das ist schon alles“, sagt Mayer-Gall, „aber die kreative Leistung war eigentlich auch, dass ich wusste, dass dieses Polymer wunderbar Metalle binden kann.“ Solche Polymerlösungen kommen bereits in der Textilindustrie beim Druck zum Einsatz. Auf diese Weise haften Farben besser an den Stoffen. Oder anders ausgedrückt: Sie binden die Farbe am Textilgewebe. „Was ich mich dabei gefragt habe, war, was passiert, wenn man das Gewebe in eine Metalllösung gibt“, so Thomas Mayer-Gall. Als er dabei entdeckte, dass die Idee eines beschichteten Polyestermaterials, das Metall bindet, funktioniert, begann er in größeren Dimensionen zu denken.
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Welches Material könnte effizienter sein, fragte er sich. Schnell kam er zu dem Schluss, dass sich Vlies eignen könnte. Es ist dünner und hat damit eine größere Oberfläche, die beschichtet werden kann. „Dass Vlies die besten Eigenschaften hat, das zeigten auch die späteren Tests im Labor“, so der Chemiker.
Die ersten Versuche verliefen dementsprechend erfolgreich: Aus 200 Litern Abwasser eines Herstellers von Trägern für elektronische Bauteile, so genannte Leiterplatten, konnte mit Hilfe des Gewebes so gut wie sämtliches Palladium gebunden werden: 80 Gramm.
Gute Leiteigenschaften und beständig gegen Korrosion
Palladium wird in diesem Industriebereich wegen seiner guten Leiteigenschaften und seiner Korrosionsbeständigkeit verwendet. „Um die Leiterbahnen zu legen, muss das Palladium runter geätzt werden“, so Mayer-Gall. Das Metall, das nicht gebraucht wird, wird auf diese Weise von der Leiterplatte entfernt. Die Ätzlösung ist das Abwasser, in dem sich das überschüssige Palladium sammelt. In großen Tanks lagert die Industrie es. Auch in der Schmuckbranche fallen solche Abwässer mit Edelmetallen an.
Um an die wertvollen Rohstoffe zu gelangen, die darin gelöst sind, gab es vorher allerdings keine andere Möglichkeit, als das Wasser langwierig zu verdampfen und das Palladium oder auch Gold sprichwörtlich aus dem Tank zu kratzen.
Große Plexiglas-Säule
Das Verfahren des Duisburger Forschers vereinfacht es, Metalle zurückzugewinnen. Anstatt das Abwasser zu verdampfen, leitet er es durch eine große Plexiglas-Säule, die er vorher mit dem Gewebe ausgefüllt hat. Nach dem Filterprozess wird das Textil in einem Verhüttungsprozess verbrannt. Übrig bleibt das reine Edelmetall.
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Dass diese neue Technologie so simpel ist, macht sie für die Industrie so überaus interessant. Da im Produktionsprozess weitaus mehr Abwässer anfallen, als Thomas Mayer-Gall durch die Versuchsanlage pumpt, lässt sich der wirtschaftliche Nutzen erahnen. Alleine die 80 Gramm Palladium, die im Labor gefiltert wurden, haben bei einem Preis von 21,62 Euro je Gramm einen Wert von 1729,60 Euro. Die Kosten für das Verfahren sind im Gegenzug minimal, da es sehr effizient ist. Ein Kilogramm des Gewebes schafft es bereits, 16 bis 20 Gramm Palladium zu absorbieren. Dadurch wird die Filter-Technologie auch für kleine und mittelständische Unternehmen lohnenswert. Und nicht zuletzt profitiert auch die Umwelt von weniger Metallen in Abwässern.
Das erfolgreiche Projekt hat auch schon für Aufsehen gesorgt. Thomas Mayer-Gall ist dafür mit dem Umsicht-Wissenschaftspreis 2014 in der Kategorie „Wissenschaft“ ausgezeichnet worden. Ein Kriterium für die Vergabe des Preises ist „der nachhaltige Nutzen der Arbeit für Umwelt und Gesellschaft.“. Er ist mit 10.000 Euro dotiert.
Sanierung von Altlasten
Geld, das Mayer-Gall gut gebrauchen kann. Denn seine Forschung ist noch nicht abgeschlossen: „Im nächsten Schritt geht es uns nun darum, den Bindungsmechanismus genau zu verstehen und das Prinzip dann auf andere umweltschädliche Verbindungen wie zum Beispiel Chromat und Arsenat oder auf industrierelevante Seltene Erden auszudehnen“. Chromat und Arsenat sind beides Stoffe, die als Altlasten in verseuchten Böden zu finden sind. Und Seltene Erden sind ein wesentlicher Bestandteil von Fernsehgeräten, Computern, Smartphones oder Tablets. Die Vorkommen sind stark begrenzt.
Und so könnte die Forschung von Mayer-Gall noch weitere Beiträge zum wirtschaftlichen und umweltschonenden Umgang mit Rohstoffen hervorbringen.