München. . Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben sich mit Forschungsarbeiten zum Zusammenhang zwischen Mondphasen und Schlafqualität beschäftigt. Sie konnten keine Zusammenhänge feststellen, zumindest keine, die sich verallgemeinern ließen. Was über den Schlaf jedes Einzelnen noch nichts aussagt.
Millionen von Deutschen leiden zumindest zeitweise unter schlechtem Schlaf, der ihnen auch tagsüber noch nachhängt, sie also spürbar beeinträchtigt. Viele Schlafgestörte wünschen sich nichts sehnlicher, als endlich ohne Probleme ein- und dann die Nacht durchschlafen zu können. Und die meisten von ihnen sind auf der Suche nach den Gründen für den ausbleibenden oder zu kurzen Schlummer.
Kein Wunder also, dass vermutlich seit jeher auch der Mond als Himmelslaterne dazu herhalten muss, unbefriedigenden Schlaf zu erklären. Was schon daran liegt, dass klare Vollmondnächte – oder genauer: Nächte mit viel Mondlicht, das zum Erdboden vordringt – den Schlaf jener Menschen beeinträchtigen können, die es gerne duster im Schlafzimmer haben, ohne dafür den Rollladen schließen zu wollen.
Ärger, Sorgen, Alkohol, Essen
Was immer Schlafforscher noch herausfinden oder an Gegenbeweisen zu vermeintlichen Beweisen vorlegen mögen: Wer glaubt, dass die Mondphasen seinen Schlaf beeinflussen, wird sich davon durch erhellende Erkenntnisse nicht sonderlich beeindrucken lassen.
Das gilt auch für die neueste Studie von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut (MPI) für Psychiatrie in München. Sie konnten keine klaren Hinweise darauf finden, dass die Mondphasen über die Schlafqualität von Menschen mitentscheiden – neben Ärger, Sorgen, Alkohol, einem übervollen Magen oder diversen Leiden, die einem den Schlaf rauben können. Für die Untersuchung werteten die MPI-Forscher um den Neurowissenschaftler Martin Dresler große, bereits vorhandene Datensätze über den Schlaf zahlreicher Testpersonen aus. Während ihrer Recherchen stießen sie auf Studien, welche ebenfalls keinen Mond-Einfluss feststellen konnten.
Doch davon hat nie ein Mensch erfahren. Denn nicht nur beim Thema „Schlaf und Mond“ werden bevorzugt Studien publik gemacht, die den vermuteten Zusammenhang bestätigen können, viel seltener aber solche, die ihn widerlegen oder widersprüchliche Ergebnisse liefern. Diese verzerrte Veröffentlichungspraxis ist in Fachkreisen als „Schubladenproblem“ bekannt, weil der weniger spannende Teil der Forschungsarbeiten sang- und klanglos in den Schreibtischen verschwindet.
Die MPI-Forscher sichteten die Forschungsliteratur. In manchen Studien schienen sich die Mondphasen besonders auf Frauen auszuwirken, in anderen besonders auf Männer. Zwei Analysen von Datensätzen mit jeweils 30 bis 50 (also recht wenigen) Teilnehmern aus den Jahren 2013 und 2014 zeigten übereinstimmend, dass die Schlafdauer in Vollmondnächten verkürzt ist; einer Studie der Universität Basel zufolge um etwa 20 Minuten.
Einmal sah es so aus, ein anderes mal anders
Für andere Messungen aus der Forschungsarbeit kamen die MPI-Forscher zu kontroversen Ergebnissen: Einmal sah es so aus, als verzögere der Vollmond das Eintreten des Traum- oder REM-Schlafs; ein andermal galt dies für Neumond-Nächte. Kein klares Bild also.
Um Zufallsbefunde zu vermeiden, wie sie in Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich sind, untersuchten die Wissenschaftler Schlafdaten von 1265 Probanden aus 2097 Nächten. „Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, sagt Martin Dresler. „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“ Im Rahmen dieser Untersuchungen fand sein Team weitere unveröffentlichte Analysen von über 20 000 Schlafnächten, welche ebenfalls keinen Mond-Einfluss belegen konnten.
„Dieses Ergebnis überrascht mich nicht“, sagt der Hamburger Neurobiologe Peter Spork. Es entspreche dem, was Schlafforscher immer gesagt hätten. „Denn wenn Menschen schlecht schlafen, und es war zufällig Vollmond, halten sie diesen für den Verursacher ihres Problems. Schien kein Vollmond, und sie hatten eine unruhige Nacht, wundern sie sich nicht darüber, dass gar kein Vollmond war.“
Spork zieht einen Vergleich mit einem anderen Phänomen: dem Gefühl, im Supermarkt immer in der langsamen Warteschlange zu stehen. Daran erinnert man sich, weil das Warten als nervig in Erinnerung bleibt. Dass man an vielen Tagen schnell vorankommt, vergisst man hingegen. Und das gelte eben auch für „ jene Nächte, die man trotz Vollmond durchgeschlafen hat“.
Der Vollmond bleibt im Gedächtnis
Auch Martin Dresler verweist auf selektive, also verzerrte Erinnerungen: „Jeder Mensch wacht mehrfach nachts auf, und jeder Mensch braucht manchmal etwas länger zum Einschlafen.“ Die meisten dieser Ereignisse vergäßen wir umgehend. Doch wenn man dann bei einem Aufwachereignis oder einem Einschlafproblem „aus dem Fenster schaut und zufällig Vollmond ist, bleibt das im Gedächtnis haften“.
Der angesehene Münchner Chronobiologe Till Roenneberg, der schon seit langem Schlafrhythmen untersucht, schließt zwar nicht aus, dass der Mond den Schlaf beeinflussen kann. „Solche Einflüsse auf Individuen gibt es sicher, aber wie diese neue Studie zeigt, sind diese nicht systematisch“, sagt Roenneberg. Dies heiße, dass sich Mondlicht bei verschiedenen Menschen auf den Schlaf „so individuell auswirkt, dass man als Forscher nichts mehr sieht, wenn man viele Menschen untersucht“. Das fördert stark voneinander abweichende Meinungen, die wohl noch in einigen Jahrzehnten durch Studien angestachelt werden dürften.