Essen. Wenig ist fürs Wohlbefinden wichtiger als erholsamer Schlaf. Zum Tag des Schlafs erklärt Wissenschaftler Jürgen Zulley, warum Durchschlafen dafür gar nicht wichtig ist, dass Schnarcher in jeder Lage schnarchen können und wieso zu viel Schlafen das Leben verkürzt - nicht nur gefühlt.
Wie viel Schlaf ist genug? Kann man auch zu viel schlafen? Wenig ist wichtiger fürs Wohlbefinden als erholsamer Schlaf – von dem viele nicht genug bekommen. Schlafforscher Jürgen Zulley räumt mit weit verbreiteten Irrtümern zum Thema Schlaf auf und erklärt, warum wegen eines Vollmondes niemand schlechter schlafen sollte und Durchschlafen völlig überbewertet wird. Zum Tag des Schlafs haben wir die wichtigsten Irrtümer zusammengetragen.
Manche Menschen träumen nicht.
„Irrtum“, sagt Jürgen Zulley, „alle Menschen träumen.“ Und zwar die typischen wilden, bizarren Geschichten, an die man sich manchmal erinnert, nicht nur einmal pro Nacht, sondern alle 90 Minuten. Der erste Traum ist etwa zehn Minuten lang, über die Nacht werden Träume länger. Am Morgen dauern sie etwa 30 Minuten, erklärt der Schlafforscher. Nur erinnern kann man sich oft nicht dran – und hat dann das Gefühl, nicht geträumt zu haben.
Mit Träumen verarbeitet man die Erlebnisse des Tages.
Alles Spekulation, sagt der Experte – „dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege: Warum wir diesen Traumschlaf haben und was Träume bedeuten, können wir wissenschaftlich nicht erklären.“
Nur wer durchschläft, schläft gut.
Ganz im Gegenteil, tröstet der Experte: Nachts aufwachen ist völlig normal, im Schnitt wird jeder Mensch 28 Mal wach. „Das ist die Botschaft für Schlafgestörte! ,Um Himmels Willen, jetzt geht das wieder los’, denken die häufig, wenn sie wachwerden, regen sich auf – und können nicht wieder einschlafen.“ Wer sich nicht aufregt und innerhalb von drei Minuten wieder einschläft, vergisst in der Regel, dass er oder sie wach war – und hat den Eindruck, durchgeschlafen zu haben.
Früher, erzählt Zulley, seien die Menschen einmal in der Nacht auch länger wach gewesen, ganz ohne sich drüber aufzuregen: „Meist so gegen 3 Uhr, da war es sogar üblich, sich anzuziehen und vor die Tür zu gehen.“
Wer mehr schläft, ist nicht unbedingt besser erholt
Acht Stunden Schlaf sind besonders gesund.
Falsch. „Viele Menschen denken, dass sich das Maß der Erholung über die Schlafdauer erklärt. Doch beim Schlaf gilt: Quantität ist nicht gleich Qualität“, erklärt der Psychologe. Wichtig für die Erholung ist vor allem der Tiefschlaf: „Ich kann schlafen, so lange ich will – wenn ich keinen Tiefschlaf habe, bin ich nicht erholt."
Deutsche schlafen im Durchschnitt sieben Stunden pro Nacht. Der Statistikmensch geht um 23.04 ins Bett, braucht 15 Minuten zum Einschlafen und steht um 6.18 Uhr auf. Damit sind die Deutschen im europäischen Vergleich Kurzschläfer, „in mediterranen Ländern schläft man länger“, weiß Zulley. Das sei kulturell bedingt – in Deutschland habe viel schlafen ein schlechtes Image.
Sieben Stunden sind der Durchschnitt, alles zwischen fünf und 9 Stunden könne normal sein, sagt Jürgen Zulley: „Man hat dann genügend Schlaf gehabt, wenn man am Tag überwiegend ausgeschlafen und fit ist – abgesehen vom Mittagstief, das ist normal.“
Wir schlafen immer weniger.
Eine weit verbreitete Annahme – die nicht stimme, sagt der Schlafforscher: „Man schläft nur immer schlechter.“ Das habe mit dem höheren Tempo des Lebens zu tun, der weiter steigenden Reizflut – im Arbeitsleben wie in der Freizeit. Tatsächlich hätten Arbeiter zu Zeiten der Industrialisierung weniger geschlafen: „Die kamen oft erst um 23 Uhr von der Schicht mussten um 4 Uhr wieder aufstehen.“
Schnarcher schnarchen in jeder Lage
Wer auf der Seite oder auf dem Bauch schläft, schnarcht nicht.
Stimmt nicht, aber man schnarcht weniger als in Rückenlage. Wenn jemand auf dem Rücken liegt und sich entspannt, rutschen Kiefer und Zunge nach hinten – das befördere das Schnarchen, erklärt Jürgen Zulley. Die Bauchlage kann der Experte dennoch nicht empfehlen, „weil dann die Atmung auf jeden Fall eingeschränkt ist.“ Schnarchen entsteht durch eine Einengung der Atemwege, und die lässt sich am besten in der „eingerollten Seitenlage rechts“ vermeiden – das ist die Position, die der Forscher zum Schlafen empfiehlt.
Der Schlaf vor Mitternacht ist der erholsamste.
„Das stimmt nur, wenn wir die biologische Mitternacht annehmen“, sagt der Psychologe, der seit Jahrzehnten im Bereich der Chronobiologie, also der inneren Uhr forscht: „0 Uhr ist dabei so was von bedeutungslos.“ Die innere Uhr hat zwischen 3 und 4 Uhr morgens Mitternacht: Dann wird die größte Menge Melatonin ausgeschüttet, eines der Hormone, die die innere Uhr regeln. Wer vor diesem Zeitpunkt rund vier Stunden geschlafen hat, tut sich selbst viel Gutes.
Fest steht auch, das Schlafen am Tag nie so erholsam ist wie in der Nacht: „Unser Organismus stellt um auf den Tag- und den Nachtmodus“, erklärt Zulley; gesteuert sei der Rhythmus vor allem durch das Tageslicht und durch Hormonausschüttungen.
Schlafwandler soll man nicht wecken.
Falsch. Es sei nicht einfach, aber manchmal sehr angebracht, Schlafwandler zu wecken, erklärt der Psychologe, „denn es gibt keine schlafwandlerische Sicherheit“. Menschen, die sich im Tiefschlaf aus dem Bett bewegten, könnten durchaus die Treppe herunter oder gar aus dem Fenster fallen. Schlafwandeln kommt besonders häufig bei Kinder vor.
Warum man auch bei Vollmond gut schlafen kann
Bei Vollmond schläft man schlecht.
Irrtum, sagt Jürgen Zulley: „Mondphasen haben überhaupt keinen Einfluss auf den Schlaf, das belegen viele, viele Studien.“
Man kann Schlaf nicht nachholen.
Doch, kann man – zumindest begrenzt. Tatsächlich funktioniere das automatisch, wenn man mal ein, zwei Nächte zu wenig geschlafen habe, weiß der Schlafforscher. Regelmäßig in der Woche zu wenig zu schlafen und zu versuchen, das dann am Wochenende aufzuholen, sei großer Stress für den Körper – auch wenn es sich möglicherweise erst nach Jahren niederschlage.
Während des Schlafens laufen verschiedene körperliche Prozesse ab, die ihre Zeit brauchen – die Verdauungsphasen, die Stärkung des Immunsystems, die Regeneration der Zellen und der Gedächtnisspeicher, etwa: Wenn man dauerhaft zu wenig schläft, kommen diese Prozesse durcheinander.
Frauen brauchen mehr Schlaf als Männer.
Ob sie mehr Schlaf brauchen, ist den Forschern nicht klar. „Frauen schlafen mehr“, weiß Zulley, „das ist belegt – warum, wissen wir nicht.“
Zu viel Schlaf verkürzt das Leben.
Das stimmt tatsächlich. „Warum, weiß man allerdings nicht“, sagt Jürgen Zulley. Und: Zu wenig Schlaf ist genauso schlecht. „Zu wenig Schlaf macht krank, dumm und dick“, bringt der Experte es plakativ auf den Punkt.
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Wie viel ist zu wenig? Das ist relativ schwer zu umreißen, weil die individuellen Bedürfnisse so unterschiedlich sind. Regelmäßig vier bis fünf Stunden Schlaf oder weniger hält Zulley für gefährlich. Und ergänzt: „Meine Empfehlung ist, gar nicht so sehr auf die Schlafdauer zu achten, sondern darauf, ob man am Tag fit ist.“ Wenn das nicht der Fall ist, hat man möglicherweise nicht mal zu kurz geschlafen, sondern nur zu wenig erholsamen Schlaf gehabt. Die längste Lebensdauer haben Menschen, die etwa sieben Stunden schlafen.
Wer eine heiße Milch mit Honig trinkt, kann besser einschlafen.
Auch das stimmt. „Ein warmes Getränk ist entspannend“, weiß Zulley. Außerdem enthalte Milch den beruhigenden Stoff Tryptophan – wenn auch in eigentlich zu kleiner Menge, um besonders zu wirken. „Aber da hilft auch der Glaube und das Ritual.“
Generell sei Entspannung der Königsweg in den Schlaf: „Man sollte gar nicht versuchen zu schlafen, sondern zu entspannen“, erklärt der Experte. Man könne sich zum Beispiel einen bestimmte Uhrzeit setzen, nach der nichts mehr besprochen oder durchdacht werden soll, was mit Arbeit und Problemen zu tun hat. Ein Schritt zu besserem Schlaf, denn: „Viele Menschen müssen ihre Schlafkultur erst wieder entwickeln.“