London. . Die Schauspielerin Angelina Jolie ist zurzeit im Kino in dem Disney-Märchenfilm „Maleficent - Die dunkle Fee“ zu sehen. Im Interview verrät sie, dass sie selbst dieser Figur noch eine gute Seite abgewinnen kann. Dabei hat sie alle Kinder - bis auf ihre Tochter Vivienne - verschreckt.

Zu behaupten, es sei in den letzten Jahren ruhig geworden um Angelina Jolie, wäre eine Übertreibung. Denn nicht nur mit ihrem Engagement für Menschen- und Frauenrechte oder ihrer viel beachteten Entscheidung, sich wegen eines erhöhten Krebsrisikos in ihrer Familie die Brüste entfernen zu lassen, sorgte sie für jede Menge Schlagzeilen.

Auch die seit Jahren anhaltenden Spekulationen um eine bevorstehende Hochzeit mit ihrem Lebensgefährten Brad Pitt beschäftigen die Presse dauerhaft. Doch die Titelrolle in der Märchenverfilmung „Maleficent – Die dunkle Fee“ ist nun trotzdem ihr erster Leinwandauftritt seit dreieinhalb Jahren. Wir trafen die 38-jährige aus diesem Anlass in London zum Interview, wo sie sehr ernsthaft, aber gut gelaunt versuchte, möglichst nicht nur über ihr Privatleben zu sprechen.

Ms Jolie, waren Sie als Kind ein großer Märchenfan?

Angelina Jolie: Gar nicht so sehr wie wahrscheinlich viele andere. Meine hauptsächlichen Berührungspunkte mit Märchen waren die Disney-Filme, und irgendwie konnte ich da mit diesen mädchenhaft-lieben Prinzessinnen nichts anfangen. Ich wünschte, es hätte damals schon junge Heldinnen wie in „Merida“ oder „Die Eiskönigin“ gegeben, für die sich heute meine Kinder begeistern.

Aber lesen Sie denen denn Märchen vor?

Jolie: Auch nicht wirklich. Mir sind die Happy Ends und die etwas simple Aufteilung in Gut und Böse irgendwie zu schlicht. Im Moment begeistern sich meine Kleinen stattdessen vor allem für eine Kinderbuchreihe namens „Tashi“. Normalerweise denke ich mir abends lieber eigene Geschichten für sie aus.

Sie spielen nun in der „Dornröschen“-Adaption „Maleficent“ jedenfalls die dunkle Fee. Tragen Sie auch selbst ein wenig von deren böser, wütender Seite in sich?

Jolie: Nicht so sehr das Böse. Aber ich kann auf jeden Fall wütend werden. Vor allem, wenn ich Ungerechtigkeit erlebe. Da kommt dann durchaus meine dunkle Seite zum Vorschein. Aber selbstverständlich würde ich niemals bewusst einen anderen Menschen verletzten, so wie sie es tut. Schon gar nicht ein Kind! Das Gemeine und Niederträchtige geht mir zum Glück ab. Als Schauspielerin hat mir aber gerade dieser Aspekt der Rolle auch sehr viel Spaß gemacht. Denn Maleficent kostet ihr Bösesein ja ziemlich aus.

Aber eine Rolle, mit der jenseits des Spaßes irgendein Erkenntnisgewinn einhergeht, ist das nicht, oder?

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Jolie: Doch! Interessanterweise habe ich etwas über mich als Frau gelernt. Das klingt seltsam, schließlich spiele ich eine böse Fee mit Hörnern auf dem Kopf. Aber in dieser Figur steckt viel mehr, geradezu eine Studie darüber, wie Lebenserfahrungen unsere Persönlichkeit verändern kann.

Maleficent kam nicht böse zur Welt, sondern mit starkem Gerechtigkeitssinn. Dann wird sie hintergangen und von anderen für ihre Zwecke missbraucht. Daraufhin zieht sie sich in die dunkelste Ecke ihrer Seele zurück. Sie ergibt sich Rachegefühlen und der Wut, solange bis der Punkt kommt, an dem sie erkennt, was aus ihr geworden ist. Zu sehen, wie sie mit ihrer Weiblichkeit, ihrer Mütterlichkeit und anderen Seiten ihrer Persönlichkeit ringt und sich mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen auseinandersetzen muss, fand ich ungemein spannend und real.

Einen kleinen Auftritt im Film hat Ihre Tochter Vivienne, sie spielt die junge Prinzessin. Wie kam es denn dazu?

Jolie: Wir hatten eigentlich nie ein Interesse daran, unsere Kinder vor der Kamera zu sehen und haben sie diesbezüglich nie ermuntert. Aber in diesem Fall ergab es sich sozusagen aus der Notwendigkeit heraus. Denn Vivienne hatte keine Angst vor mir, während alle anderen Kinder, die in Frage kamen, immer schreiend davon liefen, sobald sie mich in meinem Kostüm sahen. Aber ehrlich gesagt hoffe ich sehr, dass weder sie noch ihre Geschwister Ambitionen in Sachen Schauspielerei entwickeln.

Warum nicht?

Jolie: Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde, dass ein Leben als Künstler etwas ganz Wunderbares ist. Aber heutzutage gehört dazu leider so viel mehr als der eigene kreative Ausdruck, das Talent und die Arbeit. Das Berühmtsein und das Stehen in der Öffentlichkeit sind heute eine Sache für sich, in einem Ausmaß, das es so noch nicht gab, als ich in den Neunzigern als Schauspielerin anfing. Diese Seite der Branche würde ich meinen Kindern gerne ersparen. Meiner Ansicht nach ist es heutzutage in unserem Beruf sehr schwer geworden, echte Erfüllung zu finden.

Sie selbst widmen sich ja ohnehin anderen Dingen mehr als der Schauspielerei...

Jolie: Oh ja. Und tatsächlich sprechen mich auch die Menschen, denen ich begegne, heute mehr auf weltpolitische, Gesundheits- und Familienthemen an als auf Filme. Darüber bin ich sehr froh, denn das sind die wirklich wichtigen Dinge des Lebens und es erscheint mir sinnvoll, in erster Linie darüber zu reden.

Befriedigt Regiearbeit Ihre kreativen Bedürfnisse besser als die Schauspielerei?

Jolie: In gewisser Weise ja. Als Künstler will man ja immer Geschichten erzählen und über Themen sprechen, die einem am Herzen liegen. Und das auf möglichst gelungene Weise. Seit ich das Regieführen für mich entdeckt habe, habe ich nicht mehr das Gefühl, vor der Kamera stehen zu müssen, um das zu tun. So kann ich mich künstlerisch und emotional ausdrücken, ohne es letztlich selbst tun zu müssen. Es gibt so viele tolle Schauspieler, die für mich Geschichten zum Leben erwecken können.

Wann war der Punkt erreicht, an dem Sie hinter der Kamera stehen wollten?

Jolie: Das ergab sich zufällig. Als ich mich vor einigen Jahren mit dem Bosnienkrieg auseinandersetzte, schrieb ich eine Geschichte dazu. Erst nur für mich, zum besseren Verständnis des Konflikts. Irgendwann bekam die Sache Eigendynamik. Ich brachte es nicht übers Herz, das Drehbuch aus der Hand zu geben. Also habe ich „In The Land Of Blood And Honey“ selbst inszeniert. Und gemerkt, wie sehr mir die Intensität gefällt, mit der ein Regisseur sich mit der Geschichte auseinandersetzen muss.

Im Winter kommt Ihre zweite Regiearbeit „Unbroken“ heraus, die Geschichte des Leichtathleten Louis Zamperini, der als Soldat im Zweiten Weltkrieg nach einem Flugzeugabsturz 47 Tage auf hoher See überlebte und von den Japanern gefangen genommen wurde. Was reizte Sie daran?

Jolie: Seine Lebensgeschichte ist einfach unglaublich. Er ist ein durch und durch faszinierender Mann. Auch heute noch, mit seinen 97 Jahren! Seine Biografie hat enorm viele Menschen berührt und inspiriert, was ich mir auch von unserem Film erhoffe. Ich wünsche mir, dass „Unbroken“ Hoffnung vermittelt. Dass Menschen ihn sehen und sich denken: Egal wie schlecht es mir geht, ich werde wieder auf die Beine kommen. Genau darin sind er und sein Leben ein leuchtendes Beispiel.

Darüber hinaus haben Sie, wie man hört, auch ein Drehbuch für sich und Ihren Partner Brad Pitt geschrieben...

Jolie: Stimmt. Geschrieben habe ich das schon vor drei Jahren, und seither beschäftigen wir uns immer mal wieder mit dem Projekt. Noch ist da nichts wirklich spruchreif. Aber wenn wir es irgendwann tatsächlich einmal umsetzen, wird das eine kleine, unabhängige Produktion. Es soll eine Art kreatives Experiment werden, in dem wir uns als Künstler verwirklichen können und nicht als Stars auftreten müssen.