Witten. . An der Uni Witten/Herdecke hypnotisiert die Zahnärztin Carla Kozmacs ihre Patienten. Das hat nichts mit der „Zauberei“ zu tun, die im Fernsehen häufig gezeigt wird. Vielmehr hilft sie dabei, der eigenen Angst weniger Aufmerksamkeit zu schenken und eine Egal-Einstellung zu entwickeln.

Allein die Geräuschkulisse genügt, um so manchen in die Flucht zu schlagen: Dieses Surren, Kreischen und Knirschen der Instrumente. Und dazu noch das süßlich beißende Aroma von Desinfektionsmitteln. Ein Zahnarztbesuch ist etwas, das die meisten am liebsten auf morgen oder besser noch irgendwann verschieben. Den Mund aufmachen, jemanden darin herumstochern und ihn womöglich ein Löchlein oder Schlimmeres entdecken lassen; Spritzen, Zangen, Bohrer in diesem winzigen Raum zwischen unseren Kiefern – es gibt angenehmere Dinge.

Carla Kozmacs kennt diese schreckliche Angst vor dem Zahnarzt, die in vielen Menschen schlummert – sie begegnet der jungen Zahnärztin von der Universität Witten/Herdecke täglich: „Die Patienten haben geweitete Augen, sind ganz aufmerksam, nehmen jeden Geruch wahr und sind komplett auf ihre Angst fokussiert.“ Um diese Angst klein und unbedeutend zu machen, wenn nicht sogar ganz auszuschalten, setzt die Zahnärztin auf Hypnose. Ist das nicht auch irgendwie angsteinflößend? Keine Kontrolle mehr über sich zu haben? Ein Fingerschnipp, und weg?

Mit dieser landläufigen Vorstellung, die sich hauptsächlich aus Fernsehshows speist, habe die medizinische Hypnose nichts zu tun, sagt Carla Kozmacs: „Ich kann den Patienten nicht manipulieren oder dazu bringen, Dinge zu tun, die er nicht möchte.“ Es gehe vielmehr darum, die Aufmerksamkeit auf etwas Angenehmes zu richten, Kontakt zu den inneren Ressourcen herzustellen. Innere Ressourcen? Klingt ein bisschen nach Esoterik, oder? Weit gefehlt. Durch die Hypnose werde eine bestimmte Hirnwellenfrequenz aktiviert, auf der der bewusste Verstand zwar nicht ausgeschaltet sei, aber eine viel geringere Rolle spiele, erklärt Carla Kozmacs. „Einfach ausgedrückt: Man bekommt eine Egal-Einstellung.“ Dabei ersetze die Hypnose keinesfalls eine Anästhesie: Die Patienten sind wach, können Fragen beantworten und sich jederzeit von selbst bemerkbar machen. Lediglich die Wahrnehmung der Situation sei eine andere. „Manche berichten mir später, dass sie zwar alles mitbekommen hätten, sich aber so wohl in ihrer Ruhephase fühlten, dass es sie nervte, wenn sie etwas sagen sollten“, erzählt die Zahnärztin.

Die Fähigkeit zur Trance

Aber funktioniert Hypnose tatsächlich bei jedem Patienten? Muss man nicht bestimmte Fähigkeiten mitbringen, um diesen Zustand erreichen zu können? „Jeder Mensch kann das“, sagt Carla Kozmacs. Dem einen falle es eben leichter loszulassen, dem anderen schwerer. Grundsätzlich aber stecke die Fähigkeit zur Trance in jedem. „Natürlich gibt es auch Leute, die von vornherein sagen: ,Da glaube ich nicht dran’“, erzählt Kozmacs, „aber das ist in Ordnung – ich will keinen überzeugen“.

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Vor 20 bis 30 Jahren habe die Zahnmedizin noch anders ausgesehen, sagt Kozmacs, viele schleppten aus dieser Zeit schlechte Erfahrungen mit sich herum, seien nahezu traumatisiert. Diesen Patienten, aber auch denjenigen, die sich beim Zahnarzt einfach nur unwohl fühlen, könne sie dank Hypnose die Behandlung um einiges angenehmer gestalten. Bei Phobikern nimmt Carla Kozmacs sich vor der eigentlichen Untersuchung etwa 30 bis 45 Minuten Zeit für eine sogenannte „Leertrance“. Sie zeigt dem Patienten, wie er auf gute Erfahrungen zurückgreifen kann und hilft beim „Anker setzen“, um diese Ressourcen später schneller aktivieren zu können. Bei „normal ängstlichen“ Patienten lässt sie die Hypnosetechniken, wenn gewünscht, ganz nebenbei in die Behandlung einfließen.

Mit dem Bild von Hypnotiseuren, das Film und Fernsehen vermitteln, hat Carla Kozmacs’ Selbstverständnis wenig zu tun: „Meine Rolle ist nur die unterstützende“, erklärt sie. Doch wenn jemand wirklich Angst habe, sei er nur zu gern bereit, die helfende Hand der Hypnose zu ergreifen. Der Patient habe die Wahl: „Stehe ich das so durch oder flüchte ich dahin, wo es mir besser geht?“