Berlin. . Vor 40 Jahren haben sich Blondie im New Yorker Punk-Underground gegründet. Auch dank ihrer blonden Frontfrau Debbie Harry (68) landeten sie später mit „Call Me“, „Rapture“, „Heart Of Glass“ und „Maria“ diverse Pophits. Ihren Geburtstag feiern sie nun mit einem Jubiläums-Doppelalbum.
Das Blondie-Doppelalbum enthält sowohl Band-Klassiker als auch die neue Platte „Ghost Of Download“. Das nunmehr zehnte Studioalbum von Blondie überzeugt mit einer Mischung aus Pop, Rap, Karibikklängen und Gastvocals von Beth Ditto. Wir haben mit Debbie Harry in Berlin gesprochen.
Mrs. Harry, wussten Sie, dass Ihr Kopf 5,5 Millionen Pfund wert ist?
Harry: Ha! Sie spielen auf das Porträt an, das Andy Warhol von mir gemalt hat.
Genau! Es wurde 2011 bei Sotheby’s versteigert.
Ach, aber am Ende des Tages ist es nur ein Porträt. Die von Andy Warhol kosten nun mal ihren Preis. Ich vermute, es hat gar nicht so viel mit dem Motiv zu tun. Die Kunstwelt ist diesbezüglich einfach maßlos, da gibt es konstante Wertsteigerung!
Sie waren befreundet mit Andy Warhol.
Das stimmt. Er war die Muse von Blondie, und dann wurde ich zu seiner Muse. Einmal hat er mir sogar mein Bein signiert, davon gibt es auch ein Video. Er war wirklich der Strippenzieher für junge Künstler im New York der Siebziger. Er sog auf, was neu war, und unterstützte Bands, die ihm gefielen.
Waren die Typen in Ihrer Band auch besessen von Ihrem ikonischen Image?
Hm, ich glaube schon. Die Jungs haben sich immer mit mir identifizieren können. Sie waren stolz auf das, was ich da vorne machte. Ich habe auch immer versucht, sie zu repräsentieren. Blondie war keine One-Woman-Show, sondern eine Band! Verglichen mit dem, was heute Frauen auf der Bühne machen, war ich ja fast asexuell. Ich habe dort praktisch nichts anderes getan, als ich selbst zu sein.
Ist das Musikbusiness heute zu versext?
Sagen wir so: Das, was da passiert, ist Showbiz. Man kann da einen klaren Strich ziehen zwischen Showbiz-Sängern und richtigen Bands. Aus irgendeinem Grund wird beides trotzdem in eine Schublade gepackt. Dabei sind das zwei verschiedene Welten mit total unterschiedlicher Attitüde!
Sieht ganz schön anstrengend aus, was Miley Cyrus & Co. da machen, oder?
Nun, sie ist ein Showgirl! Solche Mädchen könnten genauso gut „Cabaret“ tanzen. Ihre Songs haben keine persönliche Botschaft, denn sie werden ihnen nur geliefert, um sie performen zu lassen.
Damals zu Zeiten des Punk-Clubs „CBGB“ waren wohl nicht so viele Frauen unterwegs, oder?
Es gab definitiv weniger Frauen in der New Yorker Punkszene. Da waren Künstlerinnen wie Cherry Vanilla und Annie Golden, aber die wurden nie so berühmt wie Patti Smith oder ich.
Es wird behauptet, es hätte eine Rivalität zwischen Ihnen und Patti Smith gegeben!
Blödsinn! Es war damals nur generell so, dass viel Konkurrenzkampf unter New Yorker Bands herrschte. Blondie haben Patti immer geliebt. Wir haben sie bei der Gedenkfeier für Lou Reed getroffen. Das war ein sehr bewegender Abend mit vielen alten Bekannten.
Werden Sie nostalgisch, wenn Sie durch New Yorks Straßen gehen?
Klar, manchmal kommen Erinnerungen hoch. Obwohl sich alles so verändert hat. Visuell ist das New York von heute schon sehr anders als damals. Aber manchmal hast du trotzdem deine Momente. New York City ist ziemlich klein, wenn man sein ganzes Leben dort verbracht hat. Teilweise ist es absurd, was mit den alten Clubs und Hallen passiert ist. Der legendäre Cat Club auf dem Broadway ist nun ein Lesesaal für Christliche Wissenschaft.
"Max's Kansas City" ist heute ein Feinkostladen
Auch das Restaurant „Max’s Kansas City“, in dem Sie vor dem Durchbruch gekellnert haben, gibt’s nicht mehr.
Nein, das ist heute ein Feinkostladen! Es ist kaum mehr vorstellbar, dass sich dort einst die Szene-Leute die Klinke in die Hand gaben. Ich habe dort acht Monate Cocktails serviert. Es war schick! David Bowie, Iggy Pop, Andy Warhol, Janis Joplin – alle waren da. Die meisten hatten keinen Appetit, weil sie Junkies waren.
Sie waren auch mal ein Playboy-Bunny!
Weil ich im „Playboy Club“ angestellt war, ja. Ich habe verschiedene Dinge ausprobiert. Ich musste ja meinen Lebensunterhalt finanzieren. Mir wurde gesagt, dass das ein heißer Job ist, also nahm ich ihn an.
Haben Sie Ihr Äußeres auch später für Ihre Karriere eingesetzt?
Nun, ich war dankbar, dass ich so aussah wie ich aussah. Der Grund für den späteren Erfolg lag zum guten Teil an meinem Aussehen – dessen war ich mir bewusst. Ich hatte das Glück, in Chris Stein einen Bruder im Geiste zu treffen. Ohne ihn hätte ich mich auf dem harten New Yorker Pflaster nicht durchgesetzt.
Mit Chris Stein, mit dem Sie viele Jahre privat liiert waren, pflegen Sie heute eine kreative Partnerschaft bei Blondie.
Wir sind alte Seelen. Wir ergänzen uns bestens. Bei Blondie sind wir sogar voneinander abhängig.
Gibt es noch einen anderen Mann in Ihrem Leben?
Viele! Momentan bin ich beim Dating. Mal schauen, was daraus wird. Beziehungen waren nie einfach in meinem Leben. Gefehlt hat mir allerdings nichts, ich war zu sehr mit meiner Karriere beschäftigt.
"Rock'n'Roll bedeutete ursprünglich Sex"
Gehen Sie eigentlich immer noch tanzen?
Absolut! Natürlich nicht ständig. Aber ich kenne mich aus, was die Clubszene New Yorks betrifft. Das Nacht-Geschäft ändert sich so schnell wie der Rest der Stadt.
Ich frage nur, weil man zur Platte „Ghost Of Download“ echt gut tanzen kann.
Haben Sie das ausprobiert? Es empfiehlt sich, sich dazu zu bewegen, ja. Rock’n’Roll bedeutete ursprünglich Sex. Es geht immer um Bewegung. Mir gefällt, dass sämtliche Popmusik heute Dancemusik ist.
Wollen Blondie damit auch jüngere Menschen ansprechen?
Ach, die waren auch immer schon bei unseren Konzerten. „One Way Or Another“ wurde bei „Glee“ gespielt und hat viele Junge erreicht. Und dass One Direction den Song gecovert haben, führt dazu, dass selbst Zehnjährige wissen, wer ich bin.