Essen. Die Schauspielerin Anna Loos startet nach dem Tod der Sängerin Tamara Danz als neue Frontfrau von Silly mit eigenen Liedern durch. Sie erklärt im Interview, wie politisches Engagement, ihre große Klappe und ihre Gefühle in die Texte eingeflossen sind.

Filmstars, die ihre Prominenz gezielt für Zweitkarrieren am Mikrofon nutzen, nerven oft mit seichtem Gesülze. Anna Loos geht einen anderen Weg. Sie hat sich mit der renommierten Band Silly zusammen getan.

Silly waren Stars der 1980er Jahre – in der DDR. Mit „Kopf an Kopf“ – so der Titel des zweiten gemeinsamen Albums nach dem Tod von Sängerin Tamara Danz – will die wiedergeborene Band Gesamtdeutschland erobern. Wir trafen Anna Loos in Berlin. Ein Gespräch über Authentizität und, Politsongs.

Frau Loos, als Kind finanzierten Sie sich von Ihrem Taschengeld Gesangsunterricht. Wer waren damals in der DDR Ihre musikalischen Vorbilder?

Anna Loos: Ich wollte eigentlich Opernsängerin werden, eine Mischung aus Maria Callas und Mario Lanza. Aber die klassische Musik habe ich irgendwann abgewählt, sie war mir zu künstlich. Da ich in Brandenburg geboren und aufgewachsen bin, hörte ich viel westliche Musik. Gleichzeitig war ich ein großer Fan von Tamara Danz. Silly war meine Band. Als ich mich vor sieben Jahren das erste Mal mit den Jungs traf, wollten sie mir Texte in die Hand drücken, damit wir ein bisschen probieren. Dabei konnte ich die Songs seit meiner Jugend auswendig!

Wie sehr haben Sie sich die alten Silly-Songs zu eigen gemacht?

Loos: Es sind eigentlich meine Silly-Lieder. Es macht für mich keinen Sinn, Tamara Danz nachzuahmen. Genauso wie ein Gitarrist seinen eigenen Stil finden muss, muss man als Sänger seine Art der Interpretation eines Songs finden. Ich glaube ans Gefühl, ich liebe es, Worte lebendig werden zu lassen. Meine persönliche Geschichte mit der Band beeinflusst mich ganz bestimmt, aber am Ende mache ich einfach, was ich denke.

Silly war eine der erfolgreichsten Bands der DDR. Funktionieren denn die alten Hits heute noch?

Loos: Sie sind immer noch relevant, sie berühren und die Themen sind heute oft heißer denn je, wir werden sie immer dabei haben. Ich liebe diese zeitlosen Lieder, wie „S.O.S.“. „Die Ferne“, „Bataillon d’Amour“. Für mich ist es die Schatzkiste von Silly. Viele Songs haben wir bisher noch gar nicht live aufgeführt.

Auf der Suche nach der Emotionalität in Silben

Die Mehrheit der Texte wurde diesmal von Ihnen geschrieben. Was hat Sie dazu ermutigt?

Loos: Für Silly zu texten ist nicht leicht, aber die Jungs haben mir viel Mut zugesprochen. Der Wunsch hat immer in mir gebrodelt. Ich hätte es gern schon bei „Alles Rot“ getan, aber da war ich noch nicht so weit. Ich liebe die deutsche Sprache und beschäftige mich seit Jahren damit, die Emotionalität in Silben zu finden und Worte mit Leben zu füllen. Ein guter Text muss das können. Als Sänger ist man dann wirklich authentisch, wenn man seine eigenen Gedanken umsetzt. Aber das musste bei mir eben erst wachsen. Bevor wir vor ein paar Jahren an unser erstes gemeinsames Album „Alles Rot“ gegangen sind, haben die Jungs mich erst einmal ein paar Jahre über die Bühnen dieses Landes geschleift.

Setzen Sie in Ihren Texten das Leben direkt um?

Loos: Ja. Wenn ein Text funktionieren soll, muss er jedoch für jeden nachfühlbar sein. Beim ersten Album wurde uns empfohlen, Podcasts zu machen, in denen wir über die einzelnen Lieder sprechen. Solch eine Gebrauchsanweisung wollten wir diesmal bewusst nicht machen. Die Hörer sollen selbst eine Beziehung zu den Liedern entwickeln, ihre Geschichte, ihr Leben und ihre Fantasie reflektieren lassen.

Das orientalisch anmutende „Vaterland“ sticht heraus. Wie kam der Song zu Ihnen?

Loos: Dieser Song hat seinen Ursprung auf Kreta, wo Uwe Hassbecker immer mit seiner Familie Urlaub macht. Leider hatte er beim letzten Mal seine Gitarre vergessen, weshalb er todunglücklich war. Aber er konnte dort einen griechischen Lautenbauer finden. Und der hat ihm dann eine Laute verkauft, so dass dieser Song mit ihm zusammen aus Griechenland zurückkam. Werner Karma hat dann auf diese herrliche Musik drei völlig verschiedene Texte geschrieben. Uns war sofort klar: Auf jeden Fall „Vaterland“! Dieser Text ist wie ein Finger in der Wunde.

Weltfrieden und Rüstungsindustrie

Es heißt darin: „Wir bringen für Geld den Tod in die Welt. Wie lieb ich so ein Land, mit Herz oder Verstand?“

Loos: Als der Text angeflogen kam, war ich gerade mit dem Film „Nacht über Berlin“ beschäftigt. Für meine Rolle musste ich mich mit der Zeit der Machtübernahme der Nazis auseinandersetzen und wie sich das deutsche Bürgertum dazu verhalten hat. Wer mit den Nazis kollaboriert und wer am Krieg verdient hat. Und heute? Was ist eigentlich los mit zum Beispiel der Rüstungsindustrie?

Wollen Sie mit diesem Song eine Debatte über deutsche Rüstungsexporte anstoßen?

Loos: Auf Rüstungsmessen ist die Präsenz der deutschen Rüstungsindustrie groß. Ich finde, dieses Thema muss man ansprechen. Einerseits steht Deutschland angeblich immer für den Weltfrieden und eine weltoffene Politik ein, andererseits weiß die Bundesregierung natürlich, an welche Länder deutsche Firmen Waffen verkaufen und winkt das alles durch.

Gibt es auf der Welt zu viele Liebeslieder?

Loos: Ich finde, ein Song wie „Vaterland“ kann erst dann wirken, wenn man auf einem Album zum Beispiel auch sein persönliches Liebeslied entdecken kann. Würden wir eine Platte ausschließlich mit politischen Songs machen, die alle so wie „Vaterland“ den Finger in die Wunde legen, würden wir die Hörer damit erschlagen. Dieses Album ist aus uns gewachsen, es sind unsere Gedanken, unsere Köpfe und unsere Herzen. Das ist manchmal eben politisch, da wir politische Menschen sind. Aber ebenso haben wir Kinder, Familien, Freunde. Liebe, Tod und das Leben sind das, was uns in unseren Köpfen und Herzen ebenso beschäftigt, und daher finden alle diese Themen auf dem Album auch statt.

Wer sich öffentlich politisch äußert, muss mit Gegenwind rechnen. Können Sie auch davon ein Lied singen?

Loos: Wir haben schon Situationen erlebt, wo wir dachten, hoffentlich kommen wir wieder heil zu unserem Auto zurück. Solche Lieder stoßen Sachen an, bei denen man gar nicht mehr weiß, wo die herkommen. Da mache ich dann auch schon mal eine Ansage im Konzert dazu und nachher ich denke: „Ups…“. Aber damit müssen wir leben.

  • Silly: Kopf an Kopf (Universal). Live: 12.5. Köln, 15.5. 2013 Dortmund