Die Wetterumschwünge der Seele spiegelt wohl keine Kunstform so wieder wie die Kurzgeschichte. Wir stellen Bücher vor mit kleinen Liebes- und Lebensgeschichten, die gerade so lang sind wie eine Tasse Kaffee auf der Terrasse oder eine Pause im Park - für neugierige Globetrotter, ruppige Schlussmacher und viele mehr.
Für neugierige Globetrotter
Ein Hotel an der belgischen Küste, ein Friseursalon in Paris, ein Landhaus in Südfrankreich: Wenn die Kölnerin Husch Josten im Erzählband „Fragen Sie nach Fritz“ (Berlin University Press, 116 S., 19,90 €) von den Spielarten der Liebe erzählt, dann durchmisst sie nicht nur Hoffnungen und Enttäuschungen, sondern die ganze Welt. Stets sind die ganz großen Gefühle ihren Figuren auf den Fersen, mögen sie auch die Liebe als „starke Zuneigung, opferbereite Gefühlsbindung“ auf einen klugen Lexikoneintrag reduzieren. Doch gerade jene, die sich so heftig gegen alles Irrationale wehren, werden bei Husch Josten umso stärker von den blauen Bändern, den süßen, ahnungsvollen Düften betört. Recht so!
Für unverbesserliche Romantiker
Erstens ist er Brite und zweitens schon ein bisschen älter, Jahrgang 1946. Ein zurückhaltender Herr, dieser Julian Barnes, sollte man also meinen: einer, der es besser wissen müsste. Wer aber mit Julian Barnes vertraut ist, ahnt, dass er mit allen Wassern gewaschen ist – und, schräges Bild, mit trockenem Humor gesegnet. Tatsächlich erzählen viele der Stories in „Unbefugtes Betreten“ (Kiepenheuer & Witsch, 304 S., 19,99 €; E-Book 17,99 €) abgeklärt von gut situierten Paaren: die im Frühling, wo nicht nur die Tierwelt rollig wird, stumpf ins Gartencenter fahren und Freunde zum Grillen laden – und keine Gelegenheit zur Stichelei auslassen. Dazwischen aber mogeln sich sinnenfrohe Episoden nach dem Motto: Des einen Schweiß ist des anderen Blütenduft . . . Das erste Date, bei dem jeder Satz mit Bedeutung aufgeladen ist, fasst Barnes ebenso in schöne Worte wie übermütige Champagnerlaunen mit alten Bekannten, die uns doch noch überraschen können. So, wie uns dieser Brite erstaunt. Immer wieder. Chapeau!
Für ruppige Schlussmacher
„Ich will nicht von Liebe sprechen. Das Wort klingt nach Kaffeesatz, alten Lumpen und Zuckerwatte.“ So ruppig geht es zu in Markus Orths Geschichten, die jener Satz verbindet, der auch den Titel stellt: „Irgendwann ist Schluss“ (Schöffling, 248 S., 19,95 €; E-Book 15,99 €). Der Witz daran: für jeden, der diese Worte ausspricht – beginnt gerade damit etwas Neues.
Für erotisch Unerschrockene
„Geschichten vom Anfassen“ lautet der Untertitel. Noch bevor Julia Franck den Deutschen Buchpreis erhielt, hat die Autorin ein kleines, feines Büchlein mit erotischen Kurzgeschichten veröffentlicht, das für Aufsehen sorgte: „Bauchlandung“ (neu als Taschenbuch: S. Fischer, 96 S., 7,99 €; E-Book 7,99 €) erzählt von Betrug, von heimlichen Blicken in fremde Schlafzimmer. Oder von Fantasien im Freibad: Dass schon der Geruch von frisch gemähtem Gras und einem Hauch Sonnenmilch auf braunem Männerarm gleich eine ganze Love-Story im Kopf abspult, bis hin zur Zigarette danach – mal ehrlich, ist das nicht auch typisch Frühling?
Ähnlich, aber noch radikaler durchleuchtet die Schottin A.L. Kennedy die Leidenschaften und Begehrlichkeiten des Körpers. Warum lässt eine Frau alles stehen, wenn dieser eine Anruf kommt, und hastet – sofort! – zum nächsten Taxistand? „Hat nichts zu tun mit Liebe“ (Wagenbach, 144 S., 9,90 €) lautet der Titel des Büchleins – eine Behauptung, die zumindest in manchen der Geschichten widerlegt wird.
Für eilige Smartphoniker
Sie haben wirklich nicht die Zeit, ein Buch zu kaufen? Aber Sie besitzen ein Telefon, gar ein smartes? Die Snippy-App (bisher nur fürs iPhone, bald für Android) ist eine Fundgrube: von Stories neuer deutscher Literaten bis hin zu Rainer Maria Rilke. Man kann sie sich sogar vorlesen lassen! Und wenn Sie Ihre/n Nachbarn/in im Café, auf der Parkbank mithören lassen – wer weiß, vielleicht ergibt sich sogar ein Flirt, der mehr ist als pure Fiktion?