Oberhausen. . Das Legoland in Oberhausen suchte einen Chefbaumeister. Der Banker Dennis Beetz aus Gelsenkirchen hat sich nun Stein für Stein eine neue Existenz erspielt. Ein Besuch bei einem Bewerbungsverfahren der etwas anderen Art.
Die Steine sind gefallen, und um ihre Fallhöhe bildlich zu machen: Beetz, der Banker, ist jetzt Baumeister. Sie nennen ihn den „Herrn der Steine“, dabei hockt er da auf dem Hosenboden, lacht und weint, vergräbt die Hände in all dem bunten Plastik und strampelt mit den Beinen; hier hat das berühmte Kind im Manne Ausgang. Der kleine Dennis aus Gelsenkirchen allerdings lässt sich so schnell nicht mehr abholen aus dem Kinderparadies: Ab März spielt er beruflich – Lego.
Womöglich ist es wahr, was der Moderator sagt, irgendwann an diesem Wochenende in der viel zu warmen Luft des Einkaufszentrums: dass dies das „außergewöhnlichste Bewerbungsgespräch der Welt“ ist. Schon weil die 41 Männer und Frauen wenig sprechen, die hier angetreten sind. Die meisten bauen schweigend an ihrer Karriere.
„Legoland Discovery Centre Master Model Builder“ heißt der Job mit vollem Namen, den sie haben wollen. Hat nichts mit Models zu tun, auch nicht mit Bodybuilding, der Sinn kann da durchaus verschluckt werden vom englischen Wortungetüm. Der Sinn also ist: Die Leute hier spielen um ihr Leben, sie verspielen keine Existenz, sie erspielen sie. Der Gewinner wird Chefbaumeister im Legoland, das im März in Oberhausen eröffnet.
Auf „Los“ tauchen sie ab in acht Spielzeugkisten, vier erwachsene Männer mit pinkfarbenen Plastikschüsseln in dieselbe, für eine Weile ist nur noch dieses Geräusch zu hören, das jeder aus dem Kinderzimmer kennt: das helle Rasseln prasselnder Steine.
„Meeresbewohner“ sollen sie erfinden in der ersten Auswahlrunde, eine halbe Stunde haben sie Zeit. Schütten Lego-Berge auf weißes Tischtuch, sortieren nach Farben und Formen, Finger sieht man deutlich zittern. Hektisch steckt Stefan aus dem Sauerland den Kopf in den bunten Haufen, „man sucht sich manchmal nach einem kleinen Teil kaputt“.
Zwei Kinder reichen dem Vater Material an, „Papa baut einen Hammerhai“, nur, Hilfe! Er weiß nicht, wie der aussieht. Am Ende dreht ein Fisch der Jury den Rücken zu, darauf einen Handwerkshammer am Stiel. „Stabil müssen die Modelle schon sein“, erwähnt der Moderator am Mikrofon, als neben ihm das Werkstück von Christian aus Essen lautlos seinen Schwanz verliert. Inan aus Velbert baut, was jeder noch so gerade hinkriegt, einen Turm. „Ich habe eine Ahnung, was es wird“, versichert er, „will es aber noch nicht sagen.“ Das Publikum hinter dem Absperrband wird den Verdacht nicht los: Er kann es nicht.
Der Jury-Präsident ist neun Jahre alt
Nach 18 Minuten verkündet ein Kandidat, er habe einen Plan: „Ich baue etwas Monströses.“ Aber Raphael steht davor mit seiner Liste und notiert leise Zweifel. Der Neunjährige ist der Jury-Präsident, in dieser Eigenschaft Boss vom Legoland-Chef, vom Baumeister aus Berlin, vom Eventmanager des Centro. Er rümpft ein wenig die Nase und spricht freundlich ein vernichtendes Urteil: „Von der Qualität her – ich könnte das auch.“
Aus Bochum kommt schließlich eine Schildkröte auf den Tisch, aus Bottrop ein Seestern, aus Duisburg ein Ungeheuer, aus Voerde ein Stachelrochen, aus Dortmund angeblich ein „Allesfresser“ und aus Oberhausen „Paul“.
Das war der Krake mit überörtlicher Berühmtheit, der zu Fußball-Meisterschaften den späteren Sieger erfraß: Die steinerne Gestalt trägt verschiedene Fahnen in ihren vielen Armen. Aus einem Wal wird ab der 9. Spielminute lieber ein Delfin, Sven arbeitet an einer Qualle („das sieht man doch!“), es gibt Clownfische, atmende Orcas und Flipper, der Sandy im Rettungsboot abschleppt. Ein Architekt setzt mit seiner „versunkenen Stadt“ seinen Ruf aufs Spiel.
Kunstglaserin, Architekt, Designer – alle wollen Baumeister werden
Ein Architekt. Es gibt auch eine Menge Designer hier, Margitta ist gelernte Kunstglaserin, Sylvia Bauingenieurin mit gutem Job an der Uni, Gerd aus Duisburg ist Optiker, da sind Formenbauer, Bankberater, der Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens. Ihnen allen gefällt die Idee, „fürs Spielen bezahlt zu werden“, wenn auch niemand hier sagen will, wie hoch. Sie haben ihre alten Steine wieder aus dem Keller geholt, sich das Lego eimerweise zusammengeliehen zum Üben, sie reden über „räumliches Vorstellungsvermögen“ oder haben es. Über allen schwebt Philipp aus Borken, Modellbauer im Verein und „weltbester Onkel“, der Tischler gelernt und daheim 500 Kilogramm Lego hat (die er täglich benutzt, „zum Leidwesen meiner Freundin“). Er legt im Wettbewerb erst einen Hummer hin, der ein Hammer ist, und später Neuschwanstein in klein.
Es ist das Finale. Frank baut ein Chamäleon, was man zunächst nicht unbedingt sieht, aber das ist dem Tier ja eigen. Sebastian kopiert das Oberhausener Rathaus, Christian aus Duisburg einen Förderturm, der nicht bei allen Kindern ankommt: „Was soll das sein?“ Jan, Lokalmatador, stellt einen Angler an den Kanal, scheitert aber an den Würmern. Sie versuchen sich an Ruhrgebietsthemen, das Revier soll im neuen Legoland schließlich nachgebaut werden, das sollten sie können, vielleicht. Wichtiger aber ist, sagt die Jury, dass die Kandidaten mit Kindern können, „sie dürfen keine Angst haben“: Außer zu bauen sollen sie später Workshops halten, mit den kleinen Besuchern arbeiten.
Ein Pokal aus Lego und einen Arbeitsvertrag aus Papier
Und so kommt es, dass am Ende einer an allen vorbeizieht, der gar „nicht der beste Baumeister“ ist, wie es aus Expertenkreisen murmelt. Dennis aus Gelsenkirchen, der Bankberater, hat nichts Dreidimensionales zusammengesteckt, keinen „snot“ benutzt, was nichts mit Schnodder zu tun hat, sondern besonderes Gestein meint. Er bewirbt sich mit Spongebob und Mickey Mouse, was nicht jeder gleich erkennt. Aber er kann ja noch üben. Viel besser hat er „Show gemacht“, vor allem mit den Kindern. Dafür gibt es am Ende die Herrschaft über vier Millionen Steine im „Discovery Centre“, einen Pokal aus Lego und einen Arbeitsvertrag aus Papier.
„Ich bin ja selbst noch ein Kind“, sagt Dennis, 27, und jetzt, wo er bei der Bank bestimmt gekündigt hat, kann man ja sagen, was seine Freundin unter Freudentränen verrät: „Er war so unglücklich in seinem Job.“ Dabei könne man mit Dennis „jeden Mist machen“. Zum Beispiel Legobauen. Jeden lieben langen Arbeitstag.