Essen. Wie wollen wir in Zukunft leben und wie werden wir in Zukunft leben? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Zukunftsforscher Robert Gaßner. Im Interview spricht er über neue Mobilitätskonzepte und vernetzte Städte. Und er verrät, warum wir pessimistischer sein müssen als unsere Vorfahren.
In welcher Welt werden wir leben? Besser: In welcher Welt wollen wir leben? Wir fragten einen Zukunftsprofi: Robert Gaßner forscht am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) der Freien Uni Berlin.
Was machen Sie an Ihrem Institut?
Robert Gaßner: Wir erstellen Zukunftsstudien. Wir fragen: Wie sollen Forschung und Technik das Leben verändern? Wir versuchen, eine wünschbare Zukunft zu finden.
Das ist einfach. Jeder will bequem, gesund und lange leben.
Gaßner: Darum geht es nicht. Wir erstellen zum Beispiel Szenarios für die Mobilität von Morgen. Wir untersuchen Themen wie Gesundheit, alternde Gesellschaft, Bildung, Biotechnologie, Robotik, Medizin. Wir kennen die Zukunft nicht, machen auch keine Prognosen, sondern zeichnen Szenarien auf wissenschaftlicher Basis.
Gibt es die eine große Vision?
Gaßner: Ein Generalthema? Es kann nur um Nachhaltigkeit gehen. Umwelt, Gerechtigkeit, auch die soziale und die zwischen den Geschlechtern – alle Zukunftswünsche müssen sich hier einordnen.
Lebenswerte Innenstädte
Woran arbeiten Sie konkret?
Gaßner: In einer alternden Gesellschaft steigt nicht nur das Sicherheitsbedürfnis. An die Demografie knüpfen sich viele Themen: Betreuung, Lebensorganisation, leichte Bedienbarkeit, generationenübergreifendes Wohnen – übrigens nicht unbedingt in der eigenen Familie.
Wie werden unsere Städte in Zukunft aussehen?
Gaßner: Lebenswerte Innenstädte sind wichtig. Ältere Menschen wollen nicht aufs Land abgeschoben werden, dafür muss sich die Lebensqualität der Städte ändern. Man soll in der City mit offenem Fenster schlafen können, der Autoverkehr muss raus. Die Bewohner wollen überall hinkommen. Das erfordert neue Mobilitätskonzepte.
Die Mobilität der Zukunft – wie und womit werden wir fahren?
Gaßner: Rucksackhubschrauber und die Ein-Personen-Rohrpost wird Science Fiction bleiben. Die Lösung liegt in den Dingen, die wir schon haben: Bus, Bahn, Auto, Rad, Flugzeug – wir müssen es intelligenter vernetzen. Das Auto hat nicht mehr die Bedeutung wie früher. Nicht das Auto bedeutet Freiheit, sondern Mobilität. Das muss simpel, preiswert und überall nutzbar sein.
Technik löst unsere Probleme nicht
Hilft uns technischer Fortschritt eigentlich weiter?
Gaßner: Technik löst unsere Probleme nicht. Die Utopie heute dreht sich um Themen wie die grüne Stadt, in der ich mobil und entspannt leben kann. Wenig Verkehr, wenig Lärm, viele Grünflächen, Fischzucht und Gemüseanbau in Hochhaustreibhäusern. Das ist denkbar. Großstädte werden sich in Zukunft stärker selbst versorgen müssen. Das sind alles Schritte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.
Sehen Sie optimistisch oder eher pessimistisch in die Zukunft?
Gaßner: Wir müssen heute pessimistischer sein als vor 50, 60 Jahren. Die Frage der Ressourcen wird drängender, das Wachstum geht nicht endlos weiter, dem müssen wir uns stellen. Ob man dies als Chance oder Katastrophe ansieht, ist letztlich eine Frage der Einstellung.