Essen. . Fröhliche Weihnacht’ überall . . . Meist bleibt es bei diesem Wunsch, die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Damit Sie ohne Ärger durch die Festtage kommen, haben wir Psychologen und andere Experten um Rat gefragt.
Die Tipps der Festtags-Ratgeber:
Für Kinder
Ich weiß, wo die Geschenke versteckt sind. Darf ich mal nachschauen?
Felicitas Römer: Du bist wohl schon ganz gespannt, was für tolle Geschenke deine Eltern für dich ausgesucht haben, stimmt’s? Da ist es verständlich, dass du es vor Neugier kaum aushalten kannst und schon mal gerne etwas spionieren möchtest. Allerdings würdest du dich selber um den Moment der Überraschung an Weihnachten bringen. Das wäre doch schade, oder? Auch deine Eltern freuen sich schon sehr darauf, dass du unterm Weihnachtsbaum die Geschenke auspackst. Vielleicht schaffst du es also ja doch, die Spannung noch bis zum Heiligabend auszuhalten? Das wäre echt stark von dir.
Meine Tante gibt mir immer so feuchte Küsse. Bääh. Und wenn ich die wegwische, dann sagt sie: Jetzt gibt’s noch einen.
Felicitas Römer: Mit dem Kuss möchte deine Tante bestimmt ausdrücken, dass sie dich sehr lieb hat. Wenn du aber von ihr nicht geküsst werden möchtest, darfst du ihr das ruhig sagen und zeigen. Niemand darf dich gegen deinen Willen küssen. Sag ihr klar und deutlich: „Ich freue mich, dass du da bist, aber ich möchte keine Küsse mehr von dir bekommen!“ Am besten redest du auch mit deinen Eltern darüber und holst dir von ihnen Unterstützung.
Mein Onkel hat mir ein großes Geschenk versprochen – aber dann bekomme ich nur einen Umschlag mit Geld. Ich fühle mich veräppelt.
Barbara Kettl-Römer: Ich kann verstehen, wenn du enttäuscht bist, denn du hast etwas anderes erwartet, etwas, das du dir wirklich gewünscht hast. Außerdem zeigt ein Geschenk, das jemand für dich ganz persönlich ausgesucht hat, dass derjenige dich mag und sich überlegt hat, wie er dir eine Freude machen kann. Andererseits war dein Onkel vielleicht unsicher und hat gedacht, dass er dich nicht gut genug kennt, um zu wissen, was dir gefällt. Mit dem geschenkten Geld kannst du dir selbst etwas kaufen, das du dir wünschst (aber sprich vorher mit deinen Eltern darüber). Und vielleicht solltest du deinen Onkel einmal anrufen und etwas mit ihm gemeinsam unternehmen, damit ihr euch besser kennenlernen und solche Enttäuschungen zukünftig vermeiden könnt.
Für Eltern
Mein Sohn hat von seinen Paten viel Geld geschenkt bekommen. Wir möchten nicht, dass er jetzt alles für Süßigkeiten oder Computerspiele ausgibt. Nehmen wir ihm erst mal einen Teil wieder weg?
Barbara Kettl-Römer: Je jünger Ihr Sohn ist, desto eher lautet meine Antwort „Ja“. Wenn ein Kind, das sonst 10 oder 20 Euro Taschengeld im Monat bekommt, auf einmal 250 Euro „zum Verplempern“ in der Hand hat, ist die wichtigste Bedingung der Gelderziehung gefährdet: Geld muss knapp sein, damit man lernt, es einzuteilen, damit hauszuhalten. Der plötzliche „Reichtum“ überfordert aber vermutlich selbst noch die meisten Teenager. Deswegen halte ich es für sehr sinnvoll, wenn Sie einen (größeren) Teil des Geldes Ihrem Sohn zwar nicht „wegnehmen“, aber auf sein Sparbuch einzahlen oder für eine größere Anschaffung beiseitelegen, die Ihr Sohn sich wünscht und die Sie befürworten. Das sollten Sie gemeinsam in der Familie besprechen, eventuell auch mit den Paten, damit sich die Geschichte nächstes Jahr nicht wiederholt.
Die Freunde unserer Tochter treffen sich immer an Heiligabend in einem Club. Wir möchten das nicht, das zerstört doch das Fest. Allerdings hat unsere Tochter letztes Jahr den ganzen Abend deswegen geschmollt. Was sollen wir tun?
Felicitas Römer: Sicher fällt es Ihnen schwer, Ihre Tochter an Heiligabend in einen Club gehen zu lassen. Allerdings ist es ab einem gewissen Alter normal, dass die Freunde für Kinder genauso bedeutend sind wie die Familie. Die Erfahrungen, die sie dort machen, sind wichtig für Ihre Entwicklung zur Selbständigkeit. Den Heiligabend nicht nur mit der Familie, sondern auch mit der Clique zu verbringen, gehört also zum Abnabelungsprozess Ihres Jugendlichen. Insofern wäre es hilfreich, Ihre Tochter an Weihnachten ab einem bestimmten Zeitpunkt ziehen zu lassen. Vielleicht finden Sie einen Kompromiss, mit dem Sie alle zufrieden sind?
Für Mütter
Ich habe bis zum letzten Tag gearbeitet. Da sieht unsere Wohnung natürlich nicht so festlich aus. Ich weiß, dass ich nicht alles zu 100 Prozent erfüllen kann, aber stressen tut es mich trotzdem alle Jahre wieder.
Jasmin Link: Setzen Sie Prioritäten - und stehen Sie dazu. Überlegen Sie, wie wichtig Ihnen die festlich geschmückte Wohnung ist. Mit wie viel Aufwand können Sie was erreichen? Vielleicht hilft auch die Devise „weniger ist mehr“. Planen Sie sich dementsprechend Zeit ein und überlegen Sie, wen Sie miteinbeziehen können: Auch wenn traditionellerweise die Kinder beim Baum schmücken außen vor sind, ist es vielleicht auch eine schöne Beschäftigung an einem Nachmittag, Abend oder Wochenende gemeinsam mit den Kindern und eventuell der Hilfe einer Freundin die Wohnung vorzubereiten.
Meine Tochter hat eine Barbie bekommen, mein Sohn einen Bagger. Die ganze geschlechtsneutrale Erziehung ist für die Katz. Wie gehe ich am besten damit um?
Jasmin Link: Barbie-Puppen – ein Traumgeschenk für viele Mädchen. Darüber freut sich nicht jede Mutter. Foto: afp Jasmin Link: Wir alle sind tagtäglich mit Geschlechterrollen konfrontiert – eine Barbie oder ein Bagger mehr oder weniger sind keine Katastrophe. Diese Geschenke spiegeln gesellschaftliche Erwartungen an unsere Kinder wieder, die meist auch in uns selbst sehr tief verankert sind. Ein Weg, sich damit auseinanderzusetzen, ist, ihnen Alternativen zu zeigen. Wenn es uns als Eltern gelingt, ihnen beizubringen, dass sie pauschale Rollenzuweisungen erkennen und kritisch hinterfragen, haben wir schon viel erreicht.
Für junge Paare
Wir haben uns mal wieder Weihnachten getrennt, jeder fährt zu seinen Eltern, damit die Familien nicht enttäuscht sind. Aber es ist doch auch das Fest der Liebe!
Rüdiger Wacker: Trennen Sie sich aus Angst vor möglichen Konsequenzen oder aus Liebe? Wenn Sie sich aus Liebe so entschieden haben, zeigen die Entscheidungen von Ihnen beiden möglicherweise, wer Ihnen letztlich mehr am Herzen liegt: Ihre Eltern oder Ihr/e Partner/in. Egal, ob Sie mir da zustimmen oder nicht: Besprechen Sie dies doch mal mit Ihrem Partner!
Für Angeheiratete
Jedes Jahr gibt es bei meiner Schwiegermutter an Weihnachten Heringssalat – eine Familientradition. Ich mag ihn nicht! Doch wenn ich mich jetzt weigere, zerstöre ich da nicht den besinnlichen Heiligabend?
Klaus Baringhorst: Eine offene, freundliche Aussprache muss nicht zwangsläufig zu einem Streit führen. Ich vermute: Sie wertschätzen das besinnliche Beisammensein im Kreise der Familie. Sie mögen Ihre Schwiegermutter. Sie mögen aber keinen Heringssalat. Sagen Sie es ihr offen und freundlich. Vielleicht überraschen Sie Ihre Schwiegermutter mit einem Geschenk aus Ihrer eigenen Küche und ergänzen so die Familientradition. Vielleicht erzählen Sie vom Weihnachtsfest bei Ihren Eltern und was Sie daran besonders mochten. Sie haben dadurch die Möglichkeit, Ihre Beziehung zu Ihrer Schwiegermutter neu „zu erfinden.“ Zur Erleichterung beantworten Sie sich selbst vorbereitend folgende Fragen, um Ihre Beziehung zu Ihrer Schwiegermutter zu erkennen: Wie kommunikativ stehen Sie miteinander in Kontakt? Wie belastbar ist Ihre Beziehung? Ist Ihre Beziehung von gegenseitiger Akzeptanz und Offenheit geprägt? Wie immer gilt auch hier das Wie. „Wie sag ich’s meinen Lieben“. Die Antwort lautet: In gegenseitigem Respekt und Wertschätzung und Aufrichtigkeit!
Für die Patchworkfamilie
Der Sohn meines neuen Partners bringt mich zur Weißglut. Gerade an Weihnachten könnte er sich doch mal benehmen. Soll ich mich beim Vater beschweren?
Felicitas Römer: Sie befinden sich da in einer kniffeligen Situation. Einerseits möchten Sie sich in die Erziehung des Sohnes Ihres Partner nicht einmischen, andererseits möchten Sie aber auch ein schönes Weihnachtsfest feiern. Am besten sprechen Sie den Sohn Ihres Partners selber an, und zwar möglichst ohne Vorwürfe. Sagen Sie ihm freundlich, aber bestimmt, was Sie von ihm erwarten. Bei Gelegenheit sollten Sie mit Ihrem Partner generell klären, wie Sie das Miteinander zukünftig gestalten wollen: Ist er einverstanden damit, dass Sie seinem Sohn klare Ansagen machen? Es wäre hilfreich, hier einen Konsens zu finden.
Für Großeltern
Mein Schwiegersohn prahlt immer mit Geschichten von seiner Karriere. Ich kann es nicht mehr hören! Mein Mann stellt schon heimlich das Hörgerät aus . . .
Rüdiger Wacker: Ihr Schwiegersohn bekommt nur eine Chance, sich anders zu verhalten, wenn er von Ihren Gefühlen erfährt. Vielleicht schreiben Sie Ihm frühzeitig einen freundlichen Brief dazu oder Sie bitten Ihre Tochter, ihm Ihr Problem zu berichten. Wenn er ein humorvoller Mensch ist, können Sie ihm auch vorschlagen, Ihnen vorab einen gegliederten Erfolgsbericht zuzusenden, dann könnte die gemeinsame Zeit von allen freier genossen werden.
Für Tanten und Onkels
Seitdem meine Schwester Kinder hat, ist Weihnachten nicht mehr wie früher. Alles dreht sich nur noch um die Kleinen. Da wird gefilmt, fotografiert. Das nervt!
Klaus Baringhorst: Ich verstehe Sie gut: Die Kinder werden in den Mittelpunkt gerückt, ohne dass miteinander geredet, gespielt, gesungen und gelacht würde, ohne dass ein wirklicher Austausch stattfände. Und wo bleiben Sie mit Ihren Bedürfnissen und Wünschen? Mein Vorschlag: Bereichern Sie Ihre Wahrnehmung der Situation mit einer Frage an sich selbst: „Wie wünsche ich mir das Weihnachtsfest mit meiner Familie?“ Wie wäre es, wenn unter dem Weihnachtsbaum auch ein Wunschzettel für die Gestaltung des Weihnachtsabends läge? Vielleicht steht darauf: Miteinander Spiele spielen, miteinander (nicht nur Weihnachtslieder) singen, über seine Wünsche und Träume sprechen, und und und. Wenn künftig jeder seine Wünsche einbringt, können noch ausgefallenere Filme und Fotos entstehen – und jeder ist zufriedener als vorher.
Für Singles
Ich bin Heiligabend allein und möchte wenigstens mal kurz eine Stimme hören. Aber kann ich wirklich bei Freunden anrufen? Ich störe doch nur, die feiern bestimmt alle mit ihren Familien.
Rüdiger Wacker: Rufen Sie an! Wahre Freunde finden irgendwie Zeit für Sie, und sei es auch nur telefonisch. Freunde könnte man geradezu als die Menschen definieren, die man Weihnachten anrufen kann.
Die Festtags-Ratgeber:
Felicitas Römer ist systemische Paar- und Familientherapeutin. Die Hamburgerin hat mehrere Ratgeber geschrieben, darunter: „Meine liebe Nervensäge: Warum störende Kinder nicht gestört sind und wie wir ihnen helfen können“ (Beltz, 230 Seiten, 14,95 Euro)
Rüdiger Wacker ist Psychologe und Paartherapeut aus Essen, er hilft in Krisen wie „Seitensprung“ und Trennung und unterstützt Singles in ihrer Lebensplanung.
Barbara Kettl-Römer aus Günzach im Allgäu ist Wirtschaftsjournalistin und Autorin des Ratgebers „So erziehen Sie Ihre Kinder im Umgang mit Geld“ (Finanz-Buch Verlag, 144 S., 9,95 Euro)
Jasmin Link ist Medieninformatikerin und Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter
Klaus Baringhorst ist Pädagoge und systemischer Familientherapeut aus Holzwickede-Opherdicke