New York.. „Underground“ ist ein weiterer Beweis dafür, dass es an Spannung kaum jemand aufnehmen kann mit den Jack-Reacher-Romanen von Lee Child. Im Januar kommt die erste Verfilmung, ausgerechnet mit Tom Cruise, der den hünenhaften Helden spielen soll.
Keiner schreibt derart starke Romananfänge wie Lee Child, Erfinder der Thriller-Figur Jack Reacher. In dem neuen Roman „Underground“ befinden wir uns zu Beginn in einer New Yorker U-Bahn, zu dieser Nachtzeit kaum bevölkert. Reacher bemerkt in seinem Wagen eine Frau, die in dem ehemaligen Militärpolizisten sämtliche Alarmglocken schrillen lässt.
Er hat sie verinnerlicht, diese 11-Punkte-Liste, die es leichter machen soll, Selbstmordattentäter schon frühzeitig zu erkennen. Und diese Frau erfüllt mindestens acht davon, zu viel, um sitzen zu bleiben. Reacher tut, was er immer tut: Er geht auf die Gefahr zu. Doch dann kommt nach kurzem Gespräch plötzlich alles anders als erwartet. Die Frau zieht einen Revolver und schießt sich aus dem Leben.
Und schon ist Reacher wieder mitten drin in einer dieser undurchsichtigen Geschichten, die ihn nicht loslassen. Zumal hier auch noch eine Art Schuldkomplex auf ihm lastet. Denn dass die Frau sich umgebracht hat, das führt er auch auf seine Gesprächstechnik zurück, die das Gegenüber immer mehr in die Ecke drängt. Reacher hat immer Zeit, sich einer Sache anzunehmen, denn er ist das, was man einen „Drifter“ nennt. Nur mit einer Geldbörse, einem Ausweis und einer Zahnbürste in der Tasche streift er nach seinem Abschied vom Militär durch die USA. Kauft er sich neue Kleidung, wirft er die alte weg. Reacher ist der Traum von vollkommener Unabhängigkeit.
Die definitive Ein-Mann-Armee
In diesem Fall wird er schon deshalb in das Geschehen hineingezogen, weil plötzlich diverse Leute hinter ihm her sind, die glauben, dass die Tote aus dem Zug ihm zuvor einen USB-Stick übergeben hat. Ein Mosaikstein fügt sich an den nächsten. Ein aufstrebender Politiker im Senatswahlkampf kommt ins Spiel, der bei der Selbstmörderin ein Foto wähnt, das für die USA höchst unangenehm werden könnte. Hinter dem ist auch eine schöne Araberin mit ihrer angeblichen Mutter her, aber aus ganz anderen Gründen.
Aber warum, so fragt sich unser Held, bringt sich jemand für ein Foto um? Am Ende steht Reacher, wie so oft, ganz allein gegen alle. Er ist die definitive Ein-Mann-Armee, mit abgezählten Patronen und einer vermeintlich exakt berechneten Anzahl von Gegnern. Und schmerzlich muss er erfahren, dass Frauen manchmal das schlimmste Übel in einem Krieg sein können. Auch in einem exportierten.
Ab 3. Januar im Kino
Weitaus weniger gut als dieses Buch ist die Nachricht, dass ausgerechnet der kleine Tom Cruise (freundlich geschätzte 1,70 Meter) den drahtigen Hünen Jack Reacher (1,96) auf der Leinwand verkörpern wird. Ab dem 3. Januar kann man sich selbst ein Bild von diesem seltsamen Besetzungs-Coup machen.
- Lee Child: Underground. Übersetzt von Wulf Bergner. Blanvalet Verlag, 448 Seiten, 19.99 Euro