Duisburg. Papst Johannes Paul III ist Duisburger - zumindest im neuesten Thriller “Apocalypsis“ von Autor Mario Giordano. Doch der Roman bietet noch mehr Besonderheiten: Er erscheint zunächst als App, anschließend als E-Book-Version und erst viel später als klassisches Buch: in dieser Form eine Weltneuheit.
Mario Giordano erdachte für seinen Kirchen-Thriller nicht nur eine ungewöhnliche Herkunft für Johannes Paul III. – der Roman selbst erschien zunächst multimedial als App. Fortsetzung folgt.
„Die Welt hält den Atem an. Denn Ungeheuerliches ist geschehen. Der Papst ist zurückgetreten. Johannes Paul III. legt sein Amt nieder. Der frühere Pfarrer aus Duisburg ist erst der zweite Pontifex Maximus in der zweitausendjährigen Geschichte der römisch-katholischen Kirche, der diesen Schritt aus freien Stücken wagt.“
Apocalypsis, Band 1
Keine Sorge. Der Papst ist freilich immer noch im Amt. Und auch der Vatikan existiert noch. In Wirklichkeit keine Überraschung – im aktuellen Roman von Mario Giordano ist das jedoch etwas völlig anderes. Im Mystery-Vatikan-Thriller „Apocalypsis“ ist die Existenz der katholischen Kirche massiv bedroht. Und mittendrin steckt Franz Laurenz.
Sechs Jahre – von 2005 bis zu seinem Rücktritt am 1. Mai 2011 – leitete er als Johannes Paul III. die Geschicke der größten Glaubensgemeinschaft der Welt. Er plante das Dritte Vatikanische Konzil, in Afrika erklärte der Arbeitersohn aus Duisburg, dass der Gebrauch von Kondomen nicht im Widerspruch zum katholischen Glauben stehe, und er führte einen Dialog mit dem Islam.
Im „Courier Online“ beschreibt ihn der Autor Peter Adam – der Journalist ist die Hauptfigur des Romans – als „Roten Papst“. Denn zu all diesen ungeheuerlichen Reformen kommt die Tatsache, dass Laurenz von ganz unten kommt. Einer aus der Arbeiterschicht. Einer, der früher geboxt hat. Einer mit großen Händen, die nicht nur kräftig zupacken, sondern auch ganz zart wirken können. Der Rücktritt steht im Zusammenhang mit einer okkulten, satanischen Sekte. Die „Träger der Lichts“ wollen die Kirche vernichten. Um das zu verhindern, tritt der Papst zurück.
"Eine Arbeiterstadt eben"
Ein Duisburger als Papst? Mario Giordano schmunzelt. „Ich komme aus der Region“, sagt der Autor des Romans „Apocalypsis“. „Ich habe 20 Jahre lang in Düsseldorf gelebt und kenne Duisburg daher.“ Einen solchen Papst in Hamburg, Berlin oder München anzusiedeln – das hätte einfach nicht gepasst. Es wäre nicht authentisch gewesen.
„Er sollte jemand sein, der sich von unten hochgearbeitet hat. Und selbst Leute, die noch nie in Duisburg waren, können etwas mit der Stadt verbinden. Durch die Wahl der Heimatstadt kann man die Figur bereits gut charakterisieren.“ Das Image der Stadt empfindet Giordano dabei durchaus als positiv. „Eine Arbeiterstadt eben.“
Der Roman als App
Das, was diesen Thriller so besonders macht, ist allerdings die Form, in der er erschienen ist. Band 1 der geplanten Trilogie ist im Bastei-Lübbe-Verlag inzwischen auch als Taschenbuch erschienen, aber diese Variante ist die Drittverwertung des Stoffs. „Bastei Entertainment“, die digitale Sparte des Verlags, kam auf Mario Giordano zu und fragte einen Vatikan-Thriller in drei Bänden an. Die Idee dahinter: In erster Linie erscheint der Roman als App für Pads – also Tablet-Computer – und Smartphones.
„Im Vordergrund steht eindeutig das Lesen“, erläutert Giordano den Ansatz. Die Aufarbeitung ist allerdings ungeheuer komplex. Kapiteltrailer wurden als Filmsequenzen aufgenommen. E-Mails, die in der Taschenbuch-Variante abgedruckt werden, erreichen den Leser an der richtigen Stelle und können dann gelesen werden.
An vielen Stellen sind Hintergrundinformationen abrufbar. Und wenn die Figur eine Notiz bekommt, ein Bild sieht – dann kann der Leser dies auch sehen, drehen und betrachten. Eine Szene, in der die Figur Peter Adam mittels Waterboarding gefoltert wird, wurde mit Schauspielern dargestellt – „und mit Mitarbeitern des Verlags. Seither kann man Autoren sagen, dass der Cheflektor ganz genau weiß, wie Waterboarding funktioniert“, lacht der Autor.
Buchleser müssen sich gedulden
Die Arbeit des Autors ist dadurch viel komplexer als bei einem „normalen“ Buch. Immer wieder trifft sich Giordano mit den Software-Entwicklern, dem Art-Direktor, Marketingmitarbeitern und dem Lektor des Verlags, um das weitere Vorgehen zu besprechen. „Man muss da wirklich teamfähig sein“, sagt Giordano.
Das Produkt rechtfertigt den Aufwand. Denn die App-Variante von „Apocalypsis“ hat es wirklich in sich. „Als wir das auf der Buchmesse in Frankfurt präsentiert haben, haben die internationalen Verlage Bauklötze gestaunt“, berichtet Giordano. „In dieser Form ist das eine Weltneuheit.“ Bastei Lübbe hat sogar schon einen Begriff dafür geprägt: Webnovel.
Wer sich für die App entschieden hat, kann dann nacheinander die einzelnen Kapitel kaufen – oder mit einem „Season Pass“ die aktuelle Staffel abonnieren. „Dann wird Woche für Woche ein weiteres Kapitel freigeschaltet.“
Mischung aus E-Book und Hörbuch
Als zweite Variante gibt es „Apocalypsis“ als E-Book-Version. „Dort kann man das Buch entweder einfach selbst lesen oder man tippt auf eine Stelle im Text“, so Giordano. Von exakt dieser Stelle wird das Buch dann vorgelesen – als Hörbuch sozusagen. Tippt man auf die Stelle, an der sich der Vorleser befindet (die Worte werden während des Lesens hervorgehoben), stoppt die Audio-Variante und der Leser kann wieder selbst lesen. Erst die dritte Version ist das Taschenbuch. Im klassischen Druck ist bislang Band 1 erschienen. Wer bevorzugt das klassische Buch liest, muss sich allerdings bis Februar 2013 gedulden, ehe die Fortsetzung auf Papier erfolgt. Die „zweite Staffel“ der App läuft gerade. Auf elektronischem Weg geht es also schneller.
So innovativ die Vertrieb des Romans ist – wäre der Text langweilig, würde es nicht funktionieren. Doch Giordano, der als Drehbuchautor für den Film „Das Experiment“ mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet worden ist, schreibt durchgehend spannend. An sich kein Wunder – denn dem gebürtigen Münchner, der in Düsseldorf studiert hat und in Köln lebt, ist die Begeisterung für seinen Beruf mit jedem Wort anzumerken. „Wenn ich selbst ein Thema spannend finde, ist die Chance groß, dass es auch wirklich spannend wird“, sagt er.
Viel Investition in die Recherche
Und tatsächlich investiert er viel in die Recherche. „Wenn Vatikan draufsteht, muss auch Vatikan drin sein.“ Also hieß das: Romane und Sachbücher lesen, Filme schauen. Aber auch die Orte der Handlung nach Möglichkeit selbst bereisen. „Man findet immer wieder Menschen, die einem Einblick in die Hierarchien geben. Und wenn man im Internet lange genug sucht, findet man dort sogar Grundrisse des päpstlichen Apartments; man erfährt Dinge über den Tagesablauf des Papstes. Solche Dinge finde ich spannend.“
Leserreaktionen bei Facebook
Im Mystery-Genre geht es natürlich auch um Verschwörungstheorien. Dafür ist ein geheimnisumwitterter „Hofstaat“ wie der Vatikan bestens geeignet – wie die reale „Vatileaks-Affäre“ beweist. Bei der Gestaltung der Geschichte versucht Giordano aber auch auf die Leser einzugehen. „Ich moderiere die Facebook-Seite zu Apocalypsis mit“, pflegt er den Austausch mit den Fans. „Man kann nicht auf alles eingehen“, erklärt er. Ein Stückweit aber schon. Auch die Programmierer bindet er ein: „Ich frage dann: Was wollt ihr denn mal machen? Das versuche ich in die Handlung zu integrieren.“ Aktuell arbeitet er an der „dritten Staffel“ des Romans. Die Veröffentlichung im englischsprachigen Raum steht kurz bevor. Der Text ist auch schon auf Mandarin übersetzt worden. Die spanische Variante soll bald folgen.“
„Der digitale Markt wird in der Zukunft wachsen“, ist sich Giordano sicher. Und die Webnovel „Apocalypsis“ dürfte dann als Vorreiter gelten. Und das mit einem Duisburger als Papst . . .