Essen. . Vor 20 Jahren erschufen vier Jungs um die 30 ihre später vielbedachte Scheibe: „Achtung Baby“. Zum Jubiläum bringt die Band U2 das Album neu heraus. Erinnerungen an das Entstehen im Studio in Berlin.
Welches ist das beste U2-Album? „The Joshua Tree“? Oder doch „Achtung Baby“? Gelegenheitshörer tendieren bei dieser Frage zum ersten, der irischen Reise ins Herz Amerikas, zu den Wurzeln von Rock, Folk und Blues. Das Meisterwerk, der musikalische Meilenstein von U2 ist indes „Achtung Baby“, dieser industrielle, krautrockige und düstere Gegensatz. Vor 20 Jahren, am 18. November 1991, stand ihr siebtes Album endlich in den Plattenregalen. Das ist jetzt wieder so – zum Jahrestag gibt es die Geburtstags-Box mit Bonus-Material.
Hymnen-Heilige, Pathos-Paten – Bono und seine Bande hatten sich Ende der 80er-Jahre einen polarisierenden Ruf erarbeitet. Die einen liebten die vier Jungs aus Dublin, die anderen hassten U2. Ein Stilwechsel musste her. Doch als die ersten Sekunden von „Zoo Station“ durch die Musikanlagen in den Wohnzimmern weltweit liefen, dachte der eine oder andere: „Huch, mein neuer CD-Player ist kaputt!“ War er aber nicht. Denn die Gitarren waren einfach derart verzerrt, Bonos Stimme zudem leicht verfremdet, dass man sich wunderte.
U2 im Zoo. Bono als sein Alter Ego The Fly, der süffisante, selbstverliebte Popstar, der die ganze Medienwelt mit einem großkotzigen Lächeln verhöhnt – es ist ein Neuanfang, der für die Band beinahe das Ende bedeutet hätte.
Berlin, 2. Oktober 1990. Am Nachmittag schweben U2 ein. Sie haben die Hansa Studios gebucht, den Ort, an dem ihre Vorbilder David Bowie und Iggy Pop große Platten aufgenommen haben. Sie wollen in der Stadt, in der am Tag darauf die Wiedervereinigung vollzogen wird, frisch durchstarten. Die ersten Schritte am 3. Oktober werden aber zum Schlüsselerlebnis: Bono, The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen gehen raus, wollen mit den Deutschen deren Freudentag feiern – und wundern sich über die aggressive, negative Stimmung. Sie waren im Ostteil in eine Gegen-Demonstration zur Deutschen Einheit geraten.
Dann gab es diesen Moment
Schlecht lief es auch im Studio. Sie schrammelten gemeinsam, aber es passierte nichts: Bono und Edge wollten den Einstürzenden Neubauten nacheifern, Clayton und Mullen lieber den alten U2.
Doch dann gab es diesen Moment: Während sich die Band gerade durch „Sick Puppy“ eine frühe Version von „Mysterious Ways“ quält, spielt The Edge eine neue Akkordfolge. Aufregung im kleinen Studio, Nervösität. Band, die Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois, alle sind sich einig: „Das ist etwas Großes.“ Schnell wird der Meistersaal hergerichtet und das zarte Pflänzchen blüht auf: Bass, Schlagzeug, ein paar Textfetzen hinzu. Es ist U2s Durchbruch in den Hansa Studios, ein Song, der so ziemlich alles kann – es ist „One“.
Die Band ist wieder eins.
- U2: „Achtung Baby 20th Anniversary“ (Island/Universal).