Berlin (dapd). Die Mauer war gerade gefallen. Durch Berlin waberte eine Stimmung aus Freiheit und Aufbruch. Mittendrin vier junge Männer aus Irland, die im Sog des Wendetaumels einen Neuanfang ihrer Band einleiten wollten. Mit großen Hoffnungen waren U2 in die im Umbruch befindliche Stadt gereist. Freudig stürzten sie sich in die Einheitsfeiern. Doch irgendetwas stimmte nicht, wie Sänger Bono im Rückblick erzählt. "Die Menschen sahen sehr finster aus." Kein Wunder: Die Band war auf einer Demonstration gelandet, auf welcher der Wiederaufbau der Mauer gefordert wurde.

Diese Anekdote aus dem neuen U2-Dokumentarfilm "From The Sky Down", in dem die Band anlässlich des 20. Jubiläums ihres Albums "Achtung Baby" der Entstehung der Platte nachspürt, versinnbildlicht, wie holprig und schwierig der erhoffte Wendeprozess der Band begann. Nach den Alben "The Joshua Tree" und "Rattle And Hum" waren U2 Ende der 80er Jahre in einer Sackgasse angelangt. Ausgebrannt, geplagt von persönlichen Problemen und Differenzen, desillusioniert.

"Die, die wir geworden sind, waren nicht mehr wir", klagt Bono in dem Film von Oscar-Gewinner Davis Guggenheim. "Wir waren eine Rockband, die Amok lief." Die Frage, vor der die Band damals laut Bono stand, lautete: "Classic or Cliché?" Daher waren U2 auf der Suche "nach einer Kettensäge, die den 'Joshua Tree' umhaut".

Trotz eines zunächst quälenden und schmerzhaften Schaffensprozesses: Die "Kettensäge" fanden U2 in Berlin und den Kreuzberger Hansa-Tonstudios - inspiriert von lokalen experimentellen Gruppen wie den Einstürzenden Neubauten. Mithilfe von Interviews, Archivfotos, Comic-Sequenzen, alten Demo-Versionen und bislang unveröffentlichten Videos zeichnet Regisseur Guggenheim nach, wie es der Band letztlich gelang, die Mauern zwischen den einzelnen Mitgliedern einzureißen, sich zu modernisieren und einen eigenen Weg zu finden, Rock'n Roll und Club-Musik zu verschmelzen. Gezeigt wird der Entstehungsprozess von Liedern wie "One". Zu Wort kommen auch musikalische Wegbegleiter wie Daniel Lanois und Brian Eno.

"'Achtung Baby' war der Grund, warum es uns noch immer gibt", ordnet Bono das Album in die Bandgeschichte ein. In den Hansa-Studios hätte U2 seine "spirituelle Identität" wiedergefunden, ergänzt Bassist Adam Clayton - auch wenn das Album letztlich im heimischen Irland vollendet wurde.

Am 28. Oktober erscheinen anlässlich des 20. Jubiläums von "Achtung Baby" mehrere Sondereditionen des siebten U2-Studioalbums. Die Dokumentation ist Teil von zwei Versionen.

dapd