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Der preisgekrönte Schriftsteller Wilhelm Genazino bleibt seiner Linie allzu treu. Sein neuer Roman „Wenn wir Tiere wären“ erzählt von einem Mann des Mittelmaßes, der am Leben leidet.

Wenn wir Tiere wären . . . würden wir im Winter in den Süden fliegen, ein schönes Nest bauen, keine Kriege führen – und trotzdem töten. Dieser Satzanfang „Wenn wir Tiere wären“ könnte mit Phantasie und Philosophie der Beginn für spannende Gedankenflüge sein.

Doch Wilhelm Genazino bedient sich im gleichnamigen Roman meist nur bei der Tierwelt, um die niederen Bedürfnisse aller Lebewesen und die traurigen Wahrheiten metaphorisch zu veranschaulichen. Da wäre die Amsel, die „sang und schiss gleichzeitig“. Oder die männliche Kornweihe, die in die Höhe entschwebt, kurz nachdem sie flügelschlagend und schreiend die Partnerin begattete.

In Wilhelm Genazinos neuer Geschichte geht es im Kern wieder um seine alten Themen: Liebe und Leid zwischen Mann und Frau, den schwachen Menschen in der spießigen Angestelltenwelt sowie den „Grundmerkwürdigkeiten des Lebens“.

Die Melancholie zerdrückt jedes noch so kleine Glücksgefühl

Der Ich-Erzähler, ein durchschnittlich erfolgreicher Architekt in der Mitte seines Lebens, leidet sehr am selbigen. Die Melancholie zerdrückt jedes noch so kleine Glücksgefühl. Er droht im Selbstmitleid zu versinken: „Ein wenig Tränenflüssigkeit stieg mir in die Augen, ich suchte nach ihren Gründen und fand sie nicht. Vermutlich war mir nur die innere Unmöglichkeit meines Lebens ein wenig zu nahe gekommen.“

Wilhelm Genazino. Foto: ddp
Wilhelm Genazino. Foto: ddp © ddp

Lediglich der Anblick der nackten Brust einer stillenden Mutter, das Onanieren bei Gedanken an einstige Affären oder der Sex mit einer seiner Liebschaften kann dieser Mann des Mittelmaßes noch einen Moment des Friedens bringen.

Überhaupt der Sex: Da wäre die nie überwundende Ex-Ehefrau, die damals und heute stets betrunkene Geliebte, die kranke Witwe des gerade verstorbenen Freundes und dann noch mal eben zwischen den Jacken an der Bürogarderobe die liebesuchende Kollegin. Ihm ist halt der gute Beischlaf dreimal mehr Wert als ein gutes Gespräch.

Sprachlich schön ist auch dieses Buch des viel bedachten und gepriesenen Schriftstellers von Romanen wie „Ein Regenschirm für diesen Tag“ und „Mittelmäßiges Heimweh“. Doch inhaltlich zählt es zu diesen Geschichten, die wenig erhellen, dafür mit ihrer nihilistischen Weltsicht mehr deprimieren.

  • Wilhelm Genazino: Wenn wir Tiere wären. Hanser Verlag, 159 Seiten, 17,90 Euro