Essen. .

Die Eurythmics („Sweet Dreams“) waren Dave Stewarts Eintrittskarte in den Pop-Olymp. Nun hat er mit Rolling-Stones-Boss Mick Jagger eine Supergruppe gegründet. Ein Gespräch über das ungewöhnliche Projekt.

Dave Stewart ist ein Tausendsassa: Nach Eurythmics hat der britische Sänger, Gitarrist, Produzent und Songschreiber mit Größen wie Bob Dylan, Stevie Nicks und Joss Stone in Nashville gearbeitet. Doch damit nicht genug: Nun soll es auch noch die Supergruppe „Super Heavy“ mti Mick Jagger sein, deren Debütalbum im September erscheinen soll.

Wie fühlt man sich als Brite in Nashville, einem Ort, mit dem große Cowboyhüte, Truckerfestivals, konservative Gesinnung und volkstümlicher Schlager mit Westerneinschlag assoziiert werden?

Dave Stewart: Ehrlich gesagt fühlte sich Nashville für mich an, als käme ich nach Hause. Dieser Ort passt perfekt zu meinen künstlerischen Vorstellungen. Umso erstaunlicher, weil ich da eigentlich gar nicht hin wollte. Mein neues Soloalbum „The Blackbird Diaries“ ist nämlich einer Serie von Zufällen geschuldet. In Nashville habe ich meine Stimme neu gefunden und sämtliche Songs spontan auf der akustischen Gitarre geschrieben. Am Ende sang ich sogar ein Duett mit Stevie Nicks.

Am Anfang stand eine alte Klampfe, die Sie in einem Gitarrenshop in London aufstöberten. Ein magisches Instrument?

Das ist richtig. Solch eine Gitarre hatte ich nie zuvor gesehen. Es war keine Gretsch, die ich da in London entdeckte, wo ich nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull festsaß. In dem Laden in der Denmark Street stieß ich auch auf alte Songbücher von Red River Dave McEnery, jenem Country-Musiker, dem dieses Instrument einmal gehört hatte. Ein sehr interessanter, exzentrischer Entertainer der 40er-Jahre. Irgendwann schickten mich die Götter nach Nashville. Ich lernte John und Martina McBride kennen, in der Atmosphäre ihrer Blackbird Studios sprühte meine Kreativität über. Sämtliche Songs für mein Album sind innerhalb einer fünf Tage und Nächte andauernden Session auf unkonventionelle Weise entstanden.

Hatten Sie sich zu dem Zeitpunkt viel mit Country und Americana beschäftigt?

Nicht wirklich. Ich mochte jedoch immer die Country-Sachen von Bob Dylan.

Auf Ihrem Soloausflug gibt es eine Zusammenarbeit mit Bob Dylan. Wie eng sind Sie miteinander befreundet?

Seit etwa 1984 arbeiten wir immer wieder zusammen. Es ist jedenfalls mehr als ein professionelles Verhältnis, wir gehen auch schon mal gemeinsam auf einen Bootstrip. Die Akkorde von „Worth The Waiting For“ kamen uns quasi beim Jammen am Küchentisch, anschließend nahm ich in Nashville eine Demofassung auf. Bob sagte, die Nummer gefiele ihm sehr gut. Zwischen uns bedarf es keiner großen Worte.

Kann man Kreativität erklären?

Kreativität ist wie kindliches Spiel. Kindern wird von ihren Eltern oft gesagt: „Das kannst du so nicht machen, du musst dafür ein bestimmtes Werkzeug benutzen“. Begnadete Künstler und Wissenschaftler ignorieren ganz bewusst das, was man üblicherweise tut. Hätten sie immer auf andere gehört, befänden wir uns heute noch im dunklen Zeitalter.

Ein Song heißt „Magic Of The Blues“. War der Blues Ihr musikalisches Initiationserlebnis?

Als ich 14 war, schleppte mein Cousin diese Platten aus Memphis an. Ich verliebte mich sofort in Leute wie Mississippi John Hurt und Robert Johnson. Später kam das erste Dylan-Album dazu. Auch die Beatles, die Stones und die Kinks benutzten Blues-Riffs. Sogar bei den Eurythmics hört man Blues-Anleihen, zum Beispiel bei „Sweet Dreams“ oder „Missionary Man“. In den 90ern habe ich dann die Doku „Deep Blues“ im Süden der USA gedreht. Diese Erfahrung war nützlich für meine Platte.

Wie in einem kreativen Rausch produzierten Sie neben dem Soloalbum auch Werke von Stevie Nicks, Joss Stone und Mick Jagger.

Joss Stone. Foto: Sony Music
Joss Stone. Foto: Sony Music © Sony Music

Joss Stone ist jetzt ein freier Mensch, ihr Vertrag mit EMI ist ausgelaufen. Die wollten von ihr immer Popsongs, das war aber nie ihr Ding. Also ließ ich das Mädchen ohne Druck machen, was sie wollte. Herausgekommen ist ein tolles Soul- und Bluesalbum. Und für Stevie Nicks war es das erste Mal, dass sie mit jemand anderem in einem Raum Songs schrieb. Das fand ich enorm spannend.

Und welche Idee steckt hinter der Supergruppe Super Heavy mit Mick Jagger?

Ich hatte schon länger die Idee für eine Band, bei der unterschiedliche Stile verschmelzen. Dann fragte ich Mick – und er sagte Ja.

Dutzende Telefonate folgten, bei denen wir Ideen austauschten. Sechs Monate später stießen Joss Stone, Damian Marley und Filmkomponist A.R. Rahman („Slumdog Millionär“) dazu. In einem Studio in Los Angeles spielten wir sehr experimentelle Sessions. Erlaubt war, was gefällt. Es fühlte sich an wie eine Garagenband, die zum ersten Mal zusammen muckt.

Wie klingt die Musik von Super Heavy?

Unsere Musik lässt sich schwer beschreiben. Sie klingt anders als alles, was jeder von uns bislang gemacht hat. Manche Songs kommen mit einem jamaikanischen Rhythmus daher, andere sind im Rock verwurzelt. Wir haben auch indische Einflüsse. Bei einem Stück singt Mick Jagger einige Zeilen in der pakistanischen Landessprache Urdu. Es ist sicher nicht das, was man von uns erwartet. Und dennoch sind die Songs sehr eingängig.

Super Heavy erinnert an die Supergruppe Dirty Mac vom legendären Rock’n’Roll-Circus der Rolling Stones. Dahinter verbargen sich John Lennon, Keith Richards, Eric Clapton und Mitch Mitchell.

Das mag sein. Auch bei uns gibt es keinen Frontmann. Mick Jagger ist immer noch einer der größten Sänger und Performer. Wir betrachten uns als echte Band und würden gerne auf Tournee gehen, aber ein Schritt nach dem anderen. Momentan arbeite ich an drei Filmprojekten für die Paramount. Eines heißt „Zombie Birdland“ und ist im Stil der „Rocky Horror Picture Show“.

  • Dave Stewart – The Blackbird Diaries (Surfdog/Sony)