Berlin. .

Das zweite Album der Schottenrocker Glasvegas hat den Boden des sozialen Elends verlassen, den das Debüt beschrieb. Der Sänger James Allan berichtet von der bittersüßen Seite des Rock’n’Roll.

Glasvegas. Foto: Sony Music
Glasvegas. Foto: Sony Music © Sony Music

Oasis-Entdecker Alan McGee lobte Glasvegas über den Klee. Priscilla Presley bekannte sich als Fan. Und die bri­tische Musikbibel „NME“ verlieh ihnen einen Preis, da war das Debütalbum der Schottenband nicht mal erschienen! Mit Spannung wurde das Nachfolgewerk erwartet. Für „Euphoric///Heartbreak\\\“ setzen Glasvegas auf Flood als Produzenten sowie den bewährt hymnischen Rocksound. Warum es dabei nicht immer mit rechten Dingen zuging und was Goldfische damit zu tun haben, erklärte Sänger James Allan, als Katja Schwemmers ihn sprach.

Mr. Allan, die Songs für das Glasvegas-Debüt schrieben Sie noch als Arbeitsloser. Dann kam der Durchbruch. Welchen Unterschied machte das für die neue Platte?

Allan: Ob man es will oder nicht, es nimmt Einfluss auf die Musik. Ich hatte beim ­ersten Album ja nicht mal eine richtige Wohnung! Der Plattenvertrag brachte der Band Publikum und eine Plattform. Diese Plattform bringt eine Verantwortung mit sich, man will die Leute ja nicht ent­täuschen. Das erzeugt Druck. Das ist die bittersüße Seite des Rock’n’Roll.

Wie sind Sie mit dem Druck umgegangen?

In die Entstehung des Albums waren viele legale und illegale Drogen involviert – zeitweise war ich nicht mehr Herr meiner Sinne! Wir waren mit den Kings Of Leon auf Tour, als ich in einem Hotel in Chicago zusammenbrach. Meine Band war schockiert als sie sahen, wie ich zwei Goldfischen „Close To You“ von den Carpenters vorsang. Ich soll ausgesehen haben wie Jack Nicholson in „The Shining“.

Sie erzählen das so, als wäre es amüsant!

Ich müsste das ja nicht erzählen. Aber ich will auch nicht auf cleane Band machen. Genauso wenig will ich Drogen glorifizieren – obwohl ich könnte. Da waren viele spaßige Momente, deshalb ist die Platte so euphorisch. Der Unterschied zwischen mir und anderen Menschen ist: Ich muss nicht in der Realität eines normalen Lebens runterkommen. Wir nahmen in einer Luxus-Villa in Santa Monica auf. Ich konnte mir leisten, nächtelang nicht zu schlafen.

Eine Villa am Strand muss ein Kulturschock für einen Schotten sein!

Glasvegas. Foto: Sony Music
Glasvegas. Foto: Sony Music © Sony Music

Pina Coladas in der Sonne Malibus zu trinken, das war neu. In Glasgow trage ich die Sonnenbrille sogar im Haus. Da können Sie sich vorstellen, wie grell es für mich war an diesem verdammten Strand.

Es gibt Schlimmeres . . .

Natürlich. Rückblickend muss ich über vieles lachen. Zwei Mal habe ich die Villa mit dem Jacuzzi unter Wasser gesetzt, woraufhin der Alarm losging. Als es das zweite Mal passierte und das Wasser durch die Decke ins Wohnzimmer tropfte, blieben die anderen schon cool sitzen und meinten nur: „James hat schon wieder das Haus geflutet.“

In den neuen Texten weisen Sie ja auch kaum auf soziale Missstände hin und erzählen Geschichten . . .

Früher war meine missliche Lage mein Alltag. Menschen konnten sich damit identifizieren. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Leute zu mir kamen, weil ihnen der Song „Daddy’s Gone“, in dem ich die ­Abwesenheit meines Vaters thematisiere, viel bedeutet. Aber das waren auch meine ersten Songwritingversuche. Diesmal ist alles offener.

Ungewöhnlich für eine ­heterosexuell besetzte Band ist, wenn sie zwei Lieder der Homosexualität widmen.

Ich war bei einer Party eines Freundes. Da waren zwei Typen, die ich kannte, von denen ich aber nicht wusste, dass sie schwul sind. An dem Abend wurde klar, dass sie Gefühle füreinander hatten. Der eine von ihnen hatte eine Freundin, die heulend rauslief.

Und das hat Sie schockiert?

Ich weiß nicht viel über die Gefühle zwischen zwei ­Männern oder zwei Frauen. Glasgow ist diesbezüglich sehr rückschrittlich. Der eine der Jungen meinte zu mir, er könne deswegen nie ungezwungen sein. Ich fand es sehr traurig, dass beide im Jahr 2011 ihre Zuneigung nicht offen zeigen können. Aber der Punkt in diesem zweiteiligen Lied ist, dass wir uns alle wegen irgendetwas schlecht fühlen, über das wir uns eigentlich keine Gedanken machen sollten.

Stimmt die Geschichte, dass Ihr Bandkollege Rab Allan Sie mit Priscilla Presley ­verkuppeln wollte?

Rab ist ein sehr fürsorglicher Cousin und sorgt sich um mein Liebesleben. Wir waren zu einer Party bei den Presleys eingeladen. Lisa-Marie Presley kennen wir schon lange. Das Ganze war ziemlich peinlich. Als Rab mich bei Priscilla abstellte, dachte ich: Die arme Frau muss mir jetzt zuhören, und sie kann kein Wort Schottenenglisch verstehen! Aber vielleicht hat Rab den Kuppelversuch auch nur unter­nommen, um uns als Band interessanter zu machen.

  • Glasvegas „Euphoric///Heartbreak\\\“ (Sony) Live: 14.5. Köln, Live Music Hall