Köln. . Im größten Karnevalsladen Deutschlands ist kurz vor der jecken Jahreszeit einiges los. Ein Blick in das bunte Einkaufstreiben.

Vom Stress mit dem Dress: Im größten Karnevalsladen Deutschlands herrscht samstags ein Gedränge wie beim Rosenmontagszug. Beobachtungen zwischen Mäuseohr und Baströckchen.

Hunderte Hüte – wie soll man sich da nur entscheiden? Foto: Bernd Lauter
Hunderte Hüte – wie soll man sich da nur entscheiden? Foto: Bernd Lauter © WAZ FotoPool

In einem Gewerbegebiet bei Köln, zwischen Küchenhändlern und Klopsbrätern, steht der Kleiderschrank des Karnevals; er müsste ein fröhlicher Ort sein. 3000 Kostüme! Masken, Mützen, Männerballett! Unter der Qual der Wahl aber jammert der Jeck, wenn er sich selbst den Spiegel vorhält. Wer soll ich bloß sein, wenn nicht ich? Das ist nicht lustig.

Hot Pants statt Pappnase

„Die Leute machen nicht mehr auf blöd“, sagt Herbert Geiss. Womit der Mann, der diesen größten Faschings-Laden des Landes führt, sagen will: Die Karnevalisten sollen zwar lachen, aber bitte nicht über mich und meine verrückte Verkleidung. „Die wollen alle top-gestylt aussehen.“ Hot Pants statt Pappnase! Das hier ist Carnaval Couture, man setzt auf „Trends“ und „Themen“, und der Cowboy ist ein „Klassiker“. Den Trend der Session 2011 hat Michael Jackson gesetzt, mit seinem Tod, der recht eigentlich nicht lustig war – aber auf der Bühne das Thema „Disco“ hinterließ.

Die Hauptstadt des Karnevals machte daraus ihr Motto „Köln hat was zu beaten“, und Geiss’ Geschäft, das Deiters heißt, sprang auf den Rosenmontagszug auf: „Wir beaten alles!“ Weil das Angebot auch die närrische Nachfrage bestimmt, zwängen sich die Kunden dieses Jahr in Etuikleider mit Pailletten, knappe Korsagen und Schlaghosen in Glitzer. Chapeau!, aus changierendem Stoff natürlich.

Chinesenhut oder Matrosenmütze?

„Machste mit Hut oder ohne?“, fragt ein Junge zwischen Karohemden und Ringelsocken. „Keine Ahnung“, sagt der andere – an ihrem eigenen Angebot können die Mitarbeiter im Kaufhaus des Karnevals durchaus verzweifeln: „Eine grobe Vorstellung solltet ihr schon haben.“ Aber selbst, wenn man die hätte, wie soll man sie hier festhalten? Chinesenhut, Mexikanerhut, Hexenhut, Spitzhut, Piratenhut? Narrenkappe, Soldatenbarett, Stewardessen-Schiffchen, Matrosenmütze?

Ob das schlank macht? Aber wer wäre nicht einmal gerne Feuerstein? Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool
Ob das schlank macht? Aber wer wäre nicht einmal gerne Feuerstein? Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Als würden 3000 Modelle nicht reichen, drängen sich in den Gängen an Samstagen auch noch 10.000 Menschen, zunehmend aggressiv, je näher Weiberfastnacht rückt. Stell dir vor, es ist Karneval, und du hast kein Kostüm! „Schande“, ruft eine Frau im Engelsgewand, „das geht ja gar nicht!“ Sie wird auch den Teufel testen, Schwarz macht schlank. Weshalb ein dicker Typ gerade nachtfarbene Plateauschuhe probiert. Neben der Umkleide lehnt gelangweilt ein Madl im Dirndl zu blau-gelben Socken, eine Japanerin hilft einer Indianerin ins Kleid. „Zeig dich, los, raus!“

Und dann stehen die Jecken vor den Verwandlungs-Kabinen und müssen entdecken, dass sie zu weit gegangen sind: „Ich bin, was ich nicht bin.“ Familie Feuerstein macht fett, und Tüll mit Flügeln in Größe 46 aus einer Frau keine Elfe. Ausladendes Blumenmuster betont ausladende Hüften. Und dürfen Prinzessinnen zwischen Krönchen und Rock im Bauchnabel das Piercing zeigen? Zu Karneval ist alles erlaubt, aber nicht alles schön.

Nicht wie ein Teddy

„Ich will nicht aussehen wie ein Teddybär“, sagt Monalisa und lächelt. Monalisa liegt auf Linie mit dem Chef. „Clown sieht nicht sexy aus“, hat Herbert Geiss gesagt, sexy sei „kürzer als kurz“, und so zupft Monalisa an einem Polizistinnen-Kleid herum, das jeder Ordnungshüterin die Kollegen von der Sitte auf den Hals hetzen würde. In der Nähe der Taille begegnen sich die Schlitze von oben und unten, „es wird nicht länger“, sagt Monalisas Freund. Sie wird also auch noch andere Berufe probieren. „Krankenschwester gehört auch kurz“, hat Geiss gesagt, „die kann ich mir zugeknöpft nicht vorstellen.“

Die Laden-Lautsprecher, prall gefüllt mit Schunkelschlagern, spielen „Was wär’n die Männer ohne Weiber?“, schon das Mittelalter kannte im Karneval ja ein gewisses Problem mit der Moral. Als später die Preußen nach Köln kamen, klagten sie gar über „hemmungslose Ausschweifungen und Rüpelhaftigkeit“. Und die sollen bis heute vorkommen bei Männern, die zum Fasching den Colt raushängen lassen, die dem Cowboy zum Patronengurt einen weiteren mit Schnäpsen umhängen, die als Piraten gehen oder andere Kerle, die, so Geiss, „was darstellen“.

Auch ein Weihnachtskostüm hat nun kurz zu sein. Foto: Bernd Lauter
Auch ein Weihnachtskostüm hat nun kurz zu sein. Foto: Bernd Lauter © WAZ FotoPool

Ein Zoo voller Tiere

Wenn also nichts Ärgeres passiert, als dass es den Damen kühl wird unter den breiten Gürteln? „Dann nehmen Sie Thermo-Leggins, die den Schnitt nicht ruinieren auf der Figur.“ Es gibt ja nichts, was es nicht gibt bei Deiters, diesem Hort des heiseren Lachens. Einen Zoo voller Tiere und noch mehr Haariges: Perücken, Modell Emily, Bella oder Vampira, Neandertaler-Filz mit Knochen, „Monika“ in Pink. Eine ganze Familie trägt „Jimmy schwarz“, auch „Big Afro“ genannt, „ich seh nix“, klagt der Sohn.

An endlosen Kleiderständern hängen Mönch und Teufel einträchtig zusammen, Elefantenhosen an Schottenröcken, und die Tiger tun den Kühen nichts. Totengräber warten auf ihre Träger, Obelixe und blaue Zwerge – für jede Größe das Passende. Selbst Schneewittchen und Rotkäppchen tragen Mini, die Cowgirls Rosa, und darunter liegt eine Geisha samt Bügel am Boden. Und dann das Zubehör! Bärte, Handschellen, Netzstrümpfe, Mäuseohren, Baströcke, Feenflügel, Plastikpistolen, Hawaiiketten… In einem Einkaufswagen hebt ein Kind sein Schwert: „Haben wir alles?“

An der Kasse ist Gedränge wie Karneval vor der Kneipe, und Aschermittwoch ist bei Deiters’ nichts vorbei. Draußen hört der Spaß auf, drinnen beginnt die neue Session, und kurz vor dem 11.11. kommt Halloween. Und das ist erst recht zum Fürchten.