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Bücher über den Tod sind kein Renner. Übers Sterben zu schreiben, ist noch schwieriger. Regine Schneider hat sich beiden Herausforderungen gestellt und letztlich ein Buch übers Leben geschrieben.
Das ist schon mal die erste Überraschung dieses ungewöhnlichen Werks. Dass das Sterben, dass der Tod zum Leben gehören, ist ja eigentlich keine neue Erkenntnis. Man denkt aber nicht so gern darüber nach, was falsch ist, und diese Lektüre kann bei der Aufarbeitung eines ungesunden Verdrängungsprozesses helfen.
Ein halbes Jahr dokumentierte die gebürtige Bochumerin, die von der WAZ-Redaktion zu „Brigitte“ und „Woman“ wechselte und dabei mehr als zwanzig Bücher schrieb, den Alltag in einem Hamburger Hospiz. Dorthin kommt man zum Sterben. Regine Schneider hat mit den Sterbenden, den Angehörigen, den Krankenschwestern und den Ärzten gesprochen. Den Alltag im Hospiz protokolliert. Und sich auch vor der schrecklichsten Tragödie nicht gedrückt: wenn ein Kind stirbt.
Sterben müssen wir alle, aber geht anders damit um
Eine der Erkenntnisse: Sterben müssen wir alle, aber jeder geht anders damit um. Frau Lübbe (Namen sind geändert) beispielsweise hat Brustkrebs, der bereits im ganzen Körper gestreut hat. An Tagen, an denen die Schmerzen nicht so groß sind, bestellt sie hochhackige Schuhe im Internet. Oder zeigt auf den ausgefallenen Hut eines Models und sagt: Den kauf ich mir auch!
Scheiße, alles weg, klagt wiederum Brigitte, der wegen eines Hirntumors immer öfter die Worte fehlen. Herr Öztürk hat Lungenkrebs im letzten Stadium. Bei seiner Einweisung hat er sich lautstark über das Pflegepersonal beschwert, das nach seinem Empfinden zu freizügig angezogen ist. Mit jedem Tag seines Siechtums wird er demütiger.
Nicht wenige leugnen das Unabwendbare bis zum letzten Atemzug
Andere finden sich früh ein in ihr Schicksal und sagen: Ich hatte ein schönes Leben. Ich kann in Frieden sterben. Manch einer plant seine Trauerfeier bis in die letzte Einzelheit, den Blumenschmuck, die Musik, die Sitzordnung. Und nicht wenige leugnen das Unabwendbare bis zum letzten Atemzug. Frau Gruber etwa ist über 90, frisiert sich jeden Morgen aufs Sorgfältigste und duftet nach Chanel No. 5. Fragt man sie, warum sie hier ist, antwortet sie: Keine Ahnung!
Alle sind anders, aber alle werden bald sterben, und eins ist immer gleich: Den letzten Weg gehen sie im Hospiz nicht allein. Das ist hier anders als im Krankenhaus, sagt eine Krankenschwester. Da hatte ich nie Zeit, mich einmal ein paar Minuten zu jemand ans Bett zu setzen, die Hand zu halten. Und das ist vielleicht der größte Trost, den dieses bemerkenswerte Buch spendet: Den Tod kann man nicht besiegen. Aber die Einsamkeit.
- Regine Schneider: „Ich möchte sterben, wie ich gelebt habe“ – Gespräche über den Tod. Patmos, 216 Seiten, 18 Euro