Köln. .

Um großen Pop zu machen, müssen die Courteeners sich nur im musikalischen Fundus ihrer Heimatstadt bedienen: Manchester, die Brutstätte für besondere Indiebands. Gerade ist ihr neues Album erschienen: „Falcon“ – mit ergreifenden Melodien.

Ist es Vererbung? Kosmische Strahlung? Oder gar Zufall? Musikforscher haben sich schon das Hirn darüber zermartert, warum ausgerechnet Manchester immer wieder als Brutstätte exzellenter Indiebands auffällig wird. Im Falle der Courteeners lässt sich aber ziemlich genau das Rezept nachvollziehen, das sie zum Erfolg macht: große Geste, großes Maul und hintergründiger Humor, den Sänger Liam Fray mit bedeutungsschwerem Gesicht vorträgt.

Er ist einer dieser charmanten Männer von der Insel, wie er dort im Backstage-Bereich in Köln sitzt, eine Tasse Kamillentee in der Hand, mit einer Frisur, die er aus Liam Gallaghers Perückensammlung stibitzt haben muss. Gleich wird er dort hinausgehen auf die Bühne und singen von seiner Liebe zu Manchester, und davon, dass er trotzdem eine Liebesaffäre hat mit L.A. und New York. Und mit Dundee und Doncaster. Darauf angesprochen, kann Fray nur spitzbübisch grinsen: „Ich wollte, dass die Leute ein bisschen über uns lachen können. Denn es stimmt ja: Wir waren in L.A. und New York, aber eben nicht mehr in Paris oder Mailand, sondern mussten wieder in Dundee und Doncaster spielen. Wenn das kein Kon trast ist, weiß ich’s auch nicht.“

Vor vier Jahren war Fray noch Verkäufer

Vor vier Jahren, da war Fray noch Verkäufer, der in einem Fred-Perry-Store herumsaß, Bücher las und zwischen zwei Poloshirt-Käufern an seinen Songs gearbeitet hat. Songs, die damals noch grober behauen waren und kaum verhehlen konnten, dass sie von der Verehrung für die lokalen Helden Oasis, aber auch den Smiths zehrten. Angesichts solcher Einflüsse spitzt die britische Musikpresse gern die Bleistifte und schreibt den nächsten Hype herbei. Obwohl das Debüt „St. Jude“ noch ein wenig überbewertet war, reichte es doch zumindest aus, den großen Morrissey als Mentor für die Band zu gewinnen. Er nahm sie mit auf seine Tour durch die USA. „Es ist gut, wenn die Leute von dir hören, dass du vor Morrissey spielst, dann bringen sie dir mehr Respekt entgegen.“ Wobei auch Morrissey bemerkt haben dürfte, dass einige Passagen auf „St. Jude“ mehr als eine Hommage an ihn sind. Hier schmunzelt Fray schon wieder: „Man darf nur von den Besten stehlen.“

Im Vergleich zum Debüt ist das neue Album ordentlich aufgedonnert

Im Vergleich zum Debüt wirkt das gerade erschienene „Falcon“ ordentlich aufgedonnert, mit Streichern, Orchester, großen Melodiebögen und einigen verzückend einfachen, ergreifenden Melodien. So die Single „You Over did It Doll“, die vom exzessiven Nachtleben einer ehemaligen Mitbewohnerin Frays erzählt, die regelmäßig über die Stränge geschlagen hat. „Sie hat sich nie die Zeit genommen, mal zur Ruhe zu kommen – bis sie es musste. Das hat ihr buchstäblich das Leben gerettet.“

Fray selbst scheint von dem Trubel, der um seine eigene Band entstanden ist, gänzlich unbeeindruckt. „Wir haben nie schlecht geschlafen, weil irgendwelche Leute etwas von uns erwarten könnten. Im Gegenteil: Wir haben uns um unser Bier gekümmert.“ Und das hört man dem Album „Falcon“ auch an. „Es ist in gewisser Weise das Gegenteil dessen, was man von Rockstars erwarten könnte: Es ist eine Menge Aufrichtigkeit auf diesem Album. Und das ist doch immer noch die schönste Art, Menschen zu überraschen.“

  • The Courteeners – „Falcon“, Polydor/Universal