Bielefeld. Ralph Ruthe hat als Cartoonist angefangen und ist heute Multimedia- und Bühnen-Star. Seine Reihe „Shit Happens!“ wird 20 und will ins Kino.

Denkt man an Ralph Ruthe, sagt man „Shit Happens!“ – und das ist für den Bielefelder alles andere als ein Griff ins Klo. Seit 20 Jahren setzt er die erfolgreiche Cartoon-Reihe mit dem anrüchigen Titel schier endlos fort – und seine Gags über Biber und Baum, Gott und Teufel sowie das Trio aus der HNO-WG sind längst viral gegangen: Facebook, Insta, TikTok, Youtube, kein Medium entkommt dem Ruthe-Witz, weshalb gut drei Millionen Follower immer was zu lachen haben. Er hat seine Helden sogar auf die Bühne gebracht und damit die erste erfolgreiche Cartoon-Liveshow etabliert. Aber der 51-Jährige strebt noch Größeres an: Das Kino ruft, man weiß nur noch nicht ganz, wann es so weit ist. Einer seiner Anfänge lag im Comicstrip „Frühreif“, der auch lange für diese Zeitung erschien. Georg Howahl sprach mit Ruthe darüber, wie er den Wandel der Medien gemeistert hat – und darüber, wie weit es für ihn noch ist bis zur Weltherrschaft.

Vom Cartoonisten zum Multimedia-Star, einen solchen Wandel haben in Deutschland bisher nicht viele geschafft. Wieso sind Sie nicht einfach bei Papier und Tusche geblieben?

Ruthe: Ich habe mich eigentlich nie ausschließlich als Cartoonist oder Comiczeichner gesehen. Das ist eben nur die Außenwahrnehmung. Ich habe als Kind schon Comics gezeichnet, Hörspiele aufgenommen, Musik gemacht und immer Interesse gehabt an Bühnensachen, aber viele wussten das nicht über mich. Und deshalb war für mich völlig klar, dass das irgendwann alles zusammenkommen wird. Es war eben nur diese eine Sache, für die ich anfangs bekannt geworden bin.

Trotzdem ist es ein großer Schritt vom Zeichenbrett zum Comedystar…

So hat alles angefangen
So hat alles angefangen © Carlsen Verlag / Ralph Ruthe | Ralph Ruthe

Ich würde schon behaupten, dass ich da ein Wegbereiter war. Als ich angefangen habe, Liveshows zu machen, gab es halt ein paar Comiczeichner, die Lesungen gemacht haben, Ralf König etwa. Aber er hat auf der Bühne gesessen und Bild für Bild seine Comics vorgelesen. Meine Idee war ja immer, eine Comedy-Show auf die Beine zu stellen, die mehr als das beinhalten wird. Als ich dann aufgetreten bin, kamen bei den ersten Shows auch nicht irrsinnig viele Leute. Aber dann hat sich irgendwann rumgesprochen: Das ist ein unterhaltsamer Abend, das kann man sich angucken. Ich bin auch einfach besser geworden und wusste immer genauer, was ich da überhaupt mache. Die Mischung aus Mundpropaganda und dem Anstieg der Qualität, hat dafür gesorgt, dass es heute völlig normal ist, wenn ein Cartoonist auf der Bühne steht. Am Ende machst du ja auch nur Comedy und bringst die Leute zum Lachen.

Sie haben ja im Laufe der Jahre viel gemacht, haben fürs Mad-Magazin gezeichnet, für „Käpt’n Blaubär“ getextet – und den „Frühreif!“-Strip in dieser Zeitung veröffentlicht. Warum gibt es vieles davon nicht mehr?

Gerade die „Frühreifen“ sind ein gutes Beispiel dafür, dass für mich ein Thema auserzählt war. Du guckst halt als Künstler: Okay, zu welcher Serie, zu welchem Format hast du noch was beizutragen? Wo kannst du noch etwas erzählen mit diesen Figuren? Die Frühreifen habe ich mir ausgedacht, da war ich 16 oder 17 Jahre alt. Das heißt, das war bis dahin auch meine am längsten geführte Serie, ich habe vorher nichts so lange gemacht wie diesen Comicstrip. Inzwischen habe ich ihn mit „Shit Happens!“ allerdings überholt. Und diese Reihe ist auch so schön, weil es mir außer dem reinen Witz auch die Freiheit lässt, gesellschaftliche und politische Themen aufzugreifen, also sehr offen ist. Was man letztlich fortführt, hängt auch davon ab, wie viel Zeit man zur Verfügung hat.

Inwiefern…

Meine Arbeitswoche besteht nun mal, wie die von anderen, aus fünf Tagen. Und ich habe ja auch eine Familie und Kinder. Wenn ein kompletter Tag für den Comicstreifen drauf geht, denke ich oft, ich hätte in der Zeit an einem Video arbeiten können, das mir vielleicht mehr bedeutet und wo mehr zusammenkommt von all dem, was ich gerne machen möchte, nämlich auch noch Musik und Voice-Acting.

Und das hat Sie zu einem der deutschen Youtube-Stars gemacht, wo mittlerweile fast 350 Ruthe-Videos laufen – und wo Ihnen mehr als 800.000 Menschen folgen. Wie kamen Sie dahin?

Die HNO-Dreierbande: Koala Krüger, Nashorn Jochen und Giraffe Günther wollen hoch hinaus.
Die HNO-Dreierbande: Koala Krüger, Nashorn Jochen und Giraffe Günther wollen hoch hinaus. © Ralph Ruthe

Als ich angefangen habe mit Youtube war das 2006, da gab es Youtube erst seit einem Jahr. Ich hatte eine Webseite seit ’99, bei Facebook war ich fast einen Monat nachdem die angefangen haben. Ich war immer bei allem recht früh dabei. Aber ich hatte auch nie den Anspruch: Das muss jetzt das Ding werden, das hat sich dann so entwickelt über die Zeit. Auf TikTok zum Beispiel habe ich immer so Phasen, da haue ich eine Woche lang fast jeden Tag ein Video raus, immer alte Clips. Aber das ist nicht meine stärkste Plattform, da folgen mir jetzt 130.000 Menschen, für die ganzen TikTok-Kids, die dort zehn Millionen Follower haben, ist das natürlich ein Witz. Aber darum geht es auch nicht. Für mich geht es nur darum: Ich habe ja das Material hier liegen, warum sollte ich es dann nicht auch veröffentlichen? Irgendjemand von denen, die das sehen, sagt sich dann bestimmt auch mal: Den kenne ich, da gucke ich mal die Liveshow an oder hole mir mal ein Buch. Es ist als Künstlerin oder Künstler wichtig, dass du einfach gesehen wirst.

War Cartoonist denn auch in der Pandemie ein krisenfester Job? Schließlich konnten die Menschen gut eine Aufheiterung gebrauchen…

Heimat-Humor des Ostwestfalen Ruthe: Für ihn ist die Bielefeld-Verschwörung ganz real.
Heimat-Humor des Ostwestfalen Ruthe: Für ihn ist die Bielefeld-Verschwörung ganz real. © Carlsen Verlag | Ralph Ruthe

Als Corona reinballerte, war die Live-Tour unsere Haupteinnahmequelle. Man kann in Deutschland als Cartoonist allein vom Buchverkauf nicht leben, wenn man nicht Uli Stein ist – und nicht mal der kann noch davon leben, weil er eben einfach nicht mehr lebt. Ich mache ja tausend Sachen drumherum, auch Merchandise und Hörspiele. Während der Pandemie habe ich mich aber anders aufgestellt und ausnahmsweise auch mal Jobs angenommen, etwa den Spot für Magenta TV. Lustig war das auch, weil ich ja vorher schon Werbe-Parodien gemacht habe.

Jetzt planen Sie den Sprung ins nächste Medium, das Kino mit einem eigenen Spielfilm für ihre Hals-Nasen-Ohren-WG mit Giraffe, Nashorn und Koala, drei Stars aus „Shit Happens!“. Wann ist es denn so weit?

Das kann man noch nicht sagen, ich beschäftige mich seit 2019 damit, es hätte eigentlich längst losgehen können, wenn nicht die Pandemie dazwischen gekommen wäre. Wenn man rechnet, dass eine Drehbuchseite ungefähr eine Minute ergibt, dann hätten wir schon 100 Filmminuten zusammen. Und jetzt können wir auch endlich wieder mit den richtigen Leuten sprechen, die den Film produzieren können. Man kann ja viel über ein Zoom-Meeting machen, aber Leute von einer Idee zu begeistern, das kann man eigentlich nur persönlich. Ich glaube, dass es ein richtig toller Film wird, ich kann jederzeit damit loslegen.

Ralph Ruthe feiert den Geburtstag seiner Cartoon-Reihe: „20 Jahre Shit Happens!“ hat 352 Seiten und 50 exklusive, neue Cartoons (Lappan, 30 €). Ständig neues Material gibt’s unter ruthe.de und unter youtube.com/ruthe

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