Berlin. Seit 30 Jahren erscheint „Touché“, der Comic-Strip von Tom Körner. Wir wollen vom Comic-Giganten wissen, wie er nach 8500 Gags den Humor behält.

30 Jahre „Touché“! Was wird die Post-Oma sagen? Was die Baumumarmerin? Und was der kleine Junge im Kindersitz auf Muttis Fahrrad? Na, „Glückwunsch!“ doch hoffentlich. Und die Post-Oma würde noch „Eineeinmarkmarke!“ dazu bestellen.

Geht man davon aus, dass der Zeichner-Ruhm mit jeder Veröffentlichung wächst, darf man Tom „Touché“ Körner (61) getrost als Comicstrip-Gigant rühmen – und das ist nicht der einzige Grund, es zu tun. Seit 30 Jahren zeichnet er sechs Strips pro Woche, gnadenlos zuverlässig – und gnadenlos gut. 8500 grandiose Gags sind so zusammengekommen.

„Über dieses „Touché“ fluche ich heute noch, weil die Leute oft denken, dass ich so heiße“, Thomas Körner, Cartoonist
„Über dieses „Touché“ fluche ich heute noch, weil die Leute oft denken, dass ich so heiße“, Thomas Körner, Cartoonist © Privat

Eigentlich sollte so eine Arbeit absolut himmlisch sein, aber oft ist sie teuflisch. Denn Tom ist berühmt und berüchtigt dafür, dass er ohne Reserve arbeitet und oft vor dem gähnend leeren, weißen Blatt sitzt. Dass am Ende trotzdem etwas richtig Gutes entsteht, das sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Samstag im „Wochenende“ dieser Zeitung. Wir sprachen mit dem Berliner darüber, wie man am besten Menschen beobachtet, woher man frische Ideen nimmt – und was man tut, wenn’s im Leben wirklich mal hart wird.

Wie sind Sie hauptberuflich Zeichner geworden?

Tom Körner Ich hatte das Glück, dass Ende der 80er-Jahre die Berliner Zeitschrift Zitty gelegentlich ein paar von meinen Cartoons gedruckt hat. Sie haben anfangs gesagt: Deine Witze sind gut, aber deine Zeichnungen sind scheiße. Erst als ich auf Knubbelnasen umstieg, haben sie mich öfter gedruckt. Damals hatte ich das Glück, im Kreuzberger Comicladen „Grober Unfug“ zu arbeiten, da habe ich viele Zeichner kennengelernt. Die haben auch Comic-Ausstellungen gemacht – und dabei stand ich hinter der Bar. Bei der Vernissage von Lilian Mousli sagte sie damals, sie suchte für die neu gegründete „Wahrheit“-Seite der taz einen frischen, deutschen Strip, ich solle doch mal rumfragen. Da bin ich natürlich selbst aktiv geworden. Ich habe das Format ausgemessen und Cartoons, die ich hatte, umgebastelt...

Wie kam’s zum Namen Touché?

Auf die Schnelle musste ich mir einen Namen ausdenken, über dieses „Touché“ fluche ich heute noch, weil die Leute oft denken, dass ich so heiße. Aber für die ersten Strips passte es, denn die Gags hatten eine schnelle, pointierte Replik. Ich bin damals mit dem Radl los, hab meine Strips nachts bei der taz in den Briefkasten geworfen. Und wurde genommen.

Viele Ihrer Strips sind spürbar dem Alltag abgeschaut. Wie lernt man, so präzise hinzusehen?

Das ist eine meiner Grund-Fertigkeiten, im Kopf laufen bei mir Kamera und Mikrofon immer mit. Wenn ich U-Bahn fahre, wenn ich einkaufen gehe, wenn ich rumlaufe, dann bin ich immer im Beobachter-Modus. Ich gucke und speichere das ab. Ich fange oft Dialoge auf, etwa wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehe und die Leute vor und hinter mir unterhalten sich… Wenn ich die Szenen dann wende oder überziehe, dann habe ich schon wieder einen Kassenwitz. Das geht auch, wenn es um Eltern mit ihren Kindern geht…

Aber die Kinder werden doch so schnell erwachsen…

Tom Körner lässt sich von Alltagssituationen inspirieren.
Tom Körner lässt sich von Alltagssituationen inspirieren. © Thomas Körner

Ich habe jetzt den Jungen im Kindersitz als feste Figur, den finden die Leute ganz prima – für ihn lieferten halt die diversen Kinder in meinem Haus die Vorlage. Und wenn ich von zu Hause ins Atelier fahre, sehe ich auch Kinder hinten auf dem Rad in ihren Sitzen – und versetze mich da hinein. Es reicht schon, wenn ein Kind friert, schwitzt oder sich langweilt, weil es immer nur den Hintern seiner Mutter sieht. Das ergibt einen Ideen-Matsch, in dem ich im Trüben fische.

Sie zeichnen Ihre Strips ganz ohne Reserve? Wie lebt es sich ohne Netz und doppelten Boden?

Ein kleines bisschen planen muss ich schon, aber es ist trotzdem nicht einfach. Ich fahre jetzt etwa in die Schweiz zu einem Cartoon-Festival, das weiß ich seit einem halben Jahr. Eine Woche lang werde ich unterwegs sein. Ich muss dann vorarbeiten. Am vergangenen Freitag habe ich versucht, das zu machen. Aber es ist einfach nichts passiert. Ich starrte auf das weiße Blatt und bin dann auch wütend geworden. Und jetzt im Moment bin ich halt in der Phase, in der sich Zeitdruck aufgebaut hat – und dann schießt das Adrenalin in mein Blut, ich nenne es „das Koks des kleinen Mannes“.

Und dann geht’s auf einmal?

Meine Frau kennt das schon und guckt, dass ich in der Zeit etwas zu essen kriege. Mein soziales Umfeld kennt es auch, wenn ich alles abblocke und sage „Ich muss jetzt ein paar Streifen machen“. Mein Jammern hören sie gar nicht mehr, aber sie wissen: Der fällt jetzt erstmal aus. Es ist halt so elend anstrengend, dass ich es eigentlich gar nicht mag.

Was ist, wenn Sie krank werden – oder etwas Schlimmes passiert?

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Ich habe schon mit einem komplett steifen Hals gezeichnet, ich erinnere mich sogar noch an den Strip, den ich da unter Schmerzen gezeichnet habe. Mittlerweile könnte ich aber auch mal sagen, dass ich krank bin. Als damals allerdings mein Vater im Sterben lag, musste ich mein Programm runterfahren, den täglichen Strip habe ich dann pausieren müssen, um ihn zu besuchen – aber es gab in der Zeit noch zwei, drei andere Sachen. Um die fertig zu bekommen, musste ich echt Scheuklappen aufsetzen. Aber ich weiß: Mein Vater hätte es auch so gewollt.

Welcher Charakter aus Ihrem Personal kommt Ihnen am nächsten?

Das ist der Horst, Horst Pachulke. Der tauchte schon in Streifen Nummer 55 auf – und ist immer noch mit großer Freude dabei. Er und seine bezaubernde Gattin können in meinen Strips ganz normal vor sich hinleben. Er ist manchmal so ein typischer Muffel, sie eine Zicke – und die sind einfach nur zu Hause.

Was würden Sie jemandem raten, der es Ihnen nachtun möchte und selbst 8500 Comicstrips zeichnen will?

Nummerieren Sie die verdammten Dinger durch! Ich sitze gerade vor einem riesigen Regal mit Ordnern. Irgendwann habe ich auch nummeriert, aber erst ab Strip 3000. Vor der Nummer 3000 gähnt das finstere Loch. Aber man muss dann mal wieder durchgucken – und manchmal ist man immerhin überrascht, was man alles schon gemacht hat.

Neu erschienen: „30 Jahre Touché von (c)Tom“ (Lappan, 128 Seiten, 16 Euro). Es liefert nicht nur einige der besten Strips, sondern auch die Geschichten zu den Figuren, zum Zeichner selbst – und ein paar Hommagen an Tom.