Köln. Unglücklich im Job? Ein beruflicher Neustart kann helfen. Wie er gelingt, erklärt Christiane Karsch, Expertin für berufliche Neuorientierung.
Als Coach für berufliche Neuorientierung berät Christiane Karsch Menschen, die etwas in ihrem Berufsleben verändern möchten. Im Interview mit dieser Zeitung erklärt sie, woher dieses Bedürfnis kommt und wie ein Neuanfang gelingen kann.
Aus welchen Gründen entscheiden sich Menschen für einen beruflichen Neuanfang?
Der häufigste Grund ist eine Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Das kann zum Beispiel durch den Wechsel einer Führungskraft, die Übernahme der Firma oder ein verändertes Arbeitsumfeld passieren. Dann gibt es Menschen, die durch das Studium oder eine Ausbildung in ihren Beruf reingerutscht sind, aber nicht dafür brennen. Ein weiterer Grund ist die Suche nach dem Sinn der Arbeit. Das tritt vor allem auf, wenn Arbeitgeber nicht deutlich machen, wofür die Firma steht und welchen Beitrag jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin leistet. Bei Frauen über 50 kommt es häufig vor, dass sie etwas für die eigene Persönlichkeitsentwicklung tun wollen, nachdem sie sich erst um die Familie gekümmert haben.
Welcher Typ Mensch wagt einen Neuanfang?
Es sind Menschen, die bereit sind, eine Veränderung einzugehen. Und sie haben das Selbstvertrauen in die eigene Person und ihre Fähigkeiten. Wer die Risiken zu sehr abwägt und die Gefahren in den Vordergrund stellt, verliert schnell den Mut. Im Coaching ermutige ich diese Personen, sich mit den Chancen und Vorteilen auseinanderzusetzen. Positive Beispiele erhöhen zudem die Motivation.
Welchen Rat haben Sie für diese Menschen?
Wenn man sich beruflich neu orientieren möchte, weil man unzufrieden ist, sollte man erstmal den Auslöser dafür identifizieren. Die Frage ist: Was genau macht mich unzufrieden und was müsste passieren, damit ich zufrieden bin? Vielleicht lässt sich daraufhin am aktuellen Arbeitsplatz schon eine deutliche Verbesserung erzielen. Wer andere Gründe für eine berufliche Veränderung hat, sollte sich nach dem genauen Motiv fragen. Grundsätzlich braucht es zwei Pole, um sich überhaupt zu verändern. Und zwar einen „Weg-von“-Pol und einen „Hin-zu“-Pol. Wer sich an seinem Arbeitsplatz wohl fühlt und keine Not hat, wird einen zu geringen Energielevel haben, um sich zu verändern. Wer dagegen eine hohe Not hat, aber kein Ziel oder keine Vorstellung vom künftigen Arbeitsplatz, wird sich auch schwertun, das Gewohnte aufzugeben.
Welche Hürden können einem Neustart im Weg stehen?
Bei den meisten Menschen ist der Wert der finanziellen Sicherheit eine Hürde. Viele können sich nicht vorstellen, dass sie ihren Lebensunterhalt während der Umstellung noch bestreiten können. Ein weiteres Hindernis ist es, Menschen im Umfeld zu haben, die einem den Neustart ausreden. Wer sich verändern möchte, sollte sich mit Personen umgeben, die einen bekräftigen und unterstützen.
Wird ein beruflicher Neustart denn gesellschaftlich akzeptiert?
Es kommt darauf an, mit wem man darüber spricht. Es gibt Persönlichkeitstypen, die Veränderungen gut finden, und andere, die stringente Lebensläufe befürworten. Grundsätzlich begegne ich zumindest einer gewissen Hochachtung vor der erfolgreichen Veränderung – vor allem, wenn es sich um einen kompletten beruflichen Neustart handelt. Vor 30 Jahren waren berufliche Wechsel ein No-Go. Mittlerweile bekommen auch Menschen mit branchenfremden Erfahrungen eine Chance, da sie neue Ideen und andere Perspektiven mitbringen.
Wie geht man denn damit um, wenn man selbst das Gefühl hat, gescheitert zu sein?
Weitere Texte aus dem Ressort Wochenende finden Sie hier:
- Psychologie: Warum sich Mädchen komplett überfordert fühlen
- Migration: Wie ein pensionierter Polizist im Problemviertel aufräumt
- Essener Roma-Familie über Klischee: „Wir sind keine Bettler“
- Familie: Hilfe, mein Kind beißt, schlägt, tritt andere!
- Generation Pause: „Man genießt, nicht den Druck zu haben“
Die Frage ist, wie Scheitern definiert wird. Im Prinzip lernen wir durch Scheitern. Ein Kind, das beim Laufen lernen hinfällt, ist gescheitert. Doch es steht immer wieder auf und kann schließlich laufen. Erwachsene denken, sie müssten beim ersten Versuch alles richtig machen. Richtig gut wird man erst, wenn man Erfahrung sammelt, indem man aus seinen Fehlern lernt und sich dadurch immer weiterentwickelt.
Braucht es einen Plan, wenn man sich beruflich verändern möchte?
Wer ein planvoller Mensch ist, sollte auf jeden Fall strukturiert vorgehen. Erst recht, wenn finanzielle Sicherheit ein wichtiger Wert ist. Hier empfehle ich eine Art Business Plan für die berufliche Veränderung. Wer es sich leisten kann, sollte alles ausprobieren, was einen interessiert. Das kann beispielsweise durch Praktika oder ehrenamtliche Arbeit erfolgen. So kann man am besten die Vorstellung und Erwartung an einen Job mit der Realität abgleichen. Eine Frage, die man sich unbedingt vorab stellen sollte, lautet: Was genau will ich mir mit dieser Tätigkeit erfüllen?
Wie kann man sich denn sicher sein, dass der Neuanfang der richtige Weg ist?
Wer weiß das schon im Vorhinein. Vielleicht sollten wir die Idee aufgeben, dauerhaft irgendwo anzukommen. Denn auch Arbeitsplätze verändern sich. Ich empfehle eher dafür zu sorgen, dass es einem gut geht. Dazu braucht es Achtsamkeit und den Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Spielt das Alter eine Rolle bei einem beruflichen Neuanfang?
Für einige Menschen spielt es eine Rolle. Das sind aus meiner Sicht Glaubenssätze. Besser ist es, sich selbst zu hinterfragen, was traue ich mir, in welchem Lebensabschnitt zu.