Düsseldorf. Wie werden Samenspender ausgewählt? Was passiert mit den Spenden nach der Abgabe? Ein Blick hinter die Kulissen der TFP Sperm Bank in Düsseldorf.
Keine Bilder an den Wänden, keine Magazine mit vollbusigem, leicht bekleidetem Motiv, kein Fernseher zum Schmuddelfilmchen gucken. Stattdessen: ein Waschbecken, ein Sessel und ein Stuhl, beide abgedeckt mit Papier. Mehr Einrichtung gibt es nicht, gemütlich ist anders. Es mag paradox klingen, aber im Spenderraum 2 der TFP Sperm Bank Düsseldorfsollen sich alle Männer wohlfühlen.
Mehr zum Thema – lesen Sie auch:
- Gezeugt durch Fremdsamen: Ein Spenderkind sucht ihren Vater
- Samenvermittlung: Drei Spender erzählen, was sie antreibt
Agnieszka Paradowska-Dogan, Privatdozentin der experimentellen Reproduktionsmedizin und seit drei Jahren Laborleitung, erklärt: „Da wir auch diverse Spender haben, die sich möglicherweise nicht zu Frauen hingezogen fühlen, soll die Ausstattung möglichst neutral sein.“ Die TFP Sperm Bank beliefert über 60 Kinderwunschzentren in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Mit der Vermittlung von Fremdsamen hilft das Team Paaren, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
Samenspender müssen viele Anforderungen erfüllen
Um die 100 Spender führt die TFP Sperm Bank aktuell im Katalog. Die Abgabe verläuft immer gleich: Am Tag der Spende wird den Männern eine Blutprobe entnommen und auf Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis B bis C untersucht. Auch der allgemeine Gesundheitszustand kann so überprüft werden: Trinkt ein Mann etwa zu viel Alkohol, verraten das die Leberwerte. „Das könnte sich negativ auf die Spermien auswirken, der Mann kommt dann nicht als Spender in Frage.“ Im Spenderraum, der über eine Durchreiche mit dem angrenzenden Labor verbunden ist, stehen zwei Becher bereit: einer für Ejakulat, der andere für Urin. Beide Proben werden im Labor auf typische Geschlechtskrankheiten getestet.
Um eine möglichst gute Spermienqualität zu garantieren, müssen die Spender vor der Abgabe eine Karenzzeit einhalten. Sprich, drei bis fünf Tage vorher keinen Sex und kein Samenerguss. Die TFP Sperm Bank erwartet von ihren Spendern eine Spermienkonzentration von 80 Millionen pro Milliliter. Das muss so sein, denn „beim Einfrieren gehen zwangsläufig rund 40 Prozent der Spermien verloren“. Zum Vergleich: Laut WHO schafft es der gesunde Durchschnittsmann gerade einmal auf 16 Millionen. „Spender mit guter Samenqualität zu rekrutieren, ist eine große Herausforderung“, so die Laborleitung. „Nur jeder zehnte Mann, der sich bei uns vorstellt, wird angenommen.“
Spermien werden im Labor aufbereitet
Die akribische Untersuchung des Samens dauert rund zwei Stunden. Erst, wenn eine Probe eingelagert ist, kommt der nächste Spender. So sollen Verwechslungen ausgeschlossen werden. Bis zu vier Männer kommen täglich zur Abgabe. Im Labor werden ihre Proben begutachtet, um die Konzentration der beweglichen Spermien festzustellen. Unterm Mikroskop flitzen, zuckeln, zappeln die nur so herum, wie in einer Art animiertem Wimmelbild mit Blaufilter.
Ist die Probe für geeignet befunden, wird das Ejakulat zentrifugiert und in sogenannte Halme gefüllt. Jeder Halm fasst 300 Mikroliter Sperma und wird zur Identifikation des Spenders mit einer verschlüsselten Kennung versehen. Dabei gilt nicht etwa: eine Abgabe, ein Kind. „Je nach Behandlungsart wird eine bestimmte Anzahl Halme genutzt“, erklärt Agnieszka Paradowska-Dogan. „Von einem Ejakulat können wir durchschnittlich drei Inseminationen durchführen.“
Samenspenden werden bei -196 Grad eingefroren
Direkt an das Labor grenzt der Kryoraum. Hier schlummert Leben bei -196 Grad. Die Halme sind bereit zum Einfrieren. Stickstoff wabert wie Nebel in das Einfriergerät: „Da drin müssen die Halme 23 Minuten lang ruhen und die Temperatur gleichmäßig bis -80 abgesenkt werden, bevor die Halme in den Quarantänetanks eingelagert werden.“ Sechs lange Monate bleiben sie dort, um sicherzustellen, dass die Spermien frei von Bakterien und Krankheitserregern sind. Vier Wochen vor Ablauf der Quarantäne gibt der Spender noch einmal Blut und Urin ab, um zu prüfen, ob auch er immer noch gesund ist. Erst dann werden seine Samen für den Verkauf freigegeben.
Aktuell hat die TFP Sperm Bank mehrere Tausend Dosen im Bestand. Eingefroren halten sie sich ohne Temperaturschwankungen 100 Jahre oder länger, ein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ gibt es nicht. „Aber wir setzen unseres auf 15 Jahre“, erläutert Agnieszka Paradowska-Dogan, „weil wir davon ausgehen, dass der Spender nach dieser Zeit eine gewisse Anzahl von Kindern erreicht hat und älter wird. Wir möchten ermöglichen, dass die Kinder ihren Spender zu Lebzeiten treffen können.“
Samenbank berät Wunscheltern bei der Spendersuche
Zur Arbeit in der Samenbank gehört auch die Beratung von Paaren oder Single-Frauen auf der Suche nach Spendersamen. Ein Kind aus dem Katalog? So dürfe man sich die Beratung, zumindest in Deutschland, nicht vorstellen. Es komme vor, dass Empfängerinnen sehr genaue Vorstellungen von einem Spender haben, so Paradowska-Dogan. Dann würden ihr Fotos von Models und Schauspielern vorgelegt. Um die Anonymität der Spender zu wahren, sehen die Paare aber ohnehin keine Bilder, lediglich ein Profil mit Angaben zur Person. Wünsche werden berücksichtigt: Auf einem Kriterienbogen können Paare angeben, ob der Mann etwa blaue oder braune Augen, helle oder dunkle Haare haben soll. Körperbau? Blutgruppe? „Wir schildern den Paaren auch Charaktereigenschaften der Spender.“
Ist ein Spender gefunden, geht sein Samen zum festgelegten Termin an die Kinderwunschklinik, die die Behandlung durchführt. Die Kosten für Fremdsamen – bei der TFP Bank zwischen 300 und 500 Euro pro Halm – tragen die Wunscheltern. „Wir würden sehr befürworten, wenn die Krankenkassen diese Behandlung zumindest teilweise bezahlen würden“, betont Agnieszka Paradowska-Dogan. „Viele Patienten sagen uns, dass sie die Kosten nicht tragen können.“ Das verleite manche Paare dazu, es mit Heiminsemination zu versuchen: Die Frau führt sich dabei selbst die Samenspende ein, die ein privater Spender vorher in einem Becher abgegeben hat. „Davor können wir nur warnen“, so die Expertin. „Erstens hat man das Risiko der Infektion und zweitens kann der Spender oder die Mutter bei einer mündlichen Absprache jederzeit Ansprüche stellen.“
Gesetz regelt Rechte und Pflichten von Samenspendern
Wer in Deutschland in einer Samenbank spendet oder Fremdsamen von dort bezieht, unterliegt dem Samenspenderregistergesetz. Es bietet einen wichtigen Schutz für Spender und Wunscheltern: Ersterer hat keinerlei Ansprüche, aber auch keinerlei Verpflichtungen dem Kind gegenüber. Auch eine Adoption ist ausgeschlossen. Wird ein Kind geboren, erhält der genetische Vater einen Brief vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das die Spenderdaten zentral speichert: „Von Ihrer Spende wurde ein Kind gezeugt“, mehr erfährt er nicht.
- Lesen Sie auch:Wie der Lebensstil die Fruchtbarkeit beeinflusst
Über all das, so Agnieszka Paradowska-Dogan, sollten Spender sich im Klaren sein. Auch empfiehlt sie den Männern, ihrem direkten Umfeld mitzuteilen, dass sie spenden. Wenn ein Spender seinen Vertrag widerrufe, beispielsweise, weil die neue Partnerin nicht damit einverstanden ist, habe das schwerwiegende Konsequenzen für die Empfängerinnen und die Samenbank.
Bleibt die Frage nach der Motivation: Verdient Mann mit Samenspenden Geld? Bei TFP erhalten Spender pro brauchbarer Dosis eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro, ausgezahlt in zwei Raten: eine Hälfte nach Abgabe, die andere nach der Freigabe, um sicherzugehen, dass sich die Spender auch der zweiten Untersuchung unterziehen. „Samenspende ist eine verantwortungsvolle Aufgabe“, so die Sperm Bank Leiterin. „Es geht selten nur ums Geld, sondern um die Idee, kinderlosen Paaren zu helfen.“
Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.