Gelsenkirchen. Krümel, Mitbringsel, Müll: Wer Kinder hat, kann sein Auto nicht als Statussymbol pflegen. Unser Autor will das auch gar nicht – trotz der Scham.
Geschämt hatte ich mich ja schon manchmal für unser verdrecktes Fahrzeug, in dem die Matschreste von einem Dutzend Ausflügen in den Fußmatten hingen, in dem Bügelperlen-Kreationen aus der Kita zwischen den Sitzen klemmten und sich Verpackung von Müsliriegeln und Kaugummis in die Mittelablage zwängten.
Dass ein Auto für mich lediglich ein Gebrauchsgegenstand ist, ersparte mir als Familienvater zahlreiche Frustmomente. Ein Saustall auf vier Rädern ist schließlich kinderkonform. Wer sein Fahrzeug als Statussymbol pflegt, bekommt mit minderjährigen Schmutzschuhträgern dagegen den Kollaps.
„Fertig“: Die perfekte Vokabel für die Verfassung elterlicher Seelen
Die Scham war trotzdem da. Schließlich habe ich in meinem Freundeskreis vor allem Kinderlose. Und in deren Autos ist es schön sauber. So richtig nachfühlen kann da den Zustand einer Familienkutsche niemand.
Deshalb war ich umso glücklicher, als ich neulich im Auto einer geschätzten Arbeitskollegin saß, deren zwei Kinder genauso alt sind wie meine (8 und 5): Kindermedizin in der Mittelablage, irgendwo gefundene Walnüsse in der Münzablage, anderswo aufgegabelte Getreideähren unter der Tempo-Anzeige, die die Kinder natürlich unbedingt behalten wollten. Dazu Krümel, Staub, Müll – und ein kleiner Aufkleber unter dem Schalter für die Warnleuchten mit dem Wort „FERTIG“. Die perfekte Vokabel für die Verfassung elterlicher Seelen.
Über dieses nachempfindbare Chaos, das ich so sehr wiedererkannte, zeigte ich mich offenbar etwas zu erfreut. Sodass sich meine Kollegin, die sich erst auch schämen wollte, dann eher etwas irritiert zeigte: „Also so glücklich hat mein Auto noch niemanden gemacht.“ Bald, das sagte sie, bekomme sie aber einen neuen Wagen und müsse dann mehr aufpassen. Das geht auch mir seit wenigen Wochen so, seitdem ich zum ersten Mal ein geleastes Fahrzeug fahre – das eigentlich zu schick ist für Brezel-Brösel zwischen den Autositzen. Ich vermisse ihn, den Schweinetransport.