Gelsenkirchen/Essen. Zum Start der Segway-Saison: Auf zwei Rädern durch den Nordsternpark in Gelsenkirchen und auf die Essener Schurenbachhalde.

Nicht wackeln, nicht zappeln, einfach Füße stillhalten. Und schon geht’s los. Wobei: Zwei Stunden Füße stillhalten, das sagt sich so einfach. Wenn man es ausprobiert, merkt man erstmal, wie oft man sonst beim Stehen den Flamingo macht und das Gewicht von einer Seite auf die andere verlagert. Aber wer auf dem Segway das Gewicht verlagert, bringt das Ganze erst richtig in Schwung. Denn lehnt man sich nach vorne – werden die Räder schneller und schneller.

Und so rollen wir am Fuß des Förderturms der ehemaligen Zeche Nordstern in Gelsenkirchen über den Schotter. Und üben das Bremsen. Leicht zurücklehnen – und schon stehen die Räder still.

Gerade sind sie über die Kanalbrücke mit den markanten roten Bögen gefahren: Carsten Westheide mit Tochter Lena und Dirk Fortmeyer.
Gerade sind sie über die Kanalbrücke mit den markanten roten Bögen gefahren: Carsten Westheide mit Tochter Lena und Dirk Fortmeyer. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

„Das sieht aus wie der Lenker eines Fahrrads“, sagt Segway-Experte Dirk Fortmeyer (49). „Ist er aber nicht.“ Denn diesen Lenker muss man nicht drehen, sondern nur leicht nach links oder rechts schieben – und schon ändert sich die Richtung. Das sollte man nicht übertreiben, sonst dreht man sich auf der Stelle im Kreis. Das war es aber auch fast schon mit der kurzen Einführung. Gästeführer Carsten Westheide kann seine liebste Tour beginnen.

Pyramidenförmige Halde

Der 55-Jährige fährt vorbei an der pyramidenförmigen Halde Nordstern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort Trümmer aufgetürmt – und natürlich das Gestein, das mit der Kohle aus der Erde kam. Es geht vorbei an den Bergbaustollen – auf dem Lehrpfad erklären ehemalige Bergleute die Arbeit unter Tage. Und schließlich fährt Westheide über eine Brücke zu den ehemaligen Kohlebunkern. „Dort wurde die Kohle zwischengelagert“, sagt Westheide, „für die Kokerei oder für die Schiffe zum Abtransport.“

Die ehemaligen Bunker sollen nun begrünt werden, so Westheide, im Rahmen der Internationalen Gartenausstellung im Jahr 1927. Da wird der Nordsternpark einer der Hauptschauplätze sein. Schon einmal erblühte dieses Gelände. Denn vier Jahre nach der Stilllegung der Zeche im Jahr 1993 strömten die Menschen schon einmal herbei – zur Bundesgartenschau.

Dirk Fortmeyer von „Sanfte Touren“ aus Dortmund, der die Segways für Westheides Führungen zur Verfügung stellt, schaut zurück zur Zeche und sagt schmunzelnd: „Der Mann mit dem Popo.“ Westheide korrigiert lächelnd: „Der Herkules von Markus Lüpertz.“ Über das Werk aus dem Kulturhauptstadtjahr 2010 wird er auch noch ein paar Worte verlieren, aber nun geht es erstmal die Rampe hinab.

Ebenerdig, keine Buckelpiste

Wie beim Skifahren winkelt man automatisch leicht die Knie an. Gar nicht verkehrt, sagt Westheide, denn so verhindert man, bei einem Buckel einen Schlag in den Rücken zu bekommen. Wobei die Route, die sich der Gelsenkirchener ausgedacht hat, alles andere als eine Buckelpiste ist. Die Wege sind meist schön ebenerdig. Perfekt für die Tour mit dem Segway.

Ein Spaziergänger ruft: „Ist das leicht zu lernen?“ Kopfnicken. Aber seine zwölfjährige Tochter muss trotzdem noch zwei Jahre warten, bis sie damit fahren darf. Ihre Mundwinkel ziehen sich enttäuscht nach unten. Eine obere Altersbegrenzung gibt es aber nicht. Dirk Fortmeyer: „Ich bin schon eine Tour mit einem 82-Jährigen gefahren.“ Hauptsache, man kann zwei Stunden ruhig stehen bleiben.

Wie auf dem Mond: die Schurenbachhalde mit der „Bramme für das Ruhrgebiet“ von Richard Serra.
Wie auf dem Mond: die Schurenbachhalde mit der „Bramme für das Ruhrgebiet“ von Richard Serra. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Westheide kommt an der Emscher an – das große Renaturierungsprojekt der Region. Der Fluss sieht an dieser Stelle noch nicht natürlich aus. Trotzdem sei es ungewohnt, sagt Westheide. „Seit zehn Jahren mache ich hier Touren und weiß, wenn man über die Brücke fährt, muss man sich die Nase zuhalten.“ Nun nicht mehr. „Die Köttelbecke stinkt nicht mehr.“

Seine Stimme im Ohr

Jeder Tourteilnehmer hat Westheides Stimme auch während der Fahrt über Kopfhörer im Ohr. Aber man will nicht nur etwas erfahren, man will einfach auch mal nur fahren. Denn Laune macht es, mit dem Segway auf eine Halde zu düsen, zwischen frischem Grün und blühenden Bäumen. Und dann landet man in einer grauen Mondlandschaft.

„Immer wieder schön, hier anzukommen“, sagt Westheide und fährt auf die „Bramme für das Ruhrgebiet“ zu, die Landmarke von Richard Serra mitten auf der Essener Schurenbachhalde. Und dann heißt es ausnahmsweise mal: „Absteigen!“ Und die Aussicht genießen: das weiße Dach der Veltinsarena oder das Horizontobservatorium auf der Halde Hoheward. Ganz winzig, da weit weg: der Förderturm des Bergbaumuseums in Bochum. Ganz groß, da sehr nah: die Kokerei Zollverein und der Förderturm von Schacht 12. Der Gasometer in Oberhausen ist zu sehen und die Halden, Halden, Halden. Besonders markant ist natürlich die mit dem Tetraeder in Bottrop.

Höchstgeschwindigkeit: 20 km/h

Es geht wieder abwärts. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 20 km/h. Zurück im Nordsternpark, vorbei am Amphitheater – die Open-Air-Bühne am Rhein-Herne-Kanal – und am riesigen Spielplatz zum Lern-Bauernhof für Kinder und Jugendliche, dem Ziegenmichelhof. Und schließlich zurück über die Kanalbrücke mit den roten Bögen zu Lüpertz’ Herkules.

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Für den Düsseldorfer Künstler stehe die Figur aus der griechischen Mythologie für Kraft, so Westheide. „Er sollte zum einen zeigen, dass die Männer, die hier früher im Bergbau tätig waren, richtig malocht haben. Zum anderen steht er für die Kraft für den Strukturwandel.“ Dass der Herkules da oben so schräg steht, sei übrigens kein Zufall, betont Westheide, sondern das Ergebnis von Protesten. „Er sollte ursprünglich in den Park schauen, aber dann hätte er dem Stadtteil Horst sein Hinterteil entgegengestreckt.“

>> Da will ich hin!

Wo wollten Sie schon immer mal hin, haben es aber bis heute noch nicht geschafft?
Carsten Westheide: Ich möchte seit Jahren mal nach Helgoland. Nicht als Tagestourist, sondern mit Übernachtung. Die Stille genießen, die Atmosphäre, die muss toll sein, wenn die Tagestouristen weg sind. Und in der Region? Ich habe noch nicht alle Halden durch. Die Halden im Osten des Ruhrgebiets, hinter Dortmund, die kenne ich noch nicht.

Die nächste Segway-Tour im Nordsternpark (2 Stunden inkl. Einweisung, 65 € pro Person) ist am 12. Mai. Weitere Termine auf Anfrage. Es gibt auch Fahrten etwa in Gladbeck oder Bottrop. Anmeldung unter: westheide.com; Info: 0209/930 460 90