Düsseldorf. Die „Living Bridge“ in Düsseldorf soll mehr sein als eine Brücke. Wohnungen, Büros und ein Park könnten entstehen. Was der Entwurf verspricht.
Allein in NRW müssen in den nächsten Jahren Tausende Brücken saniert werden. Der Erneuerungsbedarf ist gewaltig. Architekten und Immobilienmakler aus Düsseldorf sind der Meinung, dass neu gebaute Brücken künftig mehr können sollen, als Autos, Fußgänger und Radfahrer von einem Flussufer zum anderen zu bringen. Ihr Entwurf der „Green Bridge Düsseldorf“ orientiert sich am Ponte Vecchio in Florenz, auf dem Menschen schon seit Jahrhunderten leben.
Die Theodor-Heuss-Brücke ist eine von sieben Rhein-Überquerungen in Düsseldorf. 1957 als eine der ersten Schrägseil-Brücken in Betrieb gegangen, kann das Bauwerk den wachsenden Verkehr nicht mehr aufnehmen. Was mit der maroden Brücke geschehen soll, ist noch offen. Die Stadtverwaltung will sich dazu in Kürze äußern und auch die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen.
„Living Bridge“ Düsseldorf: 700 Millionen Euro teure Vision
„Wenn Düsseldorf im Jahr 2035 klimaneutral sein will, kann es doch nicht sein, dass wir einfach wieder eine Brücke in der jetzigen Form hinstellen“, sagt Marcel Abel. Der Geschäftsführer des auf Gewerbeimmobilien spezialisierten Beratungs- und Investmentunternehmen JLL schlägt damit Pflöcke ein. Gemeinsam mit den kreativen Köpfen des deutschlandweit führenden Architekturbüros RKW hat er sich Gedanken gemacht über die Landeshauptstadt.
Dabei herausgekommen ist der Entwurf der „Green Bridge Düsseldorf“. In der 700 Millionen Euro teuren Vision verschwinden Autos und Lkw abgas- und lärmschonend in einer Röhre. In dem Brückenwerk darüber entstehen Wohnungen, Büros und ein Hotel. Auf der eigentlichen Fahrbahn spazieren oder joggen Freizeitsportler durch einen Park. Mit Windrädern und Solaranlagen erzeugt die Brücke ihren Energiebedarf weitgehend selbst.
Projekt in Düsseldorf: „Man muss einfach mal ganz neu denken“
Ein Hirngespinst? Keineswegs, meint Dieter Schmoll, Geschäftsführender Gesellschafter bei RKW. „Man muss einfach mal ganz neu denken“, sagt der Stararchitekt und fragt: „Warum soll eine Brücke nicht zum Aufenthaltsort werden? Über Flüssen zu wohnen, ist weit weg von einer Utopie und lässt sich umsetzen.“ Das berühmteste und wohl zugleich älteste Beispiel umspannt den Arno im toskanischen Florenz. Der Ponte Vecchio wurde Mitte des 14. Jahrhunderts gebaut. Auf einer Gesamtlänge von 30 Metern reihen sich über dem Fluss Läden und Wohnungen aneinander. Die belebte Brücke ist seither nicht nur für Touristen ein Magnet.
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Ein solcher Leuchtturm würde auch der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt guttun, meint Architekt Schmoll. „Wir müssen Visionen denken und Impulse setzen für die Zukunft“, mahnt er. Von einer neuen Landmarke ist die Rede. Die „Green Bridge Düsseldorf“ würde ihr historisches Vorbild, der Ponte Vecchio, allein schon von den Ausmaßen her in den Schatten stellen. Das geplante Brückenwerk ist 1500 Meter lang und misst an seiner breitesten Stelle 65 Meter. Der höchste Punkt liegt rund 47 Meter über dem Niveau der Cäcilienallee.
Jabra Soliman, assoziierter Partner bei RKW, hat den gewaltigen Hingucker bereits als Computersimulation entworfen. Darin sind 300 bis 400 Wohnungen, ein Hotel mit 350 Zimmern und 14.000 Quadratmeter Bürofläche enthalten. Ein Panaroma-Restaurant soll einen unverbauten Blick auf den Rhein und die Silhouette Düsseldorfs ermöglichen.
„Green Bridge“ wäre nachhaltiger als eine reine Verkehrsbrücke
Soliman ist aber auch davon überzeugt, dass die „Green Bridge“ deutlich nachhaltiger daher komme als eine marktübliche vierspurige Verkehrsbrücke. „Im Mittelteil nutzen Windkraftturbinen die Schneise aus“, kündigt der Architekt an. Zusammen mit den Solar-Paneelen in den Brückenbögen werde das Bauwerk annähernd so viel Energie erzeugen können, wie es selbst braucht – Ladestationen für E-Autos und E-Bikes inklusive. Weil Autos und Lkw mit all ihren Abgas- und Lärm-Emissionen in einer Röhre verschwinden, ist auf der eigentlichen Brücke Platz für eine Parklandschaft mit 200 Bäumen. Bauzeit: drei bis vier Jahre, Errichtung einer Behelfsbrücke inklusive. Für die nur ein Fünftel so lange Ponte Vecchio brauchte der unbekannte Erbauer rund zehn Jahre.
700 Millionen Euro für die neue Düsseldorfer Landmarke sind aber auch eine Ansage. Immobilien-Spezialist Marcel Abel ist nicht bange, für die „Green Bridge“ ausreichend Investoren zu finden. Ihm schwebt eine Mischfinanzierung vor. „Für den eigentlichen Straßenraum ist öffentliche Hand zuständig“, so der JLL-Geschäftsführer.
Düsseldorf prüft die Realisierungschancen
Bei der Stadt Düsseldorf prüft man gegenwärtig, ob der vorgelegte Entwurf überhaupt eine Realisierungschance hat. Die Verwaltung verweist darauf, dass die zu ersetzende Theodor-Heuss-Brücke auch deshalb unter Denkmalschutz stehe, weil sie mit ihrer „luftigen und sehr feinen Konstruktion“ die Rheinquerung visuell kaum beeinträchtige. „Der vorgelegte architektonische Entwurf ist sehr fantasievoll, bis zu einer möglichen Umsetzung wäre es aber noch ein weiter Weg“, räumt Mobilitätsdezernent Jochen Kral ein. Aktuell sei noch offen, ob die Theodor-Heuss-Brücke nicht doch erhalten werden könnte.
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„Neben architektonischen Aspekten müssten wir auch die verkehrlichen Funktionen für den Umweltverbund und den Kraftfahrzeugverkehr erfüllen“, erklärt Kral und verweist auf die Schifffahrt, die von der „Green Bridge“ nicht beeinträchtigt werden dürfe. „Der Rhein ist immerhin eine Bundeswasserstraße und an ihn überquerende Bauwerke werden höchste Anforderungen gestellt“, meint der Dezernent.
Ob juristische und technische Feinheiten die Vision am Ende zu Fall bringen werden, bleibt abzuwarten. Im Ruhrgebiet hat man mit dem Missverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit längst Erfahrung gemacht. Auf der weltgrößten Immobilien-Ausstellung Expo Real stellte die Stadt Duisburg im Jahr 2007 das Konzept einer „Living Bridge“ vor. Rund 100 Millionen Euro Investitionssumme hatten die Essener Projektentwickler Kölbl Kruse errechnet, um in Duisburg die Ruhr kurz vor ihrer Mündung in den Rhein mit Wohnungen, Büros und Gastronomie zu überbauen. Das Medienecho war gewaltig. Realisiert wurde die 230 Meter lange „Living Bridge“ aber bis heute nicht.
Gleichwohl zeigt man sich in der Stadt offen für innovative Konzepte. „Brücken können in Zukunft mehr, als Fahrzeuge von A nach B zu bringen. Das Potenzial für neue Nutzungen ist groß“, sagt Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Duisburg Business Innovation GmbH. Zumal in der Stadt mit dem größten Binnenhafen Europas. „Allein Duisburg hat mehr Brücken als Venedig“, verweist Beck auf den landesweiten Sanierungsstau und fordert mehr Tempo bei der Erneuerung.
Essen träumt vom A40-Deckel
„Schnelle und nachhaltige Abhilfe ist dringend nötig“, sagt auch Julia Frohne, Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr GmbH. Lösungen wie die Green Bridge seien auch für das Ruhrgebiet interessant. „Bauwerke, die Verkehr, Arbeiten und Wohnen integrieren und hochwertige neue Orte schaffen, sind die Zukunft“, prognostiziert Frohne.
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Im Auge hat sie dabei auch den vom Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen wieder ins Spiel gebrachten Deckel über die Autobahn A40 zwischen den Essener Anschlussstellen Frohnhausen und Holsterhausen. Die Wirtschaftsförderin gibt sich optimistisch: „Projekte wie der geplante A40-Deckel in Essen, auf dem 3000 Wohnungen entstehen sollen, haben deshalb über das Ruhrgebiet hinaus große Bedeutung.“
Das Ruhrgebiet vergleicht sich gern mit anderen pulsierenden Metropolen. Die High Line in New York hat es jedenfalls zu Weltruhm gebracht. Auf einer stillgelegten Güterzugtrasse ist ein 2,3 Kilometer langer Grünzug gebaut worden, der Sauerstoff und Erholung in die Stadt der Wolkenkratzer bringt.
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