Wuppertal. Der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal wird von Tony Cragg persönlich kuratiert. Hier verschmelzen Skulptur und Natur kunstvoll miteinander.

Es ist eines dieser kleinen Landschaftswunder, die man immer wieder erleben darf, nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in den dicht bebauten Straßenschluchten des Bergischen Lands. „Wir sind hier mitten in der Stadt und trotzdem mitten im Wald“, sagt Ruth Eising, Sprecherin des Skulpturenparks Waldfrieden in Wuppertal. Sobald man vom Wohngebiet die Tore zum Skulpturenpark überschritten hat, ist man inmitten von Bäumen, Laub und in einer anderen Welt, denn die Wege und Lichtungen sind gesäumt von modernen Skulpturen. Da stehen mehrere von Joan Miró, ein Henry Moore, ein Markus Lüpertz, Bogomir Ecker, aktuell viele Werke zur Sonderausstellung von Heinz Mack – und immer wieder Cragg. Tony Cragg.

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Was ja kein Wunder ist, denn der Skulpturenpark wurde gestaltet, geschliffen und behauen von jenem bedeutenden britischen Bildhauer, der einst Rektor der Kunstakademie Düsseldorf war und seit 40 Jahren Wuppertal zu seiner Wahlheimat erkoren hat.

Das alte Refugium eines Lackfabrikanten

Um den Skulpturenpark aufzubauen, quasi als sein größtes Werk, gab Cragg sogar seine Professur an der Berliner Universität der Künste auf, eine solche Gelegenheit, eine Verschmelzung von Natur und Skulptur zu erreichen, hätte sich gewiss kein zweites Mal geboten.

Ruth Eising erzält von den Werken und der Geschichte des Skulpturenparks Waldfrieden.
Ruth Eising erzält von den Werken und der Geschichte des Skulpturenparks Waldfrieden. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Denn auf einer der Höhen zwischen Elberfeld und Barmen, eigentlich sind wir in Unterbarmen, hatte sich schon in den 30er-Jahren der Wuppertaler Lackfabrikant Kurt Herberts (1901 – 1989) sein privates Refugium eingerichtet, oben auf einer Höhe: Ein 15 Hektar großes Waldstück, auf dem er 1948 die Villa Waldfrieden errichten ließ, ein Paradebeispiel für Architektur nach anthroposophischen Ideen, die sich mit ihren geschwungenen Kraftlinien harmonisch in die Umgebung einfügt – eigentlich ist das Gebäude selbst die größte Skulptur – zumindest aber ein geschütztes Denkmal. Und warum Waldfrieden? „Es ist ein historischer Name: Bei ,Waldfrieden‘ würde man heute vielleicht eher an ,Friedwald‘ denken, aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war hier schon ein Ausflugslokal, das eben ,Waldfrieden‘ hieß. Später zog Kurt Herberts in das Gebäude, das im Krieg zerstört wurde. Und als er dieses neue Haus 1948 errichten ließ, nannte er es auch ,Waldfrieden‘“, berichtet Ruth Eising. Das Gebäude selbst ist allerdings nur zu besonderen Veranstaltungen öffentlich zugänglich.

Nicht nur die Werke, auch die Landschaft prägen den Eindruck

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Aber man kann sich ja schon draußen kaum sattsehen, wenn man nun über jenes Waldstück geht, über das sich mehr als 50 Skulpturen verteilen, viele davon mit den für Tony Cragg typischen geschwungenen Formen, die oft wirken wie in der Bewegung erstarrte Stücke aus flüssigem Plastik. Am markantesten darunter vielleicht die „Points Of View“ (2007), drei Bronzesäulen, die auf einer Lichtung stehen und ihre volle Formenvielfalt erst entfalten können, wenn man um sie herum schreitet und die verschiedenen Blickwinkel erforscht.

Der Meister selbst: Tony Cragg.
Der Meister selbst: Tony Cragg. © dpa | Oliver Berg

Aber es sind nicht nur die einzelnen Werke, die das Erlebnis ausmachen, hier steinerne Monolithen von Mack, dort fließende Formen von Cragg, sondern auch ihre Platzierung im Gelände. „Bemerkenswert sind die Blickachsen. Tony Cragg richtet den Skulpturenpark als Kurator ja komplett selbst ein. Er kennt diesen Ort unglaublich gut. Und das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Ausstellungsorten und Skulpturenparks, weil einfach der künstlerische Blick das Gelände gestaltet“, sagt Ruth Eising.

Etwas kurios im Park: Der Kunstliebhaber, Mäzen und Förderer Kurt Herberts hat das Waldstück säumen lassen mit Sitzbänken, zu denen Metallkisten gehören. In denen befinden sich Festnetz-Telefone, so dass er schon lange vor der Erfindung des Mobiltelefons immer überall erreichbar war.

Schöne Patina

Eines der bizarren Werke von Cragg: Caldera (2008).
Eines der bizarren Werke von Cragg: Caldera (2008). © FUNKE Foto Services /© VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Jakob Studnar

Über das Gelände verteilt sind auch mehrere moderne Ausstellungshallen, die derzeit die Wechselausstellung „Heinz Mack – Skulpturen“ zeigen, zum 90. Geburtstag des Bildhauers. Was bedeutet: Wer die Sonderausstellung sehen will, muss sich erst seinen Weg durch den Park bahnen.

Und kommt kaum an Blickfängen vorbei wie Jaume Plensas „Marina W’s World“ (2012), das so geschickt mit der Wahrnehmung des Marmors spielt, dass man unweigerlich einer optischen Täuschung erliegt. Man entdeckt Thomas Virnichs „Helter“ (2015), ein auf dem Dach stehendes Häuschen, das ungeheuer filigran wirkt, weil es ursprünglich eine Papierskulptur gewesen ist, die in Bronze gegossen wurde. Oder von Markus Lüpertz den „Paris ohne Arme“ (2000), der schon schöne Patina angesetzt hat – und grob modelliert und zerknautscht in die Gegend blickt wie ein typisches Sagenwesen von Lüpertz eben.

Und wer den Blick, gerade jetzt in den späten Tagen des Herbsts, kurz von den Skulpturen abwendet, entdeckt im Restlaub der 90 verschiedenen Baumarten ebenfalls einige bizarre und wunderschöne Formen, knorrige Stämme und Äste. Denn mitunter erschaffen ja nicht nur Bildhauer echte Kunstwerke, das übernimmt manchmal auch ganz einfach: die Natur.

Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße 12, Wuppertal. Tageskarte 12 €, erm. 9 €, Kinder & Schüler bis 18 Jahre Eintritt frei. Im November & Dezember: Fr-So & Feiertage: 11-17 Uhr, März bis Oktober tägl. außer mo. 11-18 Uhr. Aktuelle Ausstellung: „Heinz Mack – Skulpturen“ bis 2. Januar 2022. Adventsmarkt im Skulpturengarten: 5. Dezember, 12-19 Uhr, mit Bläsermusik und Familienführung. Corona-Regeln auf der Webseite.