Mönchengladbach. Das Museum Abteiberg gilt als Inspirationsquell der Postmoderne, sein Skulpturengarten wurde einst von Mönchen genutzt. Ein Rundgang.
Einen zentraleren Ort als den Skulpturengarten kann man sich in Mönchengladbach kaum vorstellen, also wenn man jetzt mal die Themen Fußball und Borussia ausklammert, und sich mehr auf die Stadtgeschichte konzentriert. „Hier liegt der Ursprung der Stadt“, sagt Susanne Titz und deutet auf die Abteikirche, die heute besser bekannt ist als Mönchengladbacher Münster.
„Die Kirche ist 1000 Jahre älter als unser Museum“, so die Direktorin des Museums Abteiberg. Was nicht nur historisch einen gewaltigen Bogen schlägt. Titz ist sich auch des enormen architektonischen Kontrasts bewusst, den man an dieser Stelle unweigerlich erlebt.
„Soft Inverted Q“ von Popart-Bildhauer Claes Oldenburg
Das altehrwürdige Gotteshaus auf der einen Seite, dem die Stadt auch ihren Namen verdankt, das stilbildende Museumsgebäude von Hans Hollein aus dem Jahr 1982 auf der anderen Seite, das Frank O. Gehry als Inspiration für das Guggenheim-Museum in Bilbao gedient haben soll. „Dort steht die Kathedrale des Mittelalters und hier die Kathedrale der Postmoderne“, sagt Titz. Die beiden Gebäude korrespondieren sogar miteinander, denn das quadratische Fenster des Museumcafés blickt genau auf den Chor der Abteikirche. Und die Verbindung zwischen beiden historischen Polen liefert der Skulpturengarten, der heute noch erahnen lässt, dass einst hier die Mönche durch den Abteigarten wandelten, auch wenn da dieser irritierende altrosa Knubbel oben am Hang über der Wiese den Eindruck bricht.
Doch Pardon, das klang jetzt despektierlich, denn bei dem beschriebenen Objekt handelt es sich um einen echten Claes Oldenburg, also um ein Werk des berühmtesten aller Popart-Bildhauer. „Soft Inverted Q“ (1976-1979) heißt es – und nicht jeder sieht sofort, dass es sich um den umgedrehten Buchstaben „Q“ handelt. Der Schwede könnte ja auch eine merkwürdig geformte Knetmasse, einen Sitzsack oder ein unentdecktes, menschliches Organ dargestellt haben. Unter der farbigen Kunststoffschicht steckt übrigens knallharter Beton, der auf eine Eisenplatte montiert ist – gerade wurde das Werk frisch restauriert. Was heißt: Der Farbton ist jetzt so, wie er sein sollte.
Ein Blick in die Historie
Und die knautschige, blässliche Hubba-Bubba-trifft-Barbapapa-Farbe macht das Werk zum auffälligsten im Skulpturengarten, noch vor Mauro Stacciolis „Anello“ („Ring“, 2001), einem sechseinhalb Meter hohen, aus rostigem Corten-Stahl gefertigten Werk, durch das man wie durch ein Zeitfenster auf die historische Abteikirche blicken kann.
Auch eine dreidimensionale Gitterkugel von François Morellet namens „Sphère-Trames“ (1962/76) wirkt auf dem natürlichen Grün wie ein futuristisches Objekt, aus der Zeit gefallen und aus tausend Blickwinkeln immer anders interpretierbar.
Während all diese Kunstwerke sofort ins Auge fallen, muss man den Blick für ein anderes schon weit nach oben richten in die Wipfel, denn dort findet sich das „Baumhaus“ (2002) von Stefan Kern, das derzeit im Blattwerk fast zu verschwinden scheint und eine gewisse Lauschigkeit ausstrahlt. Und ja, es ist ein Kunstwerk zum Betreten – und für viel mehr.
„Das ist heute auch eine ganz beliebte Liebeslaube, da treffen sich Jugendliche, die küssen wollen“, berichtet Susanne Titz lächelnd darüber, dass die Kunst eben manchmal auch anders vom Publikum angenommen wird, als es vielleicht geplant war. Dass der Plexiglasboden des Baumhauses von Leuchtstoffröhren erhellt wird, sorgt bei hereinbrechender Dunkelheit noch einmal für eine besondere Atmosphäre.
Natur verschmilzt mit Architektur
Auf etwas andere Weise verschmilzt Dan Petermans „Archive (tree)“ (2002) die Natur mit der Architektur, denn das Fundament eines alten Wachturms und den wurzeligen Stumpf eines alten Baumes formte der US-Amerikaner zu einem Kunstwerk über die Vergänglichkeit und Verwitterung. Denn das tote Holz verändert sich, während es von scheinbar unveränderlichen Platten und Sitzen aus recyceltem Kunststoff umgeben ist. Man kann förmlich miterleben, wie der Einfluss der Naturgewalten das Kunstwerk verändert.
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Insgesamt 15 Objekte findet man im 2002 eröffneten Skulpturengarten, einige entdeckt man fast beiläufig. Etwa den „Königstuhl“ (1969) des niederrheinischen Bildhauers Anatol. Oder die wie ausgehöhlte Findlinge wirkenden „Garbage Cans“ (1999) von Jorge Prado, die trotz ihrer bizarren, abgerundeten Formen von manchen Besuchern gar nicht als Kunstwerke wahrgenommen werden – allerdings auch nicht als Abfalleimer, wie der Titel suggeriert.
Neues Bewusstsein für den Garten
Gerade hat der Skulpturengarten Abteiberg übrigens eine unerwartete Belebung erfahren, denn im August ging hier das Festival „Pop Paradiso“ an den Start, das coronakonforme Konzerte ermöglicht hat. „Hier im Skulpturengarten merkt man, es entsteht ein neues Bewusstsein dafür, diesen Raum zu nutzen. Es kommen Menschen mit Picknickdecken, die spontan hier ihren Sonntag verbringen“, sagt Susanne Titz. Nebenbei erleben die Besucher moderne Kunst. „Es zeigt, dass der Garten und das Museum öffentliche Orte sind – mitten in der Stadt und offen zur Stadt.“
15 Exponate findet man im Garten – und dann kann man über die Grenzen des Gartens hinaus nach Kunst suchen, da gibt es als Fortsetzung die Traumstraße, mit ihren bunten Bauhaus-Lampen, den Hans-Jonas-Park, in dem auch noch einmal sechs Objekte stehen. Bis hin zum Gero-Park mit Werken von Georg Ettel und Ulrich Rückriem – eine ganze Skulpturenmeile.
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Aber man kann auch einfach im Skulpturengarten auf einer Bank sitzen bleiben, dem Rauschen der Fontäne im Wasserbecken lauschen – und manch einer träumt dabei nicht nur von moderner Kunst, sondern auch von der Borussia.
Der Skulpturenpark des Museums Abteiberg (Abteistraße 27) ist di-fr 11-17 Uhr, sa/so 11-18 Uhr geöffnet.museum-abteiberg.de