Duisburg. „Eines der wichtigsten Skulpturenmuseen der Welt“: Das Lehmbruck Museum Duisburg pflegt einen Skulpturen-Park als Oase für die Stadtgesellschaft.

Unverschämt! „...und das in einer Stadt, der man so viel Kunstsinn auf den ersten Blick gar nicht ansieht.“ Sagt Moderator Markus Brock auf 3sat mit Gruß nach Duisburg – und Verweis auf das Lehmbruck Museum. Benannt nach dem Wegbereiter der Moderne, ohne den doch ein Joseph Beuys niemals Künstler geworden wäre.

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Aber wir wollen an dieser Stelle auflösen. Den „Museums-Check“ des Kulturkanals besteht das Haus in dem (noch in der Mediathek abrufbaren) 30-Minuten-Format sogar mit Auszeichnung: als „eines der wichtigsten Skulpturenmuseen der Welt“! Was die Duisburgerinnen und Duisburger natürlich schon immer wussten – doch wie sieht es mit dem dazugehörigen Park aus? Der war lange nicht eben sanssouci, doch jetzt ist alles frisch und besser.

Man ist da neue Wege gegangen und das ist nicht nur sprichwörtlich gemeint. Dort, wo ohnehin Trampelpfade durch die Wiese verliefen, wurde eine „Wege-Beziehung“ gelegt. So haben die Besucher gewissermaßen mit den Füßen abgestimmt, das ist nicht nur demokratisch, sondern ergibt auch sinnige Sicht-Achsen. Dazu darf man wissen, dass es ganz schön duster war, wo nun ein breiter Kies-Boulevard verläuft, dass man sich abends vorher kaum mehr durchgetraut hatte.

Zweite Karriere als Instagram-Modelle

„Die Kniende“ von Toni Stadler ist zurück aus dem Depot.
„Die Kniende“ von Toni Stadler ist zurück aus dem Depot. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Das Museum und sein Kantpark liegen eben mitten in der Stadt, „aber ein Zaun, wie in der Gruga in Essen, das ist keine Lösung für uns gewesen“, sagt Dr. Söke Dinkla. Sie ist seit 2013 die Direktorin und war in die Neugestaltung involviert. Mit Mut zur Tücke: So hat die 59-jährige Kunsthistorikern viele der Figuren wieder in den öffentlichen Raum gestellt, der grundsätzlich eine Gefahr darstellt – durch Metalldiebe etwa, die eine Bronze lieber versilbern würden; auch durch Vandalen, denen eine edelstahlpolierte Oberfläche Leinwand genug ist für ihre Schmierereien. „Die Kunst nur im Depot zu lagern, damit wäre ihr Sinn nicht erfüllt. Unser Museum lebt durch den Park, sich hinter die Wände zurückzuziehen, kann nicht die Idee sein“, ist Dinkla überzeugt.

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Schließlich war „die grüne Lunge“ 1925 mal für die Öffentlichkeit als Raum der Entspannung angelegt worden und das blieb Bestimmung, als nach dem Krieg wieder von vorne arrangiert werden musste. Wie 2019: heile Bänke, Blumeninseln, mehr Licht dank weniger Bäume, ein sehr gut angenommener und fantasievoll gestalteter Kinderspielplatz, ein beliebtes Café mit Terrasse – inmitten: 40 Skulpturen. Dinkla: „Mitten in der Stadt die Oase der Erholung. Man braucht einen solchen Ort, einen Platz für die Menschen, heute immer mehr, in einer Zeit, in der sich die Innenstädte sehr verändern.“ Und mit ihnen das Publikum.

Dialog mit Döner

LED-Kunst am Parkrand.
LED-Kunst am Parkrand. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Wenn dann mal ein halber Döner und ein leerer Ayran auf dem zum Verweilen einladenden Monumentalwerk „Dialog“ eines Dani Karavan (von dem vor kurzem verstorbenen, israelischen Bildhauer stammt auch der „Garten der Erinnerung“ im Innenhafen) liegen bleiben wie ein urbanes Stillleben, dann ist auch dies doch lediglich eine Art Zwiegespräch zwischen dem Mensch und dem Menschlichen. Nichts anderes als auch solche Gemeinschaft meint Kultur. Abbau von Schwellenängsten hieße es wohl in der Didaktik, und auch das soll die offene Verbindung von Park und Skulpturenhof mit ihren fließenden Übergängen bewirken. Alles ist frei zugänglich. Das gilt nun mal für jeden.

Und wenn die Leute die Figuren sogar sympathisch finden, wie die dauerlaufenden LED-Piktogramme des britischen Künstlers Julian Opie, „dann haben sie sicher auch Respekt“. Tatsächlich: Die Männchen mit ihren reduzierten Frisuren und der angedeuteten Kleidung – „sie sind inzwischen ein Signet des Museums geworden“ – animieren Vorbeiflanierende, sich ihrem Schritt anzupassen, sie als Fotokulisse einzufangen. Was per se eine Neu-Nutzung der Skulpturen bedeuten kann oder zumindest die Chance auf eine zweite Karriere als Instagram-Modelle. Für diese Fotoplattformen sind Plastiken wie die dicken Kugeln „...der Liebe“ von Documenta-Artist Ansgar Nierhoff wie geschaffen. Auch mit solchen Hashtag-Hotspots fühlt sich die nächste Generation in einem musealen Kontext nicht mehr so lost.

Insta-Walks für die nächste Generation

Söke Dinkla hat dies erkannt und bereits sogenannte Insta-Walks inszeniert, zuletzt etwa bei Stephan Balkenhol, und auch Figuren eines Erwin Wurm eignen sich hervorragend. Das ist dankbares Museums-Marketing. Ketzerischer Einwand: Wenn sich die Kunst nur noch in den Sozialen Medien wiederfindet, ist ja auch nichts gewonnen, oder? „Die Menschen kommen trotzdem ins Museum“, hat die Direktorin registriert, „weil sie die Skulpturen auch räumlich erleben möchten“.

Ein Henry Moore im Innenhof ist frei zugänglich.
Ein Henry Moore im Innenhof ist frei zugänglich. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Wer hingegen Meret Oppenheim, die Muse des Surrealismus, erleben möchte, sollte sich unter Umständen beeilen – das MoMA in New York möchte ihr größtes Werk „Der grüne Zuschauer (einer der zusieht, wie ein anderer stirbt)“ gerne ausleihen: 1933 erschaffen, 1977 hier aufgestellt. Eine Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen, allein die Anfrage jedoch schmeichelt sehr.

Richard Serra und Tony Cragg achten auf die Raum-Wirkung ihrer Werke

Dass das Lehmbruck Museum ein reines Skulpturen-Museum ist, eines der wenigen überhaupt und derart renommiert, bauchpinselt aber auch umgekehrt den Künstlern. Ein Henry Moore etwa, der im Innenhof gleich doppelt vertreten ist, outete sich 1965 beim Besuch als Fan, Richard Serra hat sogar selbst ausgesucht, wo seine Bramme stehen soll, und der ist einer der bedeutendsten Plastiker überhaupt, und auch Tony Cragg steht prominent platziert mit seinen Verzerrbildern, deren Anmutungen mit Landschaft und Naturumgebung spielen.

Pizza und Paparazzi

Mag sich streiten, wer will, wer der allergrößte der großen Stars ist unter den Lichtgestalten. Lady Gaga, eine der erfolgreichsten Sängerinnen überhaupt und Schauspielerin, war nämlich auch schon da! 2010, an einem Pfingstmontag vor ihrem Konzert in Oberhausen, ließ die schrille Lady mit Geheimgetue von Topfotograf Wolfgang Tillmans Bilder im Park schießen – und verdrückte dann noch ne Pizza im Skulpturenhof, die ihr ein Mitarbeiter des Museums organisiert hatte. Veröffentlicht wurde die Session der Pop-Ikone („Paparazzi“) im Folgejahr schließlich in der August/Juli-Ausgabe der Musikzeitschrift Spex. Für alle, die dabei waren, unvergesslich. Ganz schön gaga eben.

Lehmbruck Museum, Düsseldorfer Str. 51, 47051 Duisburg, 0203 2832630, lehmbruckmuseum.de