Essen. Der Garten zur Villa Hügel: Nach den Ideen des Industriellen Alfred Krupp entstand in Essen der Hügelpark. Sein Sohn mochte es exotischer.

Blauer Himmel, Wattewölkchen. Das ist das Wetter, das man sich für einen Besuch des Hügelparks wünscht. Stattdessen: Regen. Aber was sind schon ein paar Tropfen angesichts der schlimmen Überschwemmungen in den letzten Tagen… Also: Auf zur Villa Hügel, zum einstigen Wohnhaus der Industriellen-Familie Krupp in Essen.

Als der Stahlbaron Alfred Krupp 1873 aus der Stadt mit den Schornsteinen in das schlossähnliche Heim mit seinen 269 Zimmern zog, war auch das Gelände erschlossen. „Von Anfang an bildeten die Villa Hügel und der Hügelpark eine Einheit“, sagt Ute Kleinmann, Vorstand der Kulturstiftung Ruhr, die heute in der Villa ihren Sitz hat.

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Viele Bäume rundherum sind so groß, dass ein einzelner Mensch deren Stämme unmöglich umarmen könnte. Wie alt sie genau sind, kann niemand beantworten. „Dafür müsste man sie fällen und die Jahresringe zählen“, so die 61-Jährige. Aber das will ja keiner, es sei denn, es muss sein. Die letzten heißen Sommer haben im Park ihre Spuren hinterlassen. Fest steht: „Viele Bäume sind älter als die Villa Hügel.“

Ulmen aus Mülheim, Nussbäume aus Kettwig

Wie kann das sein? Als Alfred Krupp (1812 - 1887) den Hang erwarb, war der karg. Die Menschen hatten die Bäume gefällt, um mit dem Holz etwa Schiffe zu bauen. „Alfred Krupp war ein ungeduldiger Mensch.“ Zudem nicht mehr der Jüngste. Er wollte den Park noch genießen – und beim Besuch von Kaiser oder König repräsentieren. Also kaufte er ausgewachsene Bäume, ganze Alleen: Ulmen aus Mülheim, Nussbäume aus Kettwig, 100 Bäume aus Gelsenkirchen. Mit Pferdekarren wurden die heimischen Arten auf den Hügel gebracht.

Ein Mammutbaum im Hügelpark. Riesig, aber er gehört nicht zu den ältesten Pflanzen.
Ein Mammutbaum im Hügelpark. Riesig, aber er gehört nicht zu den ältesten Pflanzen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

So ist der Mammutbaum neben der Südterrasse hinter der Villa zwar ein Riese, aber vom Alter her im Vergleich zu den anderen Gehölzen geradezu noch ein Setzling. Die nächste Familien-Generation unter Friedrich Alfred Krupp pflanzte diesen Exoten, ebenso Ginkgo oder Zedern. „Die Bananenstauden gibt es heute aber nicht mehr“, so die promovierte Kunsthistorikerin.

Wo früher Brunnen waren, blühen heute Rosen

Der obere Terrassengarten wurde nach den Plänen des Erbauers rekonstruiert. Seit kurzem kann man ihn wieder besuchen. Alfred Krupp hatte keine renommierten Gartengestalter beauftragt, er verfolgte seine eigenen Vorstellungen vom perfekten Park. Einen Lindenhain, geometrisch angelegt, sieben mal sieben Bäume, wie er heute wieder zu sehen ist, setzte Alfred Krupp in die Mitte des Platzes. Die Brunnen seitlich dieses strengen Wäldchens, gibt es heute nicht mehr, aber die Umrisse zeigen, wo sie einst waren: nun gefüllt mit Rosen.

Von einer halbrunden Aussichtsplattform schaut man auf den unteren Terrassengarten. Dort gab es mal einen Teich. Historische Fotos zeigen, wie Familienmitglieder darauf mit einem Bötchen fuhren. Warum legte man einen Teich so nahe am Baldeneysee an, dessen Wasser hier und da zwischen den Bäumen hervorblitzt? Das mag sich heute mancher fragen. Aber als Alfred Krupp baute, war da noch kein See, sondern lediglich die Ruhr. Erst viel später, in den 1930er-Jahren hob man das Flussufer aus und staute das Wasser.

Ein Park wie Landschaftsmalerei

„Der Garten ist gestaltet wie die Landschaftsmalerei mit einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund.“ So wird der Teil des Parks, der weiter weg vom Haus liegt, immer naturnaher. Auch heute noch kann man unterschiedliche Gartenarten bewundern. Hier die sonnenreiche Terrasse, wenn es denn nicht regnet. Dort die Rhododendronschlucht, die auch bei Sonne schattiger ist. „Eine ganz andere Atmosphäre“, schwärmt Kleinmann. Und einerseits ist der Rasen akkurat getrimmt, andererseits darf eine Wiese im Osten des Parks wild wachsen. Da blühen blaue Kornblumen, violette Disteln und weiße Schafgarben. Ein Fest für die Bienen.

Dr. Ute Kleinmann, Vorständin der Kulturstiftung Ruhr.
Dr. Ute Kleinmann, Vorständin der Kulturstiftung Ruhr. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die Honiglieferanten waren auch zur Alfred-Krupp-Zeit beliebt. Auf dem Gelände gab es eine Imkerei, Landwirtschaft mit Kühen und Hühnern, Gewächshäuser. „Man war mehr oder weniger autark“, sagt Kleinmann. Wo heute der Parkplatz ist, war ganz früher ein Reitplatz, schließlich ein Tennisplatz.

Dann begann der Zweite Weltkrieg – und wie im Ersten wurde der Konzern zur Rüstungsschmiede.

Alle wollten wissen, wie die Krupps gelebt haben

In Friedenszeiten zog die Familie nicht mehr zurück in die Villa. Sie gehört heute der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. 1953 wurde der Park für die Öffentlichkeit freigegeben. Und die Villa verwandelte sich erstmals in ein Ausstellungshaus: „Kunstschätze aus Kirchen-, Museums- und Privatbesitz“, hieß die Schau. Rund 400.000 Besucher kamen – bestimmt nicht nur wegen der Ausstellung: „Man wollte sehen, wie die Familie Krupp gelebt hat.“ Noch heute erzählt eine Dauerausstellung von der Arbeit und dem Alltag der Krupps.

Im Spatzenhaus spielten die kleinen Krupps.
Im Spatzenhaus spielten die kleinen Krupps. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auch beim Spaziergang durch den Park begleitet einen die Geschichte. Welche Verträge wurden hier geschlossen? Vielleicht bei einer Jagd im eigenen Wildpark? Zu Pferd sind sie geritten. Heute gibt es nur noch eines aus Bronze vom Künstler Albert Hinrich Hußmann: Es handelt sich um eine von sieben Skulpturen. Schaut man von der früheren Einfahrtsstraße an dem „Weidenden Pferd“ vorbei, wird die Sicht auf die Villa frei.

Unweit des Hauptgebäudes steht ein kleines aus Fachwerk. „Spatzenhäuschen“ wird es schon auf alten Plänen genannt. „Es wurde 1894 gebaut als Spielhaus für Friedrich Alfreds Töchter Bertha und Barbara.“

Ein Brunnen zeigt das Rotkäppchen

Hinein darf der Parkbesucher nicht, zu fragil ist das Inventar. Aber ein Blick durchs Fenster zeigt das Bänkchen, das Tischchen und auch den kleinen Herd, mit dem die Mädchen spielten. Bei Regen hat man nebenan unter dem reetgedeckten Dach einer Laube einen schönen Blick auf dieses „Hexenhäuschen“. Den Sandkasten davor gab es früher nicht, aber den Rotkäppchen-Brunnen: Auf dem steinernen Becken begegnet das Mädchen aus dem Märchen dem Wolf.

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Der Regen, die Erde, die Bäume geben der Luft einen Waldduft. Früher war das Gelände 150 Hektar groß, heute sind es immerhin noch 28. Wer die äußeren Wege nähme, der könne eineinhalb Stunden spazieren, so Kleinmann: „Und da hat man noch nicht alles gesehen.“ Viele Bänke laden zum Verweilen ein. Es sei denn, es fisselt. Der Hügelpark ist aber auch bei leichtem Regen schön. Dann fühlt man sich unter den Astarmen der alten Bäume noch ein bisschen geborgener.

Hügelpark, Hügel 15, Essen. S-Bahnhof „Essen-Hügel“. 5 € Eintritt, inkl. Besuch der Villa. Montags geschlossen. Zeitticket: villahuegel.de. Parkführungen, 14-tägig, sonntags, 15 Uhr, 3 € plus Eintritt. Die nächste: morgen, 18. Juli. Führung für Privatgruppe, auch in Kombi mit der Villa, ist möglich.