Hamm/Himmel. Luftbild-Legende Hans Blossey begann seine Kamera-Karriere auf dem Fahrrad. Zum 75. NRW-Geburtstag gratuliert der fliegende Fotograf von oben.
Über den Wolken: ein Hammer! Hans Blossey (69), Luftbildfotograf, aus Hamm. Diesen Credit verdienen sich nur wenige Kamerakönner und wohl keiner am Himmel über der Region wie er. Jetzt hat dieser Über-Flieger unserer Welt ein Bilder-Buch herausgebracht, mit dem er dem Bindestrichland zum 75. Geburtstag gratuliert: „Nordrhein-Westfalen von oben – die schönsten Luftbilder der Regionen“, oder wie es beim Klartext-Verlag etwas bibliografisch nüchterner formuliert wird: 160 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen. Weil das mit diesen bunten Bilderkes ja gar nicht so einfach sein dürfte im Cockpit eines Reisemotorseglers, haben wir einfach mal nachgefragt.
Hans Blossey, wie alles begann:
Blossey Im Lokaljournalismus. Mit 15 hatte ich meine ersten Bilder in der Zeitung in Essen-Werden, damals habe ich alles mit dem Fahrrad gemacht. Von den Honoraren in diesen Jahren habe ich mir die schönsten und teuersten Kameras gekauft, die ich mir vom Taschengeld niemals hätte leisten können.
Und dann sind Sie in die Luft gegangen?
Dann bin ich erstmal Taxi gefahren, in Dortmund, wenn es mal nichts zu fotografieren gab. Immer so lange, bis ich genügend Geld hatte für meine Weltreisen wie nach Kathmandu – so war lange mein Leben.
Irgendwann kamen dann Volontariat und Festanstellung.
Ja, ich war in der Reportage, das hat unheimlich viel Spaß gemacht. Mit dem Bundespräsidenten Rau in dessen Stammkneipe zu sitzen...
...und Skat zu spielen?
...und mich nicht überreden zu lassen, Skat zu spielen. Dazu bin ich viel zu vergesslich, ich kann mir einfach die Karten nicht merken. Da wünschte ich, mein Vater hätte mir das mal richtig beigebracht, der konnte das meisterlich.
Lustig ist das Reporterleben!
Beeindruckend, aber schrecklich beeindruckend waren natürlich auch Erlebnisse wie das Fährunglück von Zeebrügge oder das Zugunglück von Eschede. Dienstreisen wiederum wie nach Mauritius, überhaupt kreuz und quer durch die Welt zu kommen, das hat den eigenen Horizont enorm erweitert.
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Da sind wir ja immerhin schon mal beim Fliegen.
Das hatte auch mit einem Zeitungstermin zu tun: Seniorenfliegen in Hamm. Da habe ich halt ganz neugierig gefragt, wie wird man denn Pilot – und die Antwort war eine Einladung zur Schnupperstunde. Da habe ich die sechseinhalbtausend Mark, die ich gespart hatte, um ein halbes Jahr in Südamerika zu leben, in den Flugschein gesteckt. Das habe ich auch nie bereut. Und klar hatte ich direkt immer die Kamera dabei, um beides zu verbinden.
Für die Technik-Fans unter unseren Leserinnen und Lesern bitte mehr Details.
Die Hoffmann Dimona H36, den Motorsegler Baujahr ‘83, habe ich 1988 gekauft und immer noch. Mit dem mittlerweile fünften umgebauten VW-Motor übrigens, mit 80 PS, sehr zuverlässig und für gelegentliche Mitflieger ist das Firmenschild auf dem Zylinderkopfdeckel beim Blick unter die Motorhaube durchaus auch eine vertrauensbildende Maßnahme.
Der fliegt und fliegt und fliegt. Aber was ist mit den Kameras?
Ich habe in der Regel drei an Bord, immer Canon. Die Objektive reichen von 17 Millimeter Super-Weitwinkel bis 1000 Millimeter mit Konverter, alles vollformatig. Damit könnte ich aus 200 bis 300 Meter Flughöhe rein theoretisch Nummernschilder entziffern, aber das interessiert mich natürlich überhaupt nicht. Dafür bekomme ich von Gelsenkirchen aus bei guter Sicht die Skyline von Essen und Düsseldorf in ein Bild durch das extreme Teleobjektiv. Auf jeden Fall verdoppelt die Ausrüstung den Wert des Flugzeugs.
Nun sind Sie eine Ikone – aber mittlerweile kommt jeder Hobbyamateur mit einer Drohne und knipst die Regenrinnen von oben...
Ich hatte auch eine und in meinem Garten ganz viele Vogelhäuschen und Forsythien damit abgeschossen beim Üben. Aber ich sitze viel lieber in meiner Kabine, da fliege ich bedeutend höher als die Drohne darf. So bekomme ich mehr Abstand und eine privilegierte Sicht auf unsere Welt.
Klingt wie Gerst, der Astronaut.
Es ist zumindest ähnlich. Es lässt einen verständnisvoller mit der Erde umgehen. Die eigenen Probleme werden kleiner, man erfährt eine unheimliche Ruhe – obwohl es laut ist und wackelt. Körperlich eine unruhige Geschichte, für den Kopf eine riesige Erholung. Man bekommt auch diese Zeitsprünge mit. Es hat ja noch gequalmt, als ich schon Bilder machte über Hörde – und jetzt wohnen da die Hummels schick am Phoenixsee. Ich kann von oben erkennen, ob es Lebensqualität gibt, etwa ob in einem Neubaugebiet auch an die Spielplätze für die Kinder gedacht worden ist.
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Man sieht den Strukturwandel. Sieht man auch den Klimawandel?
Wenn die ganzen Windrad-Spargel so aus der Wolkendecke herausragen, dann denkt man schon, davon gibt es ja doch schon eine Menge. Wenn ich über Herdecke fliege und die Stromtrasse über den Köpfen da sehe, hat man Verständnis für die Proteste. Und über Duisburg, je nachdem, was sich da im Stahlwerk tut, habe ich immer noch diesen feinen schwarzen Schmier an der Flügelkante, weil da immer noch jede Menge Dreck in die Luft geschleudert wird. Schwarze Schnauze.
Und trotzdem sagt man gern, es ist hier viel grüner, als man denkt?
Ja, die Leute sind immer ganz begeistert. Und überrascht, dass es keine Übergänge zwischen den Städten gibt. Bochum fließt über Wattenscheid in Essen über. Ich muss natürlich die Grenzen kennen, weil ich die Bilder nachher beschriften muss, was man wo fotografiert hat.
Über 280.000 Aufnahmen?!
Die ich alle digitalisiert habe. Kann man auf meiner Seite luftbild-blossey.de stöbern, sehr zeitaufwendig.
Gibt es Lieblingsmotive?
Wie der Eversberg in Meschede aus dem Nebel kommt, das ist eines meiner Lieblingsbilder. Das wusste ich schon beim Fotografieren. Es gibt ganz viele Zufälle für fantastische Bilder. Und wie jeder Fotograf weiß, sind es die Ränder des Tages, frühmorgens und kurz vor der Dämmerung, wenn die Sonne lange Schatten erzeugt, das sind die schönsten Bilder, die man machen kann. Dokumentarischen Wert haben die weniger, aber halt diesen romantischen Touch. Die meisten davon hätte man nicht vorhersehen können. Das Ruhrgebiet bei Nacht sieht man ja sonst auch nur im Landeanflug aus dem Urlaub, das ist auch so eine echte Offenbarung – die leuchtenden Industrien, die Stadtzentren, magische Momente. Davon mache ich aktuell Bilder für ein neues Buch. Für ein weiteres lerne ich gerade Spanisch: Mallorca von oben...
Der Fotobeweis: Bielefeld gibt es tatsächlich
Das aktuelle Werk würdigt NRW. Was bedeutet dieses unser Land für Sie?
NRW ist der Nabel meiner Welt. Ich bin über den Philippinen geflogen, über Hongkong, über Dubai, San Francisco oder Los Angeles – aber ich möchte mein Ruhrgebiet nicht missen. Ich kenne die Leute, die hier leben, das ist eine Einheit. Dieses NRW ist wunderschön!
Gab es auch neue Erkenntnisse?
Ich habe wirklich ganz viel Neues entdeckt. Als ich etwa für das Buch Ostwestfalen fotografiert habe: Bielefeld existiert tatsächlich. Und es hat eine unheimlich schöne Burg.
Sie drücken diese Verbundenheit in Bildern aus. Jetzt wäre die Gelegenheit, es in Worten zu versuchen.
Gerne. Ich gratuliere NRW zum 75. Geburtstag, weil es so vielfältig und so wunderschön ist – und das von ganzem Herzen.
Luftsicherheit
Ob es schon einmal kritische Momente in der Luft gegeben hat? Hans Blossey sagt: „Ich darf alleine fliegen, habe aber grundsätzlich einen zweiten Piloten, allein schon meiner Frau zuliebe. Vier Augen sehen natürlich mehr als zwei. Manche schauen nur auf ihre Instrumente. Dabei gilt auch im Luftverkehr, wer von rechts kommt, der hat Vorflug. Ich denke, ich werde den einen oder anderen glücklichen Moment erlebt – und überlebt haben. Aber man landet schon mal dort, wo man nicht landen wollte, weil sich das Wetter gedreht hat.“
Hans Blossey: Nordrhein-Westfalen von oben (18,95 Euro, Klartext)