Essen. Am 20. Mai ist Weltbienentag und alle Welt ist verrückt nach Bienenhotels. Es gibt aber Grund zur Sorge, die Hälfte der Arten ist gefährdet.

Vorbei die Zeit, als man sich sommers noch ständig ärgerte über das aufdringliche Gesummse, das in jedem Straßencafé rund um die süßen Getränke und Eisbecher herrschte. Denn erst wurde es für mehrere Jahre etwas stiller um die brummselnden Bienenvölker-Scharen, dann schlug im Jahr 2017 eine kanadische Studie Alarm, die feststellte, dass im vorangegangenen Vierteljahrhundert 75 Prozent der Insekten einfach verschwunden sind. Größter Grund zur Sorge: Das Wohlergehen der gelb-schwarzen Blütenbestäuber.

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Seitdem sind wir, wenn man bei Tiermetaphern bleiben will, auf die Biene gekommen – und feiern am 20. Mai sogar den „Tag der Biene“, der 2018 ausgerufen wurde und auf den Geburtstag des Hofimkermeisters der Kaiserin Maria Theresia von Österreich fällt.

Bienenhotels können nicht mehr übersehen werden

Ein reges Treiben herrscht vor den Bienenhotels.
Ein reges Treiben herrscht vor den Bienenhotels. © Getty Images/iStockphoto | hsvrs

Spätestens in diesem Frühjahr konnte man in keinem Baumarkt und kaum einem Supermarkt mehr an den fertigen Bienenhotels vorbeischwirren, in Häuschen- und in Wabenform standen sie dort, als runde Röhre oder kantiger Kasten. Was man sich früher noch in Kleinarbeit aus Nabu-Bauanleitungen zusammenbasteln musste (und es natürlich immer noch kann, siehe Anleitung und Tipps unten auf der Seite), ist nun zu einer kleinen Bienen-Industrie geworden. Beim Nabu selbst waren die fertigen Hotels, die besonders umweltfreundlich sind, die meiste Zeit hoffnungslos ausverkauft.

Darüber hinaus: Auch die Gartencenter überschlagen sich mittlerweile darin, all die Pflanzen, die sie ja ohnehin im Angebot haben, noch einmal ganz ausdrücklich als bienenfreundlich zu kennzeichnen. Krokusse, Sonnenblumen, Astern, Verbenen, Löwenmäulchen oder duftender Lavendel, möglichst vielfältig sollte die Auswahl für die Bienen sein. Und die Kunden kaufen oft bewusst und bienenfleißig solche Sorten.

Die roten Listen werden nicht kürzer

Fast möchte man ungeduldig fragen: Und? Hat unsere Bienenbegeisterung schon was gebracht? „Das ist leider nicht so genau festzustellen. Wenn man sich vorstellt: Es gibt in Deutschland 550 Wildbienenarten, einige von ihnen sind im Jahr auch nur sechs Wochen aktiv. Es braucht ein extremes Expertenwissen, um eine Veränderung wirklich festzustellen. Und man muss die Entwicklung über mehrere Jahre betrachten. Noch ist es so, dass die roten Listen nicht kürzer werden“, sagt Thorsten Wiegers vom Naturschutzbund NRW.

Apropos rote Listen: Von den 550 Arten gelten laut BUND 270 zumindest als gefährdet, 31 von ihnen sind konkret vom Aussterben bedroht, 47 weitere stehen bereits auf der Vorwarnliste.

Keine Sorge um die Honigbiene

Hobby-Imker Günter Holberndt hat seine Bienenkästen auf der neuen Funke-Zentrale aufgestellt.
Hobby-Imker Günter Holberndt hat seine Bienenkästen auf der neuen Funke-Zentrale aufgestellt. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Es ist also höchste Zeit, etwas zu tun, auch wenn viel nicht unbedingt viel hilft. „Die Nisthilfen für Bienen bringen natürlich schnell etwas. Aber es hängt auch vom Standort ab, ob sich dort eher seltene oder bedrohte Arten ansiedeln oder ob es dann doch die sind, die verbreiteter sind.“ Gibt es also schützenswerte Bienen und weniger schützenswerte? Zumindest aus Sicht der Artenvielfalt.

Wer sich auskennt, wird bemerkt haben: Die Rede war hier nur von den verschiedenen Arten von Wildbienen. „Um die Honigbiene muss man sich gar keine Sorgen machen, um die kümmern wir Imker uns“, sagt Günter Holberndt, der unter anderem auf dem Dach des Funke Media Office sechs Bienenvölker mit etwa 360.000 Honigbienen betreut. Zumindest dabei gibt es eine gute Nachricht: Seit mehr als zehn Jahren nimmt weltweit die Zahl der Imker und der Bienenvölker zu. Ende 2017 waren in Deutschland ca. 130.000 Imker und eine Million Bienenvölker registriert. 2020 waren es laut Imkerverband mehr als 140.000 Imker bundesweit.

Höhere Überlebenschancen

Und klar, die Honigbienen nisten jeweils in einem großen Bienenstock, während die Wildbienen Einzelgänger sind.

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Noch etwas gibt es zu beachten: Bei den Wildbienen ist die nähere Umgebung wichtig, das heißt: Wenn ein Bienenhotel aufgehängt wird, sollte im Umkreis von 150 bis 200 Metern ein ausreichendes Nahrungsangebot vorhanden sein. „Weiter fliegen die Wildbienen nicht“, so der Imker. Wildbienen fühlen sich auch auf alten Industriebrachen und in möglichst unberührter Natur wohl. Gibt’s zu wenig davon in unserer Region? Das lässt sich nicht so pauschal behaupten. Die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet zählte etwa 2017 in ihrem Bericht allein im Landschaftspark Mechtenberg, der sich über Essener, Gelsenkirchener und Bochumer Gebiet erstreckt, 36 verschiedene Wildbienenarten aus acht verschiedenen Gattungen.

Wer einen größeren Garten hat und mit dem Gedanken an ein großes Bienenhotel spielt: Besser ist es, mehrere kleinere Hotels an verschiedenen Stellen zu positionieren. „Das entspricht mehr dem, was sonst in der Natur vorzufinden ist – und dementsprechend sind die Überlebenschancen auch größer“, sagt Thorsten Wiegers.