Essen. Neue Studie überrascht: Haben die Menschen viele verschiedene Vögel bei sich im Garten, sind sie darüber froher als über ein höheres Einkommen.

Wenn jemand einen Vogel hat, dann ist das umgangssprachlich nichts Gutes. Hat er jedoch vor seinem Fenster oder im nächsten Park nicht nur einen Vogel, sondern kann viele verschiedene Arten beobachten, dann macht ihn das zu einem sehr zufriedenen Menschen.

Das überrascht nicht. Schließlich pfeifen es die Spatzen schon von den Dächern, dass die Natur Balsam für die Seele ist. Aber es reicht nicht aus, damit der Stress abklingt, dass der Mensch bloß auf einen Buchsbaum blickt oder nur einen Zitronenfalter beobachtet. Eine neue Studie belegt: Das Glück liegt in der Vielfalt.

Die Wissenschaftler zeigen dies am Beispiel von Vögeln. „Die glücklichsten Europäer sind unseren Ergebnissen zufolge diejenigen, die in ihrem tagtäglichen Leben viele verschiedene Vogelarten erleben können oder in einer naturnahen Umgebung leben, in der viele Arten beheimatet sind“, sagt Erstautor und Umweltwissenschaftler Joel Methorst von der Helmut-Schmidt-Uni in Hamburg.

Hängt zusammen: Vogelvielfalt und Wohlbefinden der Menschen

Der 31-Jährige hat sich mit einem Forscher-Team die Daten der „Europäischen Erhebung zur Lebensqualität“ von 2012 angeschaut, bei der mehr als 26.000 Erwachsene aus 26 Ländern zu ihrem Wohlbefinden befragt wurden. Diese Daten stellten sie in einen Zusammenhang mit der Vogelvielfalt – dokumentiert im Europäischen Brutvogelatlas.

Joel Methorst, Umweltwissenschaftler an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg, rät dazu, nicht nur Naturschutzgebiete, sondern auch die Natur vor der Tür zu schützen.
Joel Methorst, Umweltwissenschaftler an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg, rät dazu, nicht nur Naturschutzgebiete, sondern auch die Natur vor der Tür zu schützen. © Privat | Pamela de Jong-Grifhorst

Die Wissenschaftler haben die Vögel in den Fokus gerückt, weil sie einen Vorteil haben gegenüber Schneeglöckchen oder Trompetenbaum: Man sieht sie nicht nur, man hört sie auch – und das meist, bevor man sie entdeckt hat.

„Stiglit“ kündigt sich der Stieglitz an. „Jüpp-jüpp-jüpp grüüü“ trällert der Grünfink aus einer anderen Ecke des Gartens. Ist der Gesang besonders vielstimmig, freuen sich darüber die Menschen – und das genauso oder sogar noch mehr, als sie es über eine Gehaltserhöhung tun würden.

Die Lebenszufriedenheit der Europäer

„Wir haben uns auch die sozioökonomischen Daten der Befragten angesehen und überraschenderweise festgestellt, dass für die individuelle Lebenszufriedenheit die Vogelvielfalt genauso wichtig ist wie das Einkommen“, sagt Katrin Böhning-Gaese.

Die Doktormutter von Methorst ist Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main sowie Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig. Ein Team von diesen Instituten hat die Daten zusammengetragen.

Natürlich hängt das Vogel-Glück davon ab, wie viel Piepen bereits auf dem Konto sind – und wie hoch der Betrag ist, der einem ins Haus flattert. Doch den Forschern zufolge macht ein Plus von 14 Vogelarten mindestens genauso zufrieden wie 124 Euro monatlich mehr auf dem Haushaltskonto, wenn man von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen in Europa von 1237 Euro pro Monat ausgehe.

Das Glück kommt geflogen – heimische Vögel

Gräbt man im Garten, ist man nicht lange allein: Das zutrauliche Rotkehlchen findet die aufgeworfene Erde zu verlockend – da könnten ja schmackhafte Würmer und Schnecken zu finden sein. Belohnt wird der Gärtner durch den schönen Gesang.
Gräbt man im Garten, ist man nicht lange allein: Das zutrauliche Rotkehlchen findet die aufgeworfene Erde zu verlockend – da könnten ja schmackhafte Würmer und Schnecken zu finden sein. Belohnt wird der Gärtner durch den schönen Gesang. © imago images/STAR-MEDIA | imago stock
Auf die Rauchschwalbe müssen wir etwas warten. Im April kommt der Zugvogel aus Afrika zurück. Dann kann man ihn vor allem auf dem Land beobachten. Im Flug ernährt er sich von Mücken oder Fliegen. Doch weniger Insekten bedeutet weniger Futter: Die Schwalbenart ist gefährdet.
Auf die Rauchschwalbe müssen wir etwas warten. Im April kommt der Zugvogel aus Afrika zurück. Dann kann man ihn vor allem auf dem Land beobachten. Im Flug ernährt er sich von Mücken oder Fliegen. Doch weniger Insekten bedeutet weniger Futter: Die Schwalbenart ist gefährdet. © picture alliance / blickwinkel/M. Woike | M. Woike
Bei der Zählung der Gartenvögel im Jahr 2020 in ganz Deutschland, nahm der Haussperling an der Spitze der Liste Platz. Trotzdem ist der Spatz, wie er ebenfalls genannt wird, im Sinkflug: Versiegelte Flächen erschweren ihm die Nahrungssuche.
Bei der Zählung der Gartenvögel im Jahr 2020 in ganz Deutschland, nahm der Haussperling an der Spitze der Liste Platz. Trotzdem ist der Spatz, wie er ebenfalls genannt wird, im Sinkflug: Versiegelte Flächen erschweren ihm die Nahrungssuche. © imago/blickwinkel | imago classic
Nein, das ist kein Kanarienvogel. Wobei der Gesang des Grünfinks schon mal an ihn erinnern kann. In dichten Hecken fühlt sich dieser Vogel mit dem gelbgrünen Gefieder besonders wohl. Er mag Sämereien und Früchte, am liebsten verschnabuliert er Hagebutte.
Nein, das ist kein Kanarienvogel. Wobei der Gesang des Grünfinks schon mal an ihn erinnern kann. In dichten Hecken fühlt sich dieser Vogel mit dem gelbgrünen Gefieder besonders wohl. Er mag Sämereien und Früchte, am liebsten verschnabuliert er Hagebutte. © picture alliance / blickwinkel/W. Pattyn | W. Pattyn
Noch so ein Vogel mit einer roten Kehle, allerdings geht das Gefieder in Richtung Rosa: Der Gimpel, auch Dompfaff genannt, versteckt sich gerne in dichtem Gebüsch. Mit dem kräftigen Schnabel labt er sich an Knospen, Sämereien und Beeren.
Noch so ein Vogel mit einer roten Kehle, allerdings geht das Gefieder in Richtung Rosa: Der Gimpel, auch Dompfaff genannt, versteckt sich gerne in dichtem Gebüsch. Mit dem kräftigen Schnabel labt er sich an Knospen, Sämereien und Beeren. © imago images/imagebroker | imago classic
Ja, das ist eine Blaumeise. Wer den charakteristischen blauen Scheitel vermisst: Es handelt sich um ein Jungtier, das noch ein graues Käppchen trägt und erst später sein buntes Gefieder. Der Höhlenbrüter mag Insekten, Samen und Beeren.
Ja, das ist eine Blaumeise. Wer den charakteristischen blauen Scheitel vermisst: Es handelt sich um ein Jungtier, das noch ein graues Käppchen trägt und erst später sein buntes Gefieder. Der Höhlenbrüter mag Insekten, Samen und Beeren. © picture alliance / Zoonar | JUERGENLANDSHOEFT
In Wellen fliegt er durch die Luft: Der Stieglitz mit dem schwarz-rot-weißen Gesicht und den gelben Federn an den Flügeln ernährt sich gerne vegetarisch. Mit dem spitzen Schnabel gelangt er an die Samen von Disteln, daher nennt man ihn auch Distelfink.
In Wellen fliegt er durch die Luft: Der Stieglitz mit dem schwarz-rot-weißen Gesicht und den gelben Federn an den Flügeln ernährt sich gerne vegetarisch. Mit dem spitzen Schnabel gelangt er an die Samen von Disteln, daher nennt man ihn auch Distelfink. © picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/R. Mueller | McPHOTO/R. Mueller
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14 Vogelarten mehr vor der eigenen Haustür? Das sind einige. „Es wäre schön, wenn man das experimentell testen könnte – die Umsetzung dürfte jedoch schwer sein“, macht Methorst lachend nicht viel Federlesen. Das Rechenbeispiel soll lediglich die Aussage der Studie unterfüttern: „Wir haben damit die Bedeutung von Artenvielfalt für den Menschen noch mal hervorgehoben, für seine mentale Gesundheit.“

Naturschutz ist also etwas, das man auch aus egoistischen Gründen verfolgen sollte? „Wenn man es so zugespitzt formulieren will, dann verschafft Naturschutz auch dem Menschen einen Nutzen“, sagt Methorst. „Es ist aber nicht damit getan, dass man nur Naturschutzgebiete schützt, zu denen Menschen ein paar Mal fahren, um dort zu wandern“, betont Methorst. „Es geht vor allen Dingen darum, die Artenvielfalt und die Natur, mit der wir auch im Alltag zu tun haben, zu schützen.“

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Bei bunt gefiederten Vögeln, die einen faszinieren und lächeln lassen, dürfte das vielen Menschen einleuchten. Aber Artenvielfalt, die weltweit abnimmt, endet ja nicht in den Nestern. Dabei geht es auch um vermeintliche Unkräuter und Mücken. Da dürften viele auf ein Plus an Vielfalt verzichten wollen und die Gehaltserhöhung vorziehen.

Wer Insekten schützt, schützt auch die Vögel

Aber das eine existiert eben nicht ohne das andere, betont Methorst. Der Rückgang der Insekten gefährde auch die Vogelvielfalt. Agrartechniken, wie der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, zerstörten die Natur. Aber auch der Konsum von Fleisch wirke sich negativ auf die Umwelt aus – oder eine schlechte Stadtplanung.

Die Kritik an Steingärten, die zum Beispiel in Duisburg schon zu einem Verbot geführt haben, kann Methorst nachvollziehen: „Man weiß, dass solche Steingärten nicht gut sind für Tiere, Pflanzen, die Arten-Vielfalt. Man muss sich selbst fragen, was man bevorzugt: Will man vom Fenster aus einen schönen grünen Garten betrachten oder eine Freifläche?“

Der Naturschutzbund beschreibt 307 heimische Vogelarten in der kostenlosen App „Vogelwelt“ oder unter nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets